Landtag,
14. Sitzung vom 22.11.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 55
StR Johann Herzog:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zum vorliegenden Gesetz, mit dem die Wiener
Gemeindewahlordnung, das Wiener Volksbegehrensgesetz, das Wiener
Volksbefragungsgesetz und das Wiener Volksabstimmungsgesetz abgeändert werden,
werden wir in Bezug auf die Einführung der Briefwahl keine Zustimmung geben.
Die Briefwahl stellt für uns ein schwieriges Problem
dar. Die Briefwahl ist eine gravierende Gefährdung eines der Grundrechte einer
Demokratie, nämlich eine Gefährdung des geheimen Wahlrechts. Ich glaube, dass
wenig Zweifel daran bestehen kann, dass hier echte Gefährdungselemente
vorhanden sind. Dieses geheime Wahlrecht ist ein Kernpunkt jeder Demokratie. Es
ist natürlich verfassungsmäßig abgesichert, aber nicht nur, auch durch andere
Gesetze. Wir haben massive Bedenken gegen die gewählte Vorgangsweise, die
naturgemäß auch den Regelungen auf Bundesebene entspricht.
Der Vorgang bei der Briefwahl wird durch § 58a
der Gemeindewahlordnung normiert, wo festgestellt wird, dass der Wähler den von
ihm ausgefüllten amtlichen Stimmzettel in das Wahlkuvert zu legen, zu
verschließen und in die Wahlkarte zu legen hat und sodann auf der Wahlkarte
durch Unterschrift eidesstattlich zu erklären hat, dass er den amtlichen
Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Dann hat
er die Wahlkarte zu verschließen und so rechtzeitig auf den Postweg zu geben,
dass sie bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde spätestens am achten Tag um
14 Uhr eingelangt ist.
Wir finden, dass dieses Begnügen mit einer eidesstattlichen
Erklärung ein massives Unsicherheitselement in diesem Wahlrecht darstellt, dass
es zu Missbrauch einlädt, dass wir nicht wissen, wie die Entscheidung eines
einzelnen Wählers, einer einzelnen Wählerin in dieser Richtung erfolgt ist. Ich
glaube, dass die Abgabe einer geheimen und persönlichen Wahlentscheidung
grundsätzlich durch die Einführung der Briefwahl nicht mehr als gesichert
angesehen werden kann! (Beifall bei der FPÖ.)
Die Feststellung, niemand in Österreich sei an einem Wahlbetrug
interessiert, stammt, glaube ich, von Minister Pröll. Natürlich will ich das
gerne glauben, aber, meine Damen und Herren, ich glaube, eine solche
Feststellung ist nicht geeignet, Basis für die Schaffung von Grundlagen unseres
Wahlrechts zu sein! Das ist eine gut gemeinte Bemerkung, aber nicht mehr!
Welcher Aufwand wird doch letzten Endes auf den
verschiedenen Ebenen der Wahlkommissionen im Bezirk, in der Stadt, im Land, auf
Bundesebene, betrieben, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen zu sichern
und den verfassungsmäßigen Erfordernissen zu entsprechen. Und dem widerspricht
die Ausübung eines Briefwahlrechtes ohne alle Zeugen, ohne vorgeschriebene
Stellen - ob zum Beispiel Notar gemeint sein könnte oder Auslandsvertretung -,
doch klar und deutlich. Der Wert einer eidesstattlichen Erklärung ist in Bezug
nämlich auf das in Frage stehende demokratische Rechtsgut massivst als gering
zu erachten und ist ein echter Schwachpunkt in dieser Novelle des Wahlrechtes.
Es kann letztendlich nicht ausgeschlossen werden, und
ist ja auch schon immer vorgekommen, dass zum Beispiel im Familienkreis Druck
auf Familienmitglieder ausgeübt wird, das Wahlverhalten so oder so zu
gestalten, und das ist bei diesem Briefwahlrecht, wie es hier abgewickelt wird,
durchaus möglich. Mit anderen Worten, es gibt nicht nur diese, sondern viele
andere Missbrauchsmöglichkeiten, an die wir denken müssen, und die wir
eigentlich ablehnen und verhindern müssen.
1985 hat es in Bezug auf Teile des damaligen
niederösterreichischen Wahlrechtes ein Verwaltungsgerichtshoferkenntnis
gegeben, nämlich in Sachen Briefwahl. Dieses Erkenntnis ist interessant, ich
kann aber nur ein bisschen daraus zitieren. Es wird festgestellt:
„Geheim in der Bedeutung des Art 26 Abs 1
B-VG“, also Bundes-Verfassungsgesetz, „ist ein Wahlrecht nur dann, wenn der
Wähler seine Stimme derart abzugeben vermag, dass niemand, weder die Behörde
noch sonst jemand erkennen kann, wer gewählt hat. Demgemäß verlangt der
Grundsatz des geheimen Wahlrechtes wirksame Vorkehrungen zur Geheimhaltung, und
die sind mit dieser Briefwahlregelung nicht gegeben." (Beifall bei der
FPÖ.)
Die geheime Wahl, sagt Ermacora im Handbuch der
Grundfreiheiten und der Menschenrechte, die geheime Wahl soll also den Wähler
nicht bloß vor unerwünschter Einflussnahme auf seine Willensbildung im Zuge des
Wahlvorganges bewahren, sie soll auch die Sorge und Furcht nehmen, dass er
wegen seiner Stimmabgabe in bestimmte Richtung Vorwürfen und Nachteilen welcher
Art auch immer, ausgesetzt sei.
Ebenfalls interessant ist, dass die „Presse" im
„Rechtspanorama" Folgendes geschrieben hat: „Nur die geheime Wahl ist
frei. Pfeiler der Demokratie bedroht. An Eides statt zu erklären, dass die
Stimmabgabe persönlich und geheim erfolgt ist: Wollen wir darüber rätseln, wie
oft eine solche Erklärung überprüft werden wird? Sprechen wir es offen aus:
Diese Erklärung ist genauso sinnvoll, wie die von Touristen bei ihrer Einreise
in manche Länder verlangte Erklärung, sie seien kein Mitglied einer
terroristischen Vereinigung.“ Das ist scharf pointiert, aber in der Sache
natürlich richtig.
Diese Bedenken, meine Damen und Herren, sind so
stark, dass wir uns nicht imstande sehen, der diesbezüglichen Änderung des
Wahlrechtes in Bezug auf die Briefwahl, wie sie hier geregelt ist, zustimmen zu
können.
Des Weiteren möchte ich noch darauf eingehen, dass die Bestimmungen des
Meldegesetzes - es liegen auch Anträge in dieser Richtung vor -, wonach ja
mehrere Nebenwohnsitze errichtbar und einrichtbar sind, ebenso dazu führen,
dass ein Wahlrecht für den Kreis der Personen, die hier mit Nebenwohnsitzen
gemeldet sind, wohl nicht möglich sein kann. Die Missbrauchsmöglichkeiten sind
gewaltig, die Übersicht über mehr als 100 000 Nebenwohnsitze nicht
gegeben, Überprüfung ist nicht erfolgt und ich will auch gar nicht leugnen,
dass
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