Landtag,
10. Sitzung vom 28.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 98
Tradition und praktische Erfahrung in transnationaler
Kooperation im Donauraum.
Und Wien kann auch zum eigenen Nutzen und Vorteil,
ich sage nur, Win-win-Situation, Projekte mit europäischem Mehrwert kreieren
und befördern, ganz nach dem Motto „Europäisch denken, regional handeln, Wien
entwickeln“. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr Abg Mag Gudenus. Ich
erteile ihm das Wort.
Abg Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Landtag!
50 Jahre Römische Verträge. Es wurde heute auch
sehr viel über die Geschichte gesprochen und auch sehr viel über die Gegenwart.
Ich werde versuchen, etwas über die Zukunft zu sagen, die Zukunft der Völker
Europas, obwohl es gar nicht sehr angenehm ist, über dieses Thema nachzudenken.
In Zeiten nämlich, wo ein Johann Gottfried Herder, der ein Freund Goethes und
Schillers war, noch selbst zu ihnen sagen konnte: „Die Völker sind die Taten
Gottes.“, diese Zeiten sind nämlich vorbei.
Es war Heinrich Heine, der einmal gesagt hat: „Wenn
es den Kaiser juckt, so müssen sich die Völker kratzen.“ Heute muss man das
Wort Kaiser durch EU ersetzen, nur dass es heute eher noch schlimmer ist als zu
Zeiten irgendwelcher Kaiserherrschaften, denn wenn es die EU juckt, kommen ihre
Völker mit dem Kratzen gar nicht mehr nach, denn heute will man, dass sich die
Völker so lange kratzen, bis sie buchstäblich abkratzen.
Unser Kaiser heißt EU und diese EU will in Wahrheit
nichts anderes als die Völker Europas aufzulösen, als den europäischen Einheitsmenschen
herzustellen. Die nationalen Unterschiede, die Vielfalt, die der Ursprung des
geistigen und kulturellen Reichtums Europas sind, sollen ausgemerzt werden, um
die Errichtung einer neuen Diktatur der EU-Lobbys und der Großkonzerne so
einfach wie möglich zu machen. Gesagt wird das natürlich nicht.
Die Abschaffung der Demokratie bezeichnet man
beschönigend als EU-Verfassung oder EU-Reformvertrag. Die schrankenlose
Zuwanderung, die nur den Interessen der Großkonzerne und dem Lohndumping dient,
nennt man eine multikulturelle Bereicherung.
Die Schaffung von Billigarbeitsplätzen, von denen man
dann zwei oder drei braucht, um überhaupt leben oder überleben zu können, ist
in diesem Neusprech Orwell’scher Prägung eine Arbeitsmarktflexibilisierung.
Diese Welt, die von den Eurokraten installiert wird,
erinnert an die Warnung, die Erich Fromm in den 70er Jahren ausgesprochen hat,
als seine Warnung vor dem Faschismus mit lächelndem Gesicht nämlich.
Nehmen wir nun den EU-Reformvertrag, der dieser Tage
in Brüssel beschlossen worden ist. Mit ihm wird die Selbstständigkeit der
Europäischen Völker unterminiert. Er ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu
einem zentralistischen Bundesstaat, in dem es keine nationale Souveränität mehr
gibt, keine nationalen Kompetenzen, keine nationalen Rechte, außer natürlich
für ein paar Große. Ein Superstaat, in dem EU-Kommissionen, die nicht oder kaum
demokratisch legitimiert sind, über das Wohl und Wehe der Europäischen Völker
entscheiden, und sich wahrscheinlich mehr für das Weh als für das Wohl der
Völker entscheiden werden.
Dieser Reformvertrag, diese Verfassung, trägt die
Völker und deren Souveränität Europas zu Grabe und man wird den Eindruck nicht
los, man will aus Europa eine zweite USA machen, man will Europa zum Wurmfortsatz
der Amerikaner machen, und das zeigen auch die Ereignisse der jüngsten
Vergangenheit.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wurde
nämlich am 30. April 2007 in Washington das Rahmenabkommen zur
Errichtung einer transatlantischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet, und
zwar von EU-Ministerratspräsidentin Merkel und von Kommissionspräsident Barroso
von europäischer Seite.
Das Ziel des bis 2015 anvisierten
transatlantischen Binnenmarktes liegt auf der Hand. Großkonzerne sollen entlastet
werden, billiger produzieren und von Zöllen oder gegenseitigen Kontrollen
ungehindert Waren und Dienstleistungen austauschen können.
Wem das vor allem nützt, ist ebenso klar: Der
US-Industrie und den Großkonzernen, aber sicherlich nicht uns.
Die überwältigende Mehrheit der Europäer wünscht sich
mehr Unabhängigkeit von den USA, und die überwältigende Mehrheit der Europäer
wünscht sich auch keinen EU-Beitritt der Türkei und keine gemeinsame
Verfassung. Aber in all diesen Fällen schert Brüssel der Mehrheitswille in
Europa keinen Deut. Das Volk wird als politischer Akteur gezielt demontiert.
Der Souverän hat weder Einfluss noch Kontrolle über die Verordnungen,
Richtlinien und Rahmenbeschlüsse, die die Kommission und der EU-Rat
fabrizieren. Der vormalige Hamburger SPD-Bürgermeister Henning Voscherau hat
diese bürgerferne Selbstherrlichkeit sehr treffend als „Kaste vaterlandsloser
Arroganten" bezeichnet. Genau das sind die Damen und Herren in Brüssel,
die über die Köpfe ihrer Untertanen hinweg tun und lassen, was sie wollen und
sich dafür noch Sonderrechte oder unverschämte Prämierungen in ihre
Dienstverträge schreiben.
Es darf also nicht verwundern,
wenn diese Europäische Union bei den Menschen immer unbeliebter wird, meine
sehr verehrten Damen und Herren. Das wird sie trotz geschönter Umfragedaten,
trotz manipulierter Eurobarometer. Die Abgehobenheit einer selbsternannten, mit
allen Entscheidungsvollmachten ausgestatteten Elite hat mit Demokratie bei
Weitem nichts zu tun. Wenn heute schon mehr als die Hälfte unserer Gesetze in
Brüssel beschlossen wird, dann sagt das alles über die nicht vorhandenen
Einflussmöglichkeiten für einzelne Mitgliedsländer und ihrer Bürger aus. Diese
ohnehin rudimentären Einflussmöglichkeiten nehmen weiter ab. Diese Pseudodemokratie,
diese Demokratur auf dem Weg in eine ungeschminkte Freihandels- und
Konzerntyrannei kann nur deshalb bestehen, weil die so genannten Volksvertreter
der Mitgliedsstaaten beim großen Pfründeverteilen artig mitspielen. Das sehen
wir leider auch
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