Landtag,
9. Sitzung vom 30.03.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 74
Das sind – da gibt es
Studien dazu, ellenlang zum Nachlesen – Menschen, die selber soziale
Abstiegsängste haben – das kann man nachvollziehen –, und es sind vor allem
Menschen, die mit Bettlern und Bettlerinnen ein Problem haben, die selber sehr
autoritäre Haltungen haben. Und darum passt der Antrag ja auch hervorragend zu
der Fraktion, die ihn eingebracht hat. Die autoritäre Aggression der Mehrheit
ist die einzige Lösung, die diese Menschen kennen, und Sie geben denen noch
Unterfutter, und deswegen ist das keine lösungsorientierte Politik, sondern
ausschließlich eine Hetzpolitik. Repression statt Sozialpolitik. Das ist ein
Armutszeugnis für die Freiheitlichen.
Wer unterstützt jetzt überhaupt Ihre Ideen? Jetzt muss
man ja meinen, wenn man da kommt, ist man ja froh, wenn man unterstützt wird
von vielen Initiativen, Gruppen, anderen Parteien. Jetzt höre ich, dass die
Wiener Volkspartei schlau genug ist, diesen Antrag nicht zu unterstützen,
wiewohl ich das schon gelesen habe beim Herrn Ulm, der heute nicht da ist, der
das aber des Öfteren schon mit ziemlich gleichem Wortlaut gefordert hat, aber
ich habe eh immer den Verdacht gehabt, er könnte die Fraktion wechseln, und es
würde nicht einmal ihm selbst auffallen. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Gegen
Abwesende sind Sie stark! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Vielleicht kann man dem Herrn Ulm ein Pilotprojekt
der Stadt Ulm ausrichten. In Deutschland hat man was ganz Nettes versucht. Da
hat die Polizei gesagt, so viele Obdachlose in der Stadt, das wollen wir nicht,
das macht sich nicht gut. Dann haben sie alle zusammengefasst am Abend und
eingeladen, sind bis zur Stadtgrenze gefahren und haben sie dort
hinausgeschmissen aus dem Auto. Dann sind sie wieder hineingefahren, haben
wieder ein paar eingesammelt und haben sie wieder hinausgeschmissen an der
Stadtgrenze. Projekt Ulm. In dem Fall passt das doppelt. Ich glaube, wenn man
das dem Abgeordneten näher bringt, könnte er womöglich sogar Gefallen daran
finden.
Wer ist noch für die Vorschläge der Freiheitlichen?
Ich habe niemanden gefunden. Wer ist gegen die Vorschläge? Das ist viel
einfacher. Wer ist gegen die Vorschläge der FPÖ? Die einfache Antwort wäre:
Alle, die ihre Sinne beieinander haben. Punkt. Das wäre die einfache Antwort.
Jetzt machen wir es eine Spur genauer: die Grünen
sowieso, die SPÖ hier auch.
Der Caritas Direktor Michael Landau hat heute eine
Aussendung gemacht, und der Titel alleine würde eigentlich genügen, um zu
beschreiben, worum es geht: Die Armut bekämpfen, nicht die Armen! Wenn Sie sich
das jeden Tag zehnmal vorsagen, nützt es vielleicht etwas. Dann geht es
vielleicht irgendwann hinein. Die Armut bekämpfen, nicht die Armen! Niemand
bettelt, weil es ihm so einen Spaß macht. Niemand. Niemand sitzt dort, weil das
so super toll ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Caritas sagt dazu,
sie werden oft von Bürgern und Bürgerinnen gefragt, wie man damit umgehen soll.
Wenn man sich selber nicht wohl fühlt, soll man da spenden oder nicht? Nutzt
das was oder? Und der Herr Landau macht es sich nicht leicht, weil man es sich
nicht leicht machen kann, und sagt einfach: Wir müssen die Anfragenden
enttäuschen. Wir wollen und können diesbezüglich nichts empfehlen, weil es
keine einfache Antwort auf komplexe Wirklichkeiten gibt.
Und Sie machen genau das Gegenteil. Sie sehen das
Problem und geben ganz eine schnelle, billige Antwort und machen dann an dem
einen oder anderen Stammtisch ein paar Punkte, aber es nützt den Betroffenen
nichts. Sie ändern nichts. Ihnen ist es ja auch wurscht. Anders kann man es ja
nicht sagen. Es ist Ihnen ja auch völlig egal.
Die Caritas listet dann eine ganze Menge an sehr
guten Projekten auf, die Menschen, die derart in Not geraden sind, helfen. Ich
will jetzt nicht alle anführen: Essenbusse, Gruft et cetera. Der Schluss ist
dann wieder: Die Armut bekämpfen und nicht die Armen!
Woher kommt das überhaupt, dass wir diese Debatte
jetzt führen, denn die haben wir ja länger nicht geführt, wenn man so die
Jahrzehnte anschaut. Das hat es früher schon gegeben, dass man mit Bettlern und
Bettlerinnen – und schlimmere Worte – Probleme hatte. Und nachdem mit einer
sehr engagierten, lauten Rede hier Argumente vorgetragen wurden, die mich immer
wieder an wesentlich schlechtere Zeiten erinnern, sollte man sich die Mühe
machen und sich anschauen, woher diese ganzen Strafen kommen.
In Deutschland – und Österreich war ja einmal ein
Teil davon unglücklicherweise – hat man ein Strafgesetzbuch, und nach dem hat
man Leute, die eine gemeinschädliche Straftat, wie es da heißt, begangen haben,
zu Arbeitsdienst bis zu sechs Monaten et cetera verdonnern können. Das ist ein
Tatbestand, der stammt aus 1871, das ist lange her. Die hohen Strafen dazu hat
man dann unter den Nationalsozialisten
1933 eingeführt. Im September 1933 wurde in einer vom Propagandaministerium
initiierten Großrazzia Jagd auf wohnungslose Menschen, auf Obdachlose – die hat
man damals Asoziale genannt – gemacht. Man hat über 100 000 Menschen im
ganzen Gebiet verhaftet, eingesperrt, und natürlich haben das nicht alle
überlebt. Und dieser rechtliche Tatbestand ist nach 1945 aufrechterhalten
geblieben in der Bundesrepublik, und hat dann gut dazugepasst zu einer
repressiven Sozialpolitik der 50er und 60er Jahre, die leider nicht nur in
Deutschland, sondern auch in Österreich praktiziert wurde.
Für die
Vertreibung aus dem Städtebild heute findet man ganz andere Regelungen. Einen
repressiven Sozialstaat erleben wir neuerdings wieder seit ein paar Jahren,
sagen wir, seit einem Jahrzehnt, und die Bettelverbote haben wieder Konjunktur.
Kein Wunder. Passt gut zusammen. Wer arm ist, und wem man es auch ansieht, der
muss aus dem Stadtbild verschwinden. Das ist die Botschaft, die die FPÖ heute
hier verbreiten möchte. (Abg Mag Wolfgang Jung: Das war sehr überzeugend!)
Das glaube ich ja nicht, dass ich irgendeinen Freiheitlichen da herinnen
überzeuge. Das glaubt doch niemand. (Heiterkeit bei den grünen.) Sie glauben doch auch
nicht, dass der Herr Schock einen Menschen überzeugt
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