Landtag,
9. Sitzung vom 30.03.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 74
hat – weder herinnen noch
draußen. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPÖ.)
Es mögen alle aufstehen, die vom Herrn Schock überzeugt wurden? – Alle sind
sitzen geblieben. (Neuerliche Heiterkeit.) Also, Herr DDr Eduard Schock!
Die Freiheitlichen sind nicht alle da, aber die waren schon vorher überzeugt,
das muss man zugeben.
Die Gesellschaft nimmt
heute gegenüber den Bedürftigen so etwas wie eine Anspruchshaltung ein. Heute
hätten wir es gerne, wenn es einem schlecht geht, dass er auch etwas dazu
leisten muss, und das macht es natürlich auch leichter, zu versuchen, diese Gedanken
auch in der Gesellschaft zu sehen. Denn wir haben heute so etwas wie einen
Vermögensverwertungszwang, wenn jemand eine Mindestsicherung haben möchte, man
schränkt die Möglichkeiten, eine Arbeit abzulehnen, ein, es wird einem immer
mehr zugemutet. Das alles ist leider ein Schritt in die falsche Richtung, der
genau diesen Positionen der Freiheitlichen Unterfutter gibt. Den früheren
Spruch, Sozialpolitik ist die beste Sicherheitspolitik, den gibt es nicht mehr.
Heute wird eher umgekehrt gedacht mittlerweile, und leider schwimmt nicht nur
die FPÖ in die Richtung.
Die Armutskonferenz hat massig Papiere und Studien
dazu in Auftrag gegeben und erscheinen lassen. Die Armutskonferenz – und da sind
sehr viele Initiativen dabei und sehr, sehr viele Leute, wo ich gerne wissen
würde, woher Sie nur einen Prozentsatz dieser Personen holen würden, die mit
Ihnen im Verbund marschieren – ist natürlich ganz klar gegen das Bettelverbot
und listet auch auf, was sie als Problem sieht. Weil vorher in einer Rede
gesagt wurde, die Menschenrechte werden dadurch gar nicht berührt – das sehen
manche anders. Denn wenn ich ein Bettelverbot habe, das jegliches Betteln
inkludiert – ums aggressive Betteln, einmal mehr, geht es nicht, das ist schon
sehr scharf geregelt; BettlerInnen weg- und einsperren, ist ein Kennzeichen von
Diktaturen und autoritären Regimen –, so ist das ein Problem, weil es das
Sitzen und Stehen im öffentlichen Raum nicht mehr so klar macht. Wann ist das
dann Betteln?
Das möchte ich lieber nicht der FPÖ überlassen, und
ich möchte auch nicht, dass es einfach der Polizei überlassen wird, zu
entscheiden, wann man jemanden wegsperrt und wann man jemanden ausweisen kann
und Ähnliches und Schlimmeres.
Bei den Lösungen, die vorgeschlagen werden, fängt es
tatsächlich an, schwieriger zu werden. Die Frau StRin Frauenberger hat ein paar
Projekte skizziert, die in anderen Ländern in Angriff genommen wurden und
werden. Es ist in der Tat so, dass das heute natürlich eine europäische Frage
ist, die auch europäisch gelöst werden muss.
Die Sozialdemokratie bringt deswegen heute einen
Antrag ein, dem wir selbstverständlich zustimmen werden, der vom sozialen
Europa für die Zukunft spricht und von vielen Maßnahmen, die gesetzt werden
müssen, um die Armut hintanzuhalten, zu bekämpfen, zu verkleinern oder
zumindest nicht noch viel größer werden zu lassen. Dem Antrag werden wir
zustimmen, aber man muss natürlich schon eines dazu sagen: Die Sozialdemokratie
regiert ja mancherorts und muss sich nicht wie die GRÜNEN mit Resolutionen und
Anträgen herumschlagen und hoffen, Mehrheiten zu finden, sondern die
Sozialdemokratie stellt jetzt einmal einen Bundeskanzler und hat ein paar
Landeshauptleute und Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, und auf europäischer
Ebene war die Sozialdemokratie auch schon einmal die stärkste Fraktion und kann
es auch wieder werden.
Dann sollte man eigentlich weniger in den
appellativen, sondern mehr in den Umsetzungscharakter verfallen. Wenn man Armutsbekämpfung,
soziales Europa im Mund führt – zu Recht im Mund führt, denn das soll es auch
werden und das ist es bei weitem nicht –, und wenn man von Umverteilungen im
großen Stil in Europa redet, dann muss man natürlich in Österreich bei
steigenden Armutszahlen auch etwas in Angriff nehmen. Dann trägt gerade das,
was jetzt passiert ist mit neuerlicher Verkürzung von Vermögenssteuern, also
vom niedrigsten zum noch niedrigeren – da gibt es leider keine Steigerungsform
mehr – im gesamten OECD-Raum, was Vermögenssteuern betrifft, nicht dazu bei,
dass in Österreich der Wohlstand gerechter verteilt wird, sondern eher im
Gegenteil.
Die Sozialdemokratie müsste sich nicht ausschließlich
mit Beschluss- und Resolutionsanträgen an das große, soziale Europa beschäftigen,
sondern könnte auch im Kleinen wirken und lokal handeln, wo sie selber die
Möglichkeiten dazu hat. Vorschläge dazu gibt es mehr als genug. Die Vorschläge
wurden aber serienweise immer wieder abgelehnt, zum Beispiel eine Aktiv-Card
nach dem Modell Linz, die dort schon vor 20 Jahren eingeführt wurde. Die
GRÜNEN haben eine etwas vergrößerte Aktiv-Card vorgelegt, um sozial Bedürftigen
Zugänge zu verschiedenen Leistungen der Stadt günstiger zu machen. Wir haben
jetzt gerade das Gegenteil erlebt, nämlich eine Tariferhöhung auch für sozial
Schwache in Wien. Es bekommen lediglich 5 Prozent der Sozialhilfeempfänger
– und das sind einmal nicht die Reichsten in der Stadt – kommen in den Genuss
der ermäßigten Fahrscheine und die anderen 95 Prozent nicht, weil nämlich
der Sozialhilfebezug allein nicht ausreicht, sondern weil man dafür auch den
entsprechenden Pass braucht, den eben nur fünf von hundert haben.
Das ist unzureichend, und dieses „Wir retten Welt“
klingt halt ein bisserl bemüht. Es ist gut, und wir stimmen dem auch zu, aber
es ist uns zu wenig.
Die Grundidee meiner Rede war, das
zu vermeiden, dass ich in die Nähe komme von einem Ordnungsruf, denn von der
Emotion her wäre es fast nicht vermeidbar, aber man kann sich zusammenreißen.
Ich hätte Ihnen gerne Einzelbeispiele erzählt, die auch dokumentiert sind und
auf einer Ausstellung auf Rügen gezeigt werden, nämlich wie mit Asozialen –
unter Anführungszeichen – im Zweiten Weltkrieg umgegangen wurde und wer wie
schnell dazu abgestempelt wurde. Wo dann Eltern ihre Tochter, die tanzen geht,
wenn sie nicht gehen soll, als Herumtreiberin selber denunzieren und die am
Ende
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