Landtag,
7. Sitzung vom 23.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 61
klassischen Schema normieren kann, sondern dass die Gesellschaft vielfältig ist, dass es die Wünsche, welche Familienform und welche Formen des Zusammenlebens man sich macht, schon längst gibt, und da gibt es keine Norm. Die Politik ist übrigens dafür da, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich Menschen in der Liebe, in der sie sich wohlfühlen, frei entfalten können. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dafür ist die Politik da und nicht dafür, Menschen zu
treten und vorzuverurteilen. Dafür ist die Gesellschaft sicher nicht da. Das
hatten wir vor 60 Jahren und es kommt zum Glück demnächst ein Mahnmal, das
an diese Zeit erinnert, als Lesben und Schwule nämlich massiv terrorisiert
worden sind. Das ging in Österreich bis 1971.
Damit bin ich gleich einmal bei der ÖVP. Die ÖVP,
seit ich weiß nicht wie vielen Jahren in der Regierung, ich weiß es nicht
auswendig (Abg Mag Christoph Chorherr: Seit 1986!), seit 1986, hat noch
überhaupt keinen einzigen Schritt gesetzt, um lesbische und schwule
Partnerschaften gleichzustellen. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Das werden wir sicher
auch nie machen!) Wenn etwas passiert ist, dann war das, weil der
Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg oder der Verfassungsgerichtshof zu
richtigen Erkenntnissen gekommen sind.
Gestern hat Herr Mahdalik uns GRÜNEN vorgeworfen, wir
hätten eine Politik aus der Steinzeit oder aus dem Mittelalter. Wenn hier
jemand eine Gesellschaftspolitik aus dem Mittelalter hat, dann sind es Sie von
den Freiheitlichen und Sie von der ÖVP! (Beifall bei den GRÜNEN und von Abg
Jürgen Wutzlhofer.)
Sie stellen einen Antrag. Ich weiß nicht, warum Sie
nicht gleich auf den FPÖ-Antrag draufgegangen sind. Ist Ihnen das peinlich? Ich
weiß es nicht. Sie stellen einen Antrag, der eigentlich das Gleiche wie die FPÖ
will. Ist das das Ergebnis der Zukunftskommission von Herrn Pröll, wo die neuen
gesellschaftspolitischen Leitlinien der ÖVP entworfen werden? Ich habe keine
Ahnung, was das soll. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Machen Sie sich um uns bloß
keine Sorgen!)
Außerdem verstehe ich diesen Antrag tatsächlich
nicht. Da steht: „Der Wiener Landtag spricht sich für eine Präzisierung des
Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes dahin gehend aus, dass die Pflegeelternschaft
beziehungsweise die Aufnahme eines Pflegekindes nur für heterosexuelle Paare
oder Einzelpersonen vorgesehen wird." - Jetzt weiß ich nicht, ob die
Einzelpersonen auch heterosexuell sein müssen oder ob es ihnen für die Zukunft
verboten wird, homosexuell zu sein, sich zu verlieben. Man darf sich nicht mehr
verlieben, wenn man als Einzelperson ein Pflegekind aufgenommen hat, also man
bekommt quasi ein Biographieverbot. Ich verstehe diesen Antrag nicht. Es tut
mir leid, der ist Quatsch! (Abg Dr Wolfgang Aigner: Dann stimmen Sie dagegen!)
Aber ich bin das, wie gesagt, von der ÖVP eh gewöhnt.
Wir sind auch sehr neugierig, liebe Sozialdemokratie,
wie das bei den Koalitionsverhandlungen wird. Ich wünsche euch sehr viel Spaß
dabei. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Wir müssen uns ja nicht verlieben!) - Nein, Sie
müssen sich nicht verlieben! Wir haben noch nie gefordert, dass man sich
verlieben muss, lieber Herr Kollege Aigner, aber wir sind schon der Meinung,
dass man sich verlieben darf! (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg Dr Wolfgang
Aigner: Dürfen Sie! Ist nicht gesetzlich geregelt!)
Besonders überrascht bin ich aber über den Antrag -
da kommt die Frau Kollegin Korosec -, weil eigentlich von der ÖVP sehr
unterschiedliche Signale gekommen sind. Laut „Presse" vom 4. November
sagt die Frau Abg Korosec, dass sie sich das durchaus vorstellen kann, dass
homosexuelle Partnerschaften Pflegekinder aufnehmen, weil: „Wenn die
Alternative das Waisenheim ist, dann bin ich dafür, dass jede Art von
Lebensgemeinschaft oder Alleinerziehenden besser ist." - Also korrekte
Aussage. Jetzt kommt aber ein ÖVP-Antrag, der genau das Gegenteilige sagt. Ich
kenne mich nicht aus.
Lesbische Mütter, jetzt sind es schon drei geworden,
und auch unsere Mitarbeiterin Ruth Willnauer, eine lesbische Frau mit
Kinderwunsch, würden sehr gerne wissen, wie die Volksvertreterinnen und
Volksvertreter das nun sehen und ihnen sagen: „Ja, wir glauben, dass ihr Kinder
erziehen könnt." Übrigens haben die zum größten Teil schon Kinder. Oder
wollen Sie sie ihnen wegnehmen? Ich habe keine Ahnung.
Wir wollen das von den Volksvertretern und
Volksvertretinnen wissen und beantragen daher, Herr Präsident, eine namentliche
Abstimmung beider Anträge, sowohl des Antrags von der ÖVP als auch des Antrags
von der FPÖ. (Beifall bei den GRÜNEN. - Abg Mag Wolfgang Jung: Das ist eine
gute Idee!)
Ich bin neugierig, Frau Korosec, wie Sie abstimmen
werden.
Meine Damen und Herren, Politik muss die Gesellschaft
gestalten, die vorhanden ist. Es gibt niemanden hier und schon niemanden in der
so genannten gut vernetzten lesbisch-schwulen Community des Herrn Gudenus, der
irgendjemandem sein Ideal von Vater und Mutter und Kind wegnehmen will. Die
meisten Lesbischen oder Schwulen werden in heterosexuellen Ehen gezeugt. Ja,
das ist so. Ich auch. Ich kann Ihnen bestätigen, meine Eltern waren
heterosexuell. (Heiterkeit bei den GRÜNEN. – Abg DDr Eduard Schock: Das wäre
sonst auch schwierig vorstellbar!) Die Politik ist dafür da, die
gesellschaftliche Realität und nicht eine normierte Tradition, die sich sowieso
ändert, ob Sie es wollen oder nicht, zu gestalten. Es ist an der Zeit, dass
gleichgeschlechtliche Paare endlich die gleichen Rechte bekommen. (Abg Dr
Wolfgang Aigner: Warum stimmen Sie dann nicht der Abschaffung der
Erbschaftssteuer zu?)
Sie sagen, es gibt gar keine Diskriminierungen. Also
wenn ich mit meinem Mann nach Kitzbühel fahre und der einen Unfall hat, habe
ich im Spital kein Auskunftsrecht. Und Sie sagen mir, das ist keine
Diskriminierung, Herr Gudenus? Sagen Sie mir das mitten ins Gesicht! Das ist
keine Diskriminierung? (Abg Dr Wolfgang Aigner: Das ist nicht so!) Das ist aber
so!
Wenn einer von uns stirbt, muss
der andere eine wesentlich höhere Erbschaftssteuer als jeder, der heiraten
darf, zahlen. Und das ist keine Diskriminierung, obwohl
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular