Landtag,
29. Sitzung vom 29.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 79
Die Diskussion um den Herrn Kampl und die Deserteure war ja nicht so, dass der Herr Kampl einen Ausrutscher gemacht hat, dann tritt er zurück - das hat eine Weile gedauert -, das war es dann, und jetzt sind wir uns alle einig. Sondern als der Herr Kampl das gesagt hat und Deserteure als Kameradenmörder beschimpft hat, haben sehr viele Leute im Bundesrat applaudiert, unter anderem auch der größere Teil der Bundesratsfraktion der ÖVP. "Heftiger Applaus", hat das Protokoll vermerkt.
Da fragt man sich natürlich: Woher kommt diese
Mega-Entrüstung, in der wir uns nachher alle einig sind, wenn es vorher nicht
so war? Was ist jetzt eher wahr? Die politische Bewertung, in der wir alle
wissen, es ist nicht klug, das zu tun - zuerst klatschen, das vergisst man
nachher, und jetzt war niemand mehr dabei. Niemand ist der Meinung gewesen,
dass Kampl Recht hatte, es war eine Einzelaussage von einem, und fertig. Diese
Aussagen sind Legion, ich habe dort drüben in meiner Tasche so viele Seiten an
Aussagen von Politikern - nicht nur der FPÖ, sondern auch von anderen Parteien
-, die man hier verlesen könnte. Und ich muss nicht bei der
Beschäftigungspolitik anfangen, die gelobt wurde, der
"Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs" im Kärntner Landtag, die
dann zu einem zwischenzeitlichen Rückzug vom Landeshauptmannsessel geführt hat.
Die Kampl-Diskussion und die Diskussion um die
Deserteure wird ja jetzt noch geführt. Wir haben in Österreich nach wie vor
keine Rehabilitierung, keine pauschale Rehabilitierung der Deserteure der
Wehrmacht, noch heute nicht! Darüber wird im Justizausschuss des Nationalrates
seit 1999 diskutiert, und es wird dies von einer Sitzung zur anderen vertagt.
Seit Jahren, seit ungefähr sechs Jahren wird es von einer Sitzung zur anderen
vertagt, obwohl dort eigentlich drei Parteien zumindest vorgeben, sich einig zu
sein: ÖVP, GRÜNE und SPÖ sind sich einig, dass das geschehen soll. Die ÖVP sagt
dazu, sie macht es erst dann, wenn es ein Allparteienantrag wird. Das wird es
nicht, und das wird es auch nicht werden, und das wissen sie. Es genügt ihnen
nicht, dass SPÖ, GRÜNE und angeblich auch sie der Meinung sind, dass es zu
einer Rehabilitierung kommen soll, so wie es in Deutschland passiert ist,
sondern sie sagen - und schützen sich damit -, wir sind schon dafür, aber wir
wollen ein Allparteienantrag. Sie wissen, dass dieser nicht kommt, und sagen
damit: Nein, wir werden es nicht tun.
Die Deserteure der Wehrmacht haben heute noch das
Problem, wenn sie Pensionszeiten, Ersatzzeiten für die Pension anrechnen
wollen, dass sie es nicht tun können. Das Gesetz lautet in aller Kürze so: Der
Aufpasser auf den Deserteur im KZ, der Wärter, darf seine Zeit, die er in der
Anstalt, im KZ gearbeitet hat - unter Anführungszeichen -, anrechnen lassen,
das Opfer nicht. Das ist heute noch gültiges Recht, jetzt, wie ich hier stehe
und rede! Es betrifft ohnehin nicht mehr viele Leute, weil sie natürlich auch
sterben, es sind ja nicht mehr viele, die es überlebt haben. Ich befürchte,
dass das, bis das Gesetz kommt, womöglich überhaupt keiner mehr in Anspruch
nehmen kann. Also so zu tun, als ob wir uns da einig wären - es tut mir Leid,
so ist es nicht!
Über die Aussagen von Herrn Gudenus sind wir alle
entrüstet. Ist es sein erster Ausrutscher gewesen? War es überhaupt ein
Ausrutscher? Ist er nur ein schrulliger Graf? Nein, er hat das schon mehrmals gesagt!
Ich nehme an, dass man sich in der Zwischenzeit bemüht hat, ihn aufzuklären. Er
hat die Aufregung auch vor 10 Jahren schon gehört, als er das erste Mal
genau das Gleiche wie jetzt in der letzten Woche getan hat: Die Existenz von
Gaskammern in Zweifel zu ziehen. Es ist ja auch in der Sendung
"Report" im ORF Bezug auf seine Aussagen vor 10 Jahren genommen
worden, man hat es also gewusst. Wie kommt er dann wieder in ein Parlament
hinein, nachdem er damals deswegen zurücktreten musste? Er hat ja nicht in der
Zwischenzeit gesagt, ich habe meine Meinung geändert, es tut mir Leid, ich
hätte es nicht sagen sollen. Das ist gestanden, er hat deswegen zurücktreten
müssen und zieht ein paar Jahre später wieder in den Bundesrat ein - kein
Problem!
Herr Amhof schreibt - ich nehme nur die drei
Beispiele - "privilegierte Opfer", und das ist jetzt ein
"Schreibfehler". Was wollte er denn statt "privilegiert"
schreiben, wenn das ein "Schreibfehler" war? Es ist einfach eine Zumutung!
Da ist es ein "Schreibfehler", dort ist es ein schrulliger Graf, da
ist es einem herausgerutscht - nein, eben nicht! Sondern das ist es, was in den
Köpfen drinnen ist, und es kommt eben das heraus, was in einem drinnen ist, das
hilft nichts. Da kann man sich zusammenreißen, soviel man will, in der Politik
wird das dann, positiv besetzt, Authentizität genannt. Das ist es auch: Die
Leute sind authentisch, wenn sie die Existenz von Gaskammern in Zweifel ziehen,
sie sind authentisch, wenn sie glauben, dass Deserteure die größeren Verbrecher
als die Opfer von damals waren, und sie sind authentisch, wenn sie von
privilegierten Opfern reden. Sie sind authentisch, und deswegen muss man
politisch dagegenhalten und dagegen arbeiten. Deswegen ist auch der Antrag
heute natürlich hervorragend, und es ist auch schön, wenn alle dabei sind. Noch
schöner ist, wenn der Herr Gudenus wirklich zurücktritt.
Was trotzdem alle fragen müssen - und ich nehme jetzt
die GRÜNEN nicht aus, weil wir es ein bisschen leichter haben, da wir erst seit
den 80er Jahren in der Politik mitmischen -, man muss sich bei Antifaschismus
schon auch die Frage stellen, wie ernst man ihn selber nimmt und wo die Grenze
ist zwischen Macht und dem, was dann wichtiger wird. Die Aufarbeitung der
frühen Nachkriegsgeschichte, als sich die zwei Großparteien um die so genannten
Ehemaligen bemüht haben, das kann man nicht heute den Leuten vorwerfen, aber
aus dieser Geschichte lernt man zumindest, dass es offensichtlich nicht immer
so einfach war.
Die antifaschistische Grundhaltung
möchte ich bei der SPÖ im Haus niemandem absprechen, und in Wirklichkeit glaube
ich auch, dass es zum Beispiel die Kärntner SPÖ so hält. Tatsache bleibt, dass
man manches Mal offensichtlich in einem Zug zur Macht, so wie man eben in einer
Koalition immer wieder einmal auf etwas verzichten muss, was man gerne
durchgesetzt hätte - das ist etwas, was wahrscheinlich auch die GRÜNEN
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