Landtag,
29. Sitzung vom 29.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 79
Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden kann und wird, als Vertreter der Republik, des Bundeslandes Kärnten und des Bundesrates.
Wenn persönliche Geschichte Bedeutung für unsere
Werthaltungen hat, dann möchte ich mich auch nicht verschweigen. Mein Großvater
war ein nach dem Ersten Weltkrieg Heimatloser, der als deutschsprachiger Kroate
eines der wenigen, der fünf kroatischen Dörfer in Südmähren seine Heimat
verloren hatte und im Zuge der Ersten Republik nach Österreich wanderte, weil
er nicht tschechischer Staatsbürger war, da sein Vater nicht optiert hatte.
Mein Urgroßvater konnte daher auch nicht Angehöriger der tschechischen
Volksvertretung - wie immer sie auch geheißen hat, Národní - sein, weil er die
österreichische Staatsbürgerschaft behalten hatte.
Er war als Sozialdemokrat in der Ersten Republik Angehöriger
des ersten Bundesheeres und in den Bürgerkriegsjahren 1933 und folgende
gezwungen, auf Sozialdemokraten zu schießen. Einer seiner Kameraden war später
der Mörder des Bundeskanzlers Dollfuß. Er war Angehöriger der Wehrmacht, und
weil seine Flak-Batterie einer Waffen-SS-Division unterstellt wurde, wurde er
unfreiwilligerweise Angehöriger einer solchen Waffen-SS-Division und musste an
der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes Ende 1944/1945 teilnehmen und
dabei wiederum Menschen töten.
Er war kein Nationalsozialist, niemals, auch wenn er
vier Jahre in Sibirien in Kriegsgefangenschaft war und meine Großmutter
Unterschriften sammeln musste, um nachzuweisen, dass er kein Nationalsozialist
war, damit er nicht in Russland erschossen wurde. Diese Ereignisse haben ihn
nicht schlafen lassen, sie haben sein ganzes Leben bewegt, und sie bewegen mich
auch heute, wie Sie sehen.
Er war Angehöriger des Bundes Sozialdemokratischer
Akademiker, und in seinem Freundeskreis waren Spanienkämpfer beider Seiten -
für die, die wissen, was ich damit sagen will. Es waren Bürgerkriegskämpfer
aller drei Lager der Jahre 1933 und 1934 seine persönlichen Freunde, weil sie
zwischen diesen Dingen differenziert haben. Aber diese Ereignisse haben in ihm
das wachsen lassen, was ihn zu einem echten Demokraten ausgezeichnet hat, zu
einem Sozialdemokraten, aber in erster Linie zu einem echten Demokraten, und
sie haben auch mich geprägt.
Sie haben mich insofern geprägt, als ich nicht
vorschnell über andere urteile und versuche, den Kern zu erfassen. In unserer
Geschichte - die einen haben eine kürzere, die anderen eine längere
Parteigeschichte - gibt es viele solche Menschen, egal ob Männer oder Frauen,
und sie haben es für sich bewältigt. Auch die Parteien bewältigen es für sich,
die eine früher, die andere später, und es wäre billig und polemisch, jetzt der
Sozialdemokratie etwas vorzuwerfen, was sie erst in den letzten Jahren
aufgearbeitet hat, und daher tue ich es nicht.
Wenn wir für uns aus unseren persönlichen
Lebensgeschichten oder denen unserer Vorfahren eine allgemeine Lehre aus der
Geschichte des 20. Jahrhunderts ziehen wollen, dann ja wohl nur die, dass
Auschwitz oder andere Lager, aber auch der Gulag des Stalinismus - und das
haben wir oft gesagt, ohne die beiden miteinander zu werten und zu vergleichen
- nie wieder passieren dürfen. Und sie lassen in uns Entscheidungen wachsen; in
mir die, zwei Dinge zu werden: Soldat und Politiker, beides eines
demokratischen Rechtsstaates, und in mir die innere Werthaltung, für beides
immer einzutreten, wohin mich auch die Geschichte in welcher Verantwortung
gerade stellt. Ich bringe das mit meinen inneren Werthaltungen, aber auch äußerlich
zum Ausdruck, auch wenn das den einen oder anderen manchmal stört. Aber ich bin
aus dieser Grundhaltung heraus der Ansicht, dass man gegebenenfalls um der
Freiheit und der Menschenrechte willen auch bereit sein muss, demokratisch
legitimierte Gewalt anzuwenden, um die universell geltenden Menschenrechte zu
verteidigen.
Dennoch ist diese Lehre im 20. Jahrhundert nicht
aufgegangen: Srebrenica hat stattgefunden, Ruanda hat stattgefunden, Darfur
findet statt. Daher weigere ich mich auch, mich als Angehöriger dieses
Landtages in die Geiselhaft eines Bundesrates nehmen zu lassen und als einzige
Konsequenz, so wie das angedacht wird, die Auflösung dieses demokratischen
Gremiums zu sehen, um einer Einzelperson darauf eine Antwort zu geben. Der
Vergleich mit dem Jahre 1933 drängt sich rasch auf, auch wenn er falsch ist.
Die richtige Antwort geben wir heute mit dem Antrag, den wir vorbehaltlos
unterstützen. Und ich glaube, alle fünf Fraktionen tun das einzig Richtige. (Beifall beim BZW.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr StR Ellensohn.
StR David Ellensohn:
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wahrscheinlich wird jetzt in diesem Haus erwartet,
dass wir hier, quasi fast schon wie in einer Feierstunde, alle einer Meinung
sind, nämlich - und das ist immerhin schon ein Vorteil, dass wir alle einer
Meinung sind - dass wir in dieser Republik in keinem Parlament, in keinem
Landtag, in keinem Bundesrat jemanden von der Gesinnung eines Gudenus brauchen.
Aber ich muss ganz ehrlich sagen, es macht mir beim
Zuhören Schwierigkeiten, weil hier der Eindruck entsteht, jetzt sitzen wir alle
da, es sind fünf Fraktionen, und wir alle sind uns einig, dass Gudenus das
nicht hätte sagen dürfen und dass er auf sein Mandat verzichten muss. Dann
stimmen wir einen gemeinsamen Antrag ab und haben damit mehr oder weniger einen
Konsens hergestellt in Bezug auf die Bewertung des Holocaust, der
Nachkriegsaufarbeitung und so weiter.
Nur: Das stimmt schlicht nicht! Deswegen ist das zwar
jetzt eine kleine Störung, aber für mich persönlich ist es notwendig. Es gibt
heute keinen Konsens in der Bewertung des Holocaust, und es gibt ganz, ganz
sicher keinen Konsens in Bezug auf Tendenzen, wie man das alles heute bewertet,
wie man heute mit Rassismus und Faschismus umgeht! Diesen Konsens gibt es nicht
in der Republik bei allen Einwohnern, Einwohnerinnen, allen PolitikerInnen, das
stimmt einfach nicht. Das können wir uns auch nicht mit einem Antrag
herbeireden.
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