Landtag,
22. Sitzung vom 30.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 104
Präsident Johann Hatzl: Damit ist die
1. Frage beendet.
Die 2. Frage (FSP/02790/2004/0002-KGR/LM)
wurde von Herrn Abg Dipl Ing Martin Margulies gestellt und ist an den Herrn
Landeshauptmann gerichtet: Der am 30. Juni 2004 zur Beschlussfassung
durch den Landtag aufliegende Gesetzesentwurf betreffend Änderung des
Sozialhilfegesetzes normiert durch den neugeschaffenen § 34 Abs 3 den
Fonds Soziales Wien in Belangen der Gewährung von Unterkunft in einem Haus für
Obdachlose und von Pflege neben dem Land Wien (§ 34 Abs 1) als Träger
der Sozialhilfe. Unbeschadet davon verbleiben jedoch hoheitliche Aufgaben
(Erlassung von Bescheiden über die Gewährung von mit Rechtsanspruch
ausgestatteten Leistungen, deren Entziehung, Rückerstattung oder auch
Kostenersatz) beim Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde (vgl dazu
MA 15-II-2-1040/ 2004, Erläuterungen, S 9 letzter Absatz). Halten Sie
es für zulässig, dass bei einem etwaigen auf eine Einzelperson abstellenden
durch den Magistrat per Bescheid festgestellten Rechtsanspruch auf
Unterstützung im Bereich der Pflege nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, der mit
dem Bereich der Pflege beauftragte Sozialhilfeträger(in diesem Fall der Fonds
Soziales Wien) zusätzliche Kriterien im Sinne der eigenen Satzungen und
Förderrichtlinien entwickelt, welche die Durchsetzbarkeit des Bescheids in
Frage stellen?
Ich bitte um die Beantwortung.
Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr
geehrter Herr Abgeordneter!
Zu Ihrer kurzen mündlichen Anfrage darf ich Ihnen
Folgendes mitteilen: Der heute dem Landtag zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzesentwurf
zur Änderung des Wiener Sozialhilfegesetzes sieht vor, dass der Fonds Soziales
Wien als Sozialhilfeträger dem Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde
vorgeschaltet wird. Leistungen im Rahmen der Pflege sowie der Gewährung von
Unterkunft in einem Haus für Obdachlose im Rahmen der Sozialhilfe werden
zunächst nach den Förderungsrichtlinien des Fonds Soziales Wien erbracht.
Diese Leistungen sollen der Art und dem Umfang
entsprechen, die das Wiener Sozialhilfegesetz dem einzelnen Hilfesuchenden einräumt.
Am Grundsatz, dass auf Leistungen der Sozialhilfe ein durchsetzbarer
Rechtsanspruch eingeräumt wird, ändert sich durch den Gesetzesentwurf nichts.
Die Förderrichtlinien des Fonds Soziales Wien werden den geltenden Bestimmungen
des Wiener Sozialhilfegesetzes entsprechen. Sollte ein Hilfesuchender der
Meinung sein, die ihm zustehende Leistung oder Sozialhilfe nicht oder nicht im
vollen Umfang erhalten zu haben, wird der Magistrat als
Bezirksverwaltungsbehörde wie bisher einen Bescheid über seinen Antrag zu
erlassen haben.
Das im Gesetzesentwurf vorgesehene Modell wird somit
dergestalt funktionieren, dass der Fonds Soziales Wien faktische Leistungen im
Bereich der Pflege und der Gewährung von Unterkunft in einem Haus für
Obdachlose im Rahmen der Sozialhilfe erbringt.
Erst wenn der Hilfesuchende der Ansicht ist, dass
sein geltend gemachter Bedarf auf Pflege oder Gewährung von Unterkunft nicht
oder nicht ausreichend gedeckt ist, kann er einen Bescheid durch den Magistrat
erwirken. Da die Hilfeleistung durch den Fonds Soziales Wien einem allfälligen
Bescheid somit vorgelagert ist, kann dieser auch keine zusätzlichen Kriterien
entwickeln, weil sie die Durchsetzbarkeit eines Bescheids in Frage stellen
könnten. Im Übrigen wird sich der Fonds Soziales Wien bei der Gewährung von
Hilfeleistungen, wie bereits ausgeführt, selbstverständlich an die Vorgaben des
Wiener Sozialhilfegesetzes halten und überdies ein enges Einvernehmen mit der
Magistratsabteilung 15 als der im Magistrat zuständigen Stelle pflegen.
Dieses Modell wird aufgrund der Struktur des Fonds
Soziales Wien im Ergebnis somit eine raschere und effizientere Unterstützung
von Hilfe suchenden Menschen bewirken und somit zu einer spürbaren Verbesserung
der Situation für diese Personengruppe führen.
Präsident Johann Hatzl: Herr Abg
Margulies.
Abg Dipl Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Es ist bedauerlich, wenn Sie jetzt normieren, dass
gerade Menschen, die auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sind, erst
unzufrieden sein müssen, bevor sie Ihrer Meinung nach laut Gesetz einen
Anspruch darauf haben, tatsächlich einen Bescheid zu erwirken und dass es nicht
umgekehrt ist, dass es selbstverständlich ist, dass Menschen, denen geholfen
werden muss, die bestimmte Bedürfnisse haben, natürlich prinzipiell einen
Anspruch auf Feststellung per Bescheid haben, welche Leistungen ihnen
tatsächlich zustehen.
Aber Sie haben eine andere Sache angesprochen, die
meines Erachtens mindestens eben so dramatisch ist. Sie reden über
Förderrichtlinien und Satzungskonformitäten. Und jetzt ist die Situation so:
Was sollen wir davon halten, wenn der Fonds Soziales Wien auf nicht absehbare
Zeit, aber zumindest im nächsten halben Jahr, in den wesentlichsten Bereichen,
wo der Fonds Soziales Wien zuständig ist - Bereich Behindertenhilfe,
Pflegebereich - nicht satzungskonform arbeiten wird und auch nicht arbeiten
wird können und die Förderrichtlinien nach wie vor nicht eingehalten werden,
geschweige denn erstellt sind? Sie verlangen, dass an den Fonds Soziales Wien
übertragen wird, obwohl keine Förderrichtlinien existieren. Wir akzeptieren,
dass Menschen, die Unterstützung benötigen, erst dann einen Bescheid erhalten,
wenn sie unzufrieden sind und dies an einen Fonds Soziales Wien, der das
kommende halbe Jahr weder satzungskonform arbeiteten kann noch
Förderrichtlinien hat.
Ist es wirklich in Ihrer
Intention, dass die Sozialhilfe in Wien, aber natürlich auch die
Behindertenhilfe, auf Beinen abgewickelt werden, wo gegenwärtig nicht
sichergestellt ist, dass der Fonds Soziales Wien satzungskonform arbeitet und
die Idee, die dahintersteht, deshalb schon gar nicht durchgeführt werden kann,
weil die Förderrichtlinien nach wie vor nicht existieren? Das heißt, der
Sozialhilfeträger, der Co-Sozialhilfeträger Fonds Soziales Wien wird, sofern
das Gesetz heute durchgeht, zumindest bis zum Ende dieses Jahres und
voraussichtlich
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