Landtag,
19. Sitzung vom 29.01.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 13 von 48
einen derartigen Neubau auch noch immer als sowohl
gerechtfertigt als auch geringfügig ansehen?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Herr
Landeshauptmann, bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter
Herr Abgeordneter!
Zunächst einmal gebe ich Ihnen in einem Punkt schon
Recht: Unabhängig vom politischen Couleur haben Planungsstadträte und Baustadträte
immer den § 69 als ein Werkzeug, ein Tool gesehen, um bestimmte eventuell
außerhalb der Norm befindliche Bauformen zu ermöglichen, und ich halte das,
nachdem die Zustimmung des Bauausschusses als eines demokratischen Gremiums
auch erforderlich ist, nicht nur für zulässig, sondern auch für wirklich
sinnvoll, in der Sache selbst sinnvoll. Denn nicht alles lässt sich über einen
Kamm scheren, und gelegentlich ist es schon notwendig, eine solche
Ausnahmebestimmung auch in Anspruch zu nehmen. Im Übrigen wissen Sie, dass
diese Ausnahmegenehmigungen maximal 4 Prozent aller Baugenehmigungen in
der Stadt Wien ausmachen, also in der Tat auch als Ausnahmegenehmigungen in der
Praxis zu sehen sind.
Was nun dieses konkrete Projekt betrifft, so habe ich
nicht die Absicht, Behördenentscheidungen oder Entscheidungen des
Bauausschusses der zuständigen Bezirksvertretung vorab zu präjudizieren. Das
steht mir nicht zu, und auch meine demokratische Grundgesinnung würde das nicht
zulassen, aber ich darf Ihnen versichern, dass Flächeninanspruchnahmen und
Kubaturinanspruchnahmen, die es ermöglichen würden, etwa das Schloss Schönbrunn
nach § 69 zu genehmigen, mir doch etwas übertrieben erscheinen.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. – Wir kommen zur zweiten Zusatzfrage: Herr Abg Dr Madejski, bitte.
Abg Dr Herbert Madejski (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Sie wissen selbst, wir haben vor über einem Jahr die
Untersuchungskommission zur Flächenwidmungspraxis in Wien abgeschlossen – mit
mehr oder weniger Erfolg, es kommt darauf an, aus welcher Sichtweise man das
betrachtet –, und ein Ergebnis wurde damals von allen, auch vom Stadtrat,
hervorgehoben, nämlich dass man bei Neubauten in Zukunft sehr restriktiv – Sie
haben das heute gesagt – mit dem 69er umgehen wird. Wenn man einen Plan
einreicht, muss man eigentlich wissen, was man will. Es ist nicht einzusehen,
dass man dann mit Tricks in die Bezirksbauausschüsse geht, wo meistens nicht
die Fachleute sitzen – das will ich nicht abwertend sagen –, und wenn dort
etwas beschlossen wird, dann ist es einfach beschlossen. Aber man wählt hier
diesen neuen Weg.
Im letzten Jahr sind allein in unserem Bezirk von
ungefähr 25 neuen Bauten über die Hälfte schon wieder mit § 69 eingereicht
worden. Das zeigt mir, dass offensichtlich die Baubranche, die Architekten und
alle, die damit befasst sind, das nicht sehr ernst nehmen, was Sie und der Herr
StR Schicker in dieser Richtung sagen.
Im Zuge von Wien Mitte Neu – und das liegt mir
wirklich am Herzen; ich höre ja allgemein die Euphorie, dass es jetzt nicht
höher wird, es waren zwar vorgestern um 2 Uhr noch 60 Meter, um
3 Uhr 65 Meter, und um 4 Uhr waren es dann 70 Meter, soll
sein – möchte ich Sie fragen, Herr Bürgermeister: Können Sie garantieren, dass
bei diesem Neubau Wien Mitte kein § 69 zur Anwendung kommt, oder glauben
Sie, dass das nicht möglich ist, trotz Ihrer demutsvollen Haltung heute und
Ihrem demokratiepolitischen Verständnis den Bauausschüssen der Bezirke
gegenüber.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Herr
Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter
Herr Abgeordneter!
Das kann ich Ihnen natürlich nicht garantieren, das
ist ja absurd, denn da handelt es sich um einen Anspruch, den Bauherren, den
Architekten und sonstige haben, die selbstverständlich einen Antrag nach
§ 69 stellen können. Eine andere Frage ist, ob er genehmigt wird. Das ist
eine ganz andere Frage, und da kann ich mich nur auf das beziehen, was ich
vorhin zu einem anderen Projekt, das zwar auch im gleichen Bezirk ist, aber
nichtsdestotrotz vergleichbar ist, beziehen: Wenn man meint, dass man ein
eingereichtes Projekt, das nunmehr von nahezu allen – hundertprozentige
Wirkungsgrade sind in der Politik noch schwerer zu erreichen als in der Technik
– gutgeheißen wird, nachher mit § 69 abändern kann. Ich würde meinen,
sowohl der Bauherr als auch der Architekt wären nicht gut beraten, wenn sie das
wollten.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. – Bitte die nächste Zusatzfrage: Herr Abg Kenesei.
Abg Günter Kenesei (Grüner Klub im
Rathaus): Herr Landeshauptmann!
Sie haben eine interessante Prozentzahl genannt, als
Sie gesagt haben, nur 4 Prozent der Bauaufträge, die in Wien erteilt
werden, betreffen den § 69. Ich habe aus einer Anfragebeantwortung des Herrn
Stadtrates eine ebenso imposante Zahl, die aber leider in die andere Richtung
geht, nämlich 35 Prozent der Neubauten – und das sind die wesentlichen in
dieser Stadt – werden mit § 69 errichtet. Das heißt, weit mehr als ein
Drittel der eingereichten Projekte in dieser Stadt sind offensichtlich beim
Einreichen des Projektes schon so weit "falsch" – unter
Anführungszeichen -, dass man dann den § 69 dazu braucht.
Eine neue Qualität hat das Projekt im Arsenal, das
Kollege Neuhuber schon angesprochen hat. Dort gibt es nämlich überhaupt kein
Einreichprojekt, da gibt es gleich den 69er. Dort gibt es ein Grundstück, das
als "G" gewidmet ist, das grundsätzlich einmal nicht Bauland ist, und
dann gibt es – ich weiß nicht wo, offensichtlich irgendwo – ein ganz ein
kleines Bauwerk, ein unsichtbares, unscheinbares, und dort wird jetzt mit dem
§ 69 dazugebaut.
Jetzt wissen wir schon, wir haben
auch Tiefgaragen, die gar nicht in der Flächenwidmung drinnen waren, mit dem
69er gebaut, wir haben Türme, die sich um
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