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Landtag, 17. Sitzung vom 27.11.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 14 von 66

 

Notwendigkeiten obsolet machen. Denn der Flüchtlingsübertritt von der Schweiz nach Österreich ist ein geringfügiger.

 

Das ist, wenn man so will, das eine. Schengen ist allerdings nicht nur eine Frage der Ostgrenze Österreichs, sondern Schengen ist auch eine Frage insbesondere an den blauen Grenzen ganz Europas. Und so gesehen, denke ich schon, dass es richtig ist, auch immer ein bisschen darauf hinzuweisen, dass das Herumtrampeln am kleineren Bruder innerhalb der Europäischen Union und den Splitter in seinem Auge zu suchen, wenn man selber Balken drinnen hat – um einen biblischen Vergleich zu bringen –, keine besonders sinnhafte Vorgangsweise ist, sondern ich meine, dass sich ganz Europa zu bemühen hat, insbesondere auch die großen Länder sich zu bemühen haben, ihre Aufgaben im Rahmen des Schengen-Vertrages auch zu erfüllen. Es ist – da gebe ich Ihnen vollkommen Recht – Schengen ein europäischer Vertrag und dies eine europäische Aufgabe.

 

Der zweite Bereich ist die humanitäre Hilfeleistung und die Solidarität der Aufteilung dieser Lasten. Und das ist zweifelsohne – bei allem Respekt davor, dass Frankreich beispielsweise eine Reihe von Zuzüglern aus seinen ehemaligen Kolonien oder aus noch heute französischen Staatsgebieten hat – auch eine gesamteuropäische Aufgabe, wo man hier zu helfen hat. Die skandinavischen Länder beispielsweise unterziehen sich dieser Aufgabe. Die sehen dies als eine gemeinschaftliche und solidarische Aufgabe.

 

Aber wir brauchen gar nicht ganz so weit nach Europa hinauszublicken. Ich bin durchaus der Meinung, dass wir einen Solidaritätsbedarf auch innerhalb Österreichs haben. Und so wie beispielsweise Tirol oder Salzburg nicht zu Unrecht diese Solidarität österreichischer Bundesländer in der Transitfrage einfordern, so, denke ich, haben die östlichen Bundesländer Österreichs – Burgenland, Niederösterreich, Wien, auch die Steiermark und Oberösterreich – einen Anspruch auf Solidarität im Hinblick auf die Unterbringung von Flüchtlingen und diese Hilfeleistungen. Das halte ich persönlich auch für wichtig, denn Humanität und Solidarität sind unteilbar und sollten gerade auch in einem Land wie Österreich unteilbar sein.

 

Daher wird dies natürlich in Folge gesehen auch eine Diskussion sein, nicht "nur" – unter Anführungszeichen – jene Flüchtlinge gemäß Quote aufzuteilen, die der Bundesbetreuung unmittelbar unterliegen, sondern alle. Alle! So wie die Kosten aufgeteilt werden, sollen alle auch räumlich gesehen entsprechend auf alle aufgeteilt werden. Ich sehe daher diese Entscheidung, die wir in Wien getroffen haben, hier 520 zusätzliche Plätze zur Verfügung zu stellen, auch als eine Ermunterung an andere und zögerliche Bürgermeister an, diesem Beispiel zu folgen und diese Solidarität in der humanitären Aufgabe auch gemeinschaftlich auszuüben.

 

Präsident Johann Hatzl: Frau Abg Jerusalem.

 

Abg Susanne Jerusalem (Grüner Klub im Rathaus): Herr Landeshauptmann!

 

Also Geld ist nicht wichtiger als Kinderflüchtlinge. Außerdem möchte ich Ihre Aussage korrigieren, nämlich dass es sich bei den Kindern und Jugendlichen, die da weggeschickt wurden, sozusagen um "Fälle" – unter Anführungszeichen –, also um Menschen handelt, die im Jahr 2001 oder im Jahr 2002 weggeschickt wurden und dass der Skandal damit bereits ein Ende gefunden hätte. Ich spreche von 2003! Auch 2003 wurden viele Kinderflüchtlinge weggeschickt, und den Beweis dafür werde ich auch antreten und Ihnen vorlegen.

 

Daher zu meiner abschließenden Frage an Sie. Wenn Sie sagen, die Tradition der Hilfeleistung ist uns geläufig, und in Österreich war das auch immer so, und wenn Sie sagen, wegen ein paar hundert Flüchtlingen sollte man nicht ein derart unwürdiges Theater abspielen, dann bin ich dafür, dass auch Wien das nicht tut und anders handelt. Ich frage Sie daher: Können Sie garantieren, dass ab nun keine Kinderflüchtlinge vom Jugendamt mehr weggeschickt, sondern untergebracht und betreut und auch medizinisch versorgt werden und auch etwas zum Essen haben?

 

Präsident Johann Hatzl: Herr Landeshauptmann.

 

Landeshauptmann Michael Häupl: Frau Abgeordnete!

 

Manchmal fällt es mir schon schwer, aber wahrscheinlich sind wir nicht zu unserer wechselseitigen Freude da, was ich bedauere. Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Situation, in einer Situation, in der man in Österreich immer wieder auch eine Diskussion darüber führt, dass in Gemeinden mit mehreren tausend Einwohnern die Unterbringung von 20 Flüchtlingen nicht möglich ist, weil dies das soziale Gefüge dieser Gemeinden durcheinander bringen würde. In dieser Situation stellt Wien genau jene Zahl an zusätzlichen Unterbringungsplätzen zur Verfügung, die von den NGOs, also von den Hilfsorganisationen genannt wurde. Nicht ich habe die Zahl 500 erfunden, sondern das ist die Zahl, die von Caritas, Volkshilfe, Diakonie und anderen Organisationen genannt wurde. Und genau darin ist auch inkludiert, dass jene 17-Jährigen – ich sage jetzt bewusst 17-Jährigen, denn unter 15-Jährige sind sicher auch in der Vergangenheit nicht weggeschickt worden, meines Wissens jedenfalls –auch dort untergebracht werden.

 

Das ist nicht "nur" verstanden – nur einmal mehr unter Anführungszeichen – als eine humanitäre Geste, als ein Akt der Mildtätigkeit, sondern das ist etwas, was ich als in Tradition stehend dessen bezeichnen würde, was wir in dieser Stadt, in diesem Land mit den hilfsbedürftigen Flüchtlingen tun. Das ist ein Akt auch der Ermunterung an andere, die Diskussion darüber zu führen, ob eine Gemeinde mit mehreren tausend Einwohnern durch 20 Flüchtlinge gestört wird, denn die haben es tatsächlich notwendig, solche Diskussionen zu führen. Es ist auch ein politisches Zeichen, dass hier gesetzt wurde, welches von den NGOs sehr klar auch so verstanden wurde und sehr klar auch nach außen hin so kommuniziert wurde.

 

Und wenn Sie dann dem Ganzen entgegentreten und sagen, Geld kann nicht wichtiger sein als Kinder, so wird Ihnen wahrscheinlich jeder sagen: No na!

 

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