Landtag,
16. Sitzung vom 26.09.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 35
Obendrauf: Erst kürzlich erschien eine neue OECD-Bildungsstudie, Österreich nimmt einen negativen Spitzenplatz ein. Nur noch die Türkei, Mexiko, Slowakei und Italien haben mehr Jugendliche, die sich ohne Job befinden, beziehungsweise ohne Ausbildung.
Warum lässt diese Bundesregierung nun 1000
Jugendliche ohne Lehrstelle auf der Straße stehen, das wollen wir wissen. Und
wir wollen das deshalb wissen, weil wir es uns zum politischen Programm gemacht
haben, den Jugendlichen eine Zukunft zu geben und das ist das, wofür wir
stehen. Diese Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung kann aus unserer
Sicht nur einen Hintergrund haben, nämlich, dass sie den Gesellschaftsvertrag,
das Recht auf Ausbildung und auf Karriere auch für Jugendliche, bricht. Mit
dieser Haltung wird den Jugendlichen die Chance auf eine gesicherte Zukunft
genommen und auch eine Chance auf eine fundierte Ausbildung und auf einen
Lehrabschluss.
Die wenigeren Lehreintritte, die heute hier schon
dargestellt wurden, basieren auf mehreren Gründen, die ich ganz kurz anführen
mag. Das eine ist, dass es eine sehr gute schulische Berufsausbildung in Wien
gibt, aber, dass es natürlich - und mit dem sind wir massiv konfrontiert - ein
sehr rückläufiges Engagement der Betriebe in Wien gibt und dass jeder vierte
Lehrling, der in Wien lernt und arbeitet, aus einem Bundesland kommt.
Leider ist unser duales Berufsausbildungssystem
schwer angeknackt, es gibt immer weniger Lehrstellen, es gibt immer mehr
Lehrabbrüche und immer weniger Lehrlinge werden tatsächlich nach dem Abschluss
einer Lehre auch übernommen. Diese Verantwortung liegt sehr wohl bei der
Wirtschaft. Wenn heute zum Beispiel von einer Veranstaltung für die
Bezirke 2 und 20 gesprochen wurde, dann möchte ich gerne anmerken,
dass zum Beispiel dort von Anfang an die Kammer eingebunden war und dass ein
hohes Interesse von Jugendlichen da war und letztendlich - ich möchte das jetzt
nicht genau sagen - aber weniger als fünf Betriebe dort die Chance auch genutzt
haben, tatsächlich zu matchen, und das finde ich verantwortungslos. (Abg
Rudolf Klucsarits: Das ist verspätet!) Die Verantwortung liegt sehr wohl
bei der Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ.)
Es geht darum, dass die Wirtschaft erkennt, dass
Ausbildung gleichzeitig Investition ist, dass man in zukunftsträchtigen
Branchen auch hergehen muss und Ausbildung von Lehrlingen fördern muss, dass es
zusätzliche Lehrstellen braucht, und - das hat mein Kollege heute schon
angeführt - dass wir uns neue Modelle der Umverteilung überlegen müssen, wie
zum Beispiel den Berufsausbildungsfonds.
Zum Geschlechterverhältnis möchte ich auch noch etwas
sagen. Im Sinne des Gender Mainstreaming, auch wenn die Burschen eine höhere
Arbeitslosenzahl haben als die Mädchen, ist es ganz besonders wichtig, dass wir
bei den Mädchenförderungsmaßnahmen nicht kürzen. Daher möchte ich diese
unseriöse Behauptung, dass es Radita und Matadora nicht mehr geben wird,
unbedingt zurückweisen, weil Radita und Matadora wird es weitergeben, es wird
ausgeschrieben und darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von anderen Mädchen-Förderungsmaßnahmen,
(Beifall bei der SPÖ.) wie zum Beispiel am "amandas matz" oder
Girls go to technic.
Die steigende Jugendarbeitslosigkeit kann nicht mit
der Rücknahme von Bildung und von Maßnahmen beantwortet werden, daher
investiert Wien eine Menge Geld, nämlich über 8 Millionen EUR in die
Ausbildung von Jugendlichen. Das Thema heute ist
"Lehrlingsstiftungen", und ich möchte noch kurz darauf eingehen, was
der Unterschied ist zwischen einer Maßnahme nach dem Jugendausbildungs –
Sicherungsgesetz und einer Lehrlingsstiftung.
Gehen wir davon aus, ein Mädchen sucht verzweifelt
eine Lehrstelle – wir wissen, wie viele jetzt noch immer am Suchen sind –, es
findet keine, die Eltern unterstützen es, es kriegt einen Platz in einer
Maßnahme vom WAFF. Diese Maßnahme dauert ein Jahr, und nach diesem Jahr steht
es wieder da: ohne Job, ohne weiteren Abschluss und auch ohne Aussichten und
Perspektiven.
Eine Lehrlingsstiftung könnte es ermöglichen, dass
diese junge Frau eine qualifizierte Ausbildung kriegt, wie sie durchgeführt
wird in vielen Maßnahmen – zum Beispiel Jugend am Werk et cetera; ich kann sie
gar nicht alle nennen –, aber wenn sie fertig ist, dann hat sie ein Ticket, und
zwar ein Ticket für den Arbeitsmarkt. Und das verstehen wir darunter, den Jugendlichen
in dieser Stadt eine Chance zu geben, dafür nehmen wir viel Geld in die Hand,
und wir sind auch jederzeit bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.
Aber es braucht noch zwei Dinge, nämlich die
Verantwortung und das Engagement der Wirtschaft, und es braucht die
Ermächtigung von Minister Bartenstein, diese Lehrlingsstiftungen auch
tatsächlich durchführen zu können.
Und noch ein Hinweis in eigener Sache: Während der
Bund bei Lehrstellen tatsächlich massiv einspart, ist Wien eine große
Arbeitgeberin für Lehrlinge. Wir haben 1 000 Lehrlinge in
37 Berufen, 290 Lehrlinge werden jährlich aufgenommen. Das verstehen
wir unter verantwortungsvolle Betrieben. – Danke schön. (Beifall bei der
SPÖ.)
Präsident Johann Römer: Die Aktuelle
Stunde ist beendet.
Bevor wir zur Erledigung der Tagesordnung kommen,
gebe ich gemäß § 15 Abs. 2 in Zusammenhang mit § 31 Abs. 1
der Geschäftsordnung bekannt, dass an schriftlichen Anfragen von Abgeordneten
des Grünen Klubs im Rathaus eine, des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien drei,
des Klubs der Wiener Freiheitlichen eine eingelangt sind.
Vor Sitzungsbeginn sind von Landtagsabgeordneten des
Grünen Klubs im Rathaus zwei, des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien einer und
des Klubs der Wiener Freiheitlichen ein Antrag eingelangt.
Den Fraktionen wurden alle Anträge schriftlich
bekannt gegeben. Die Zuweisungen erfolgen wie beantragt.
Die Abgeordneten Oxonitsch, Mag
Kabas, Dr Tschirf und Mag Chorherr haben gemäß § 30b der
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