Landtag,
11. Sitzung vom 13.12.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 90
B-VG niedergelegt - und sie ist Ausdruck weitreichender
Rechte und Pflichten des Staatsbürgers gegenüber dem Staat und seinen
Untergliederungen. Das Wahlrecht ist ein zentrales Element und Ausfluss dieser
Rechte.
Dieser jetzt vorliegende Entwurf der Wiener SPÖ, dem
sich die GRÜNEN zumindest teilweise anschließen, nämlich das Wahlrecht auch für
Nicht-EU-Ausländer einzuführen, auf kommunaler Ebene durchzusetzen, lehnen wir
als offene Aushöhlung und einen unzulässigen Eingriff in die österreichischen
Staatsbürgerrechte ab. Die in der Bundesverfassung normierten
Staatsbürgerschaftsrechte haben identitätsfördernden Sinn. Das
Staatsbürgerschaftsrecht ist als Akt des Souveräns Ausdruck seiner Identität
und mit besonderer Verantwortung für das Gemeinwesen verbunden. Die
Staatsbürger sind nicht nur durch Treue und Loyalität an ihren Heimatstaat
gebunden, sondern teilen auch die Geschicke des Heimatstaates. Sie bilden also
so gesehen auch eine Schicksalsgemeinschaft.
Die Staatsbürger werden daher ihrer eigenen politischen
Entscheidung grundsätzlich eine andere Haltung zugrunde legen als jene, die bei
wie immer gearteten Problemen ohne besondere Konsequenzen wieder aus diesem
Personalverband ausscheiden könnten. Daher stand die
Staatsbürgerschaftsverleihung bisher am Ende der Integration Fremder und konnte
in der Regel auch - in der Regel - nur frühestens nach zehn Jahren erlangt
werden, wie das Staatsbürgerschaftsgesetz das bis heute vorsieht.
Es hat in Wien sicher eine Phase gegeben, da ist
dieser Zeitraum von zehn Jahren drastisch abgekürzt, nämlich sogar bis auf vier
Jahre abgesenkt worden. Aber das hat sich jetzt wieder etwas geändert, es ist
wieder etwas hinaufgesetzt worden. Da hat man die Ausnahme, nämlich dass man
aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen diese zehn Jahre abkürzen kann,
zur Regel gemacht. Die Vorgangsweise der Wiener Verwaltung ist immer noch so,
dass das unter zehn Jahren liegt, aber unabhängig davon ist es eben so, dass
durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Einwanderer dem Inländer
gleichgestellt wurde.
Das ist also sozusagen der erste Punkt, nämlich dass
dieses Wahlrecht ein zentraler Punkt und Inhalt des Staatsbürgerschaftsrechts
ist, über das man auch nicht so hinweggehen soll.
Diese Ansicht wird auch von der EU vertreten. Eine
Entschließung des Rates aus dem Jahre 1996 über die Rechtsstellung der
Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf
Dauer aufhältig sind, verweist darauf, dass Drittstaatenangehörige
grundsätzlich erst nach einer zehnjährigen ununterbrochenen, rechtmäßigen
Aufenthaltsdauer in der EU eine Gleichstellung mit Inländern erfahren sollen,
das heißt, EU-Bürgern im rechtlichen und sozialen Status gleichgestellt werden
sollen. Damit ist natürlich das Wahlrecht als Kernbereich der
staatsbürgerlichen Rechte gemeint. Das heißt, unsere jetzige österreichische
Regelung, die bis jetzt auch in Wien gegolten hat, ist vollkommen EU-konform.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der auch immer so
weggewischt wird von den Befürwortern des Ausländerwahlrechts, ist, dass das
Wahlrecht innerhalb der EU - also das, worauf sich eben die EU verstanden hat,
dass das kommunale Wahlrecht von den EU-Bürgern in der gesamten EU ausgeübt
werden kann - auf dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. Und
da kann man nicht einfach sagen, aber wenn man immer nur darauf warten würde,
bis alles geht, nein, im Völkerrecht ist es so. Das ist eine Säule des
Völkerrechts, dass immer nur alles auf Gegenseitigkeit beruht. Das ist ein
wichtiger Grundsatz und den sollte man auch nicht durchbrechen.
Und warum nicht? - Denn das bedeutet ja, dass jener
Bürger, in dessen Staat ein Ausländer wählen kann, auch die Möglichkeit hat, in
dem Staat des Ausländers zu wählen. Das ist eben in der Europäischen Union
eingeführt worden, das fehlt aber jetzt bei der Regelung, die Sie heute
beschließen wollen. Da ist es dem Österreicher verwehrt, in den Staaten, aus
denen die Drittstaatenangehörigen stammen, zu wählen. Damit wird aber der
Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verletzt. Dadurch werden
österreichische Staatsbürger gegenüber Drittstaatenangehörigen benachteiligt
und diskriminiert.
Das sind wichtige Grundsätze, über die Sie heute
einfach drüberfahren und die nicht beachtet werden. (Beifall bei der FPÖ.)
Gerade die derzeitige Gesetzeslage auch in Wien hat
voll übereingestimmt mit dem Völkerrecht und mit den EU-Regeln, weil eben diese
Entschließung des Rates aus dem Jahre 1996 über die Rechtsstellung von
Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten auf
Dauer aufhältig sind, und auch die Kommunalwahlrichtlinie der EU und sogar ein
UNO-Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte genau die jetzige
Gesetzeslage bei uns in Österreich und auch in Wien unterstützt haben. Jetzt
wird davon abgegangen und einfach drübergefahren, und das ist bedenklich und
auch kein guter Stil.
Dieser Vorstoß, den Sie heute machen - das wurde
heute schon gesagt -, widerspricht der österreichischen Bundesverfassung. Dr
Ulm hat schon das Homogenitätsgebot angeführt, in dem der Gedanke der Einheit
der verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze zum Ausdruck kommt und das die
Anwendung allgemeiner Wahlgrundsätze für alle allgemeinen Vertretungskörper
verlangt. Der Verfassungsgesetzgeber wollte somit für Wahlen zu den allgemeinen
Vertretungskörpern in Österreich ein in Grundzügen einheitliches Wahlrecht
schaffen.
Und jetzt kommt noch etwas dazu, was bedeutet, dass Sie mit
Ihrer heutigen Vorgangsweise sogar die Grundprinzipien der österreichischen
Verfassung, des österreichischen Verfassungsrechts angreifen: Sie verletzen
eines der Grundprinzipien der österreichischen Verfassung, nämlich das
demokratische Prinzip. Dieses findet in dem Postulat "Alle Gewalt, alles
Recht geht vom Volk aus" seinen Ausdruck. Und unter "Volk"
versteht man hier das Staatsvolk, also die Summe aller
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