Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 100
GRin Mag. Barbara Huemer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch alle begrüßen, die via Livestream zusehen.
Jede einzelne Frau, jedes einzelne Mädchen, das Opfer von Gewalt wird, ist eines zu viel. Das haben wir heute schon mehrfach diskutiert. Ich möchte es auch noch einmal betonen, weil es wirklich ganz, ganz wichtig ist, dass wir uns ganz besonders als Politikerinnen dieser Tatsache stellen. Natürlich geht es hier aber um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, der wir uns nicht entziehen dürfen und auch nicht wollen.
Von der Aktuellen Stunde, bei der das Thema Gewalt an Frauen sehr breit diskutiert wurde, sind wir jetzt im frauenpolitischen Schwerpunktthema gelandet. Viele Maßnahmen der Stadt Wien wurden hier auch schon aufgezeigt. Ich glaube nicht, dass das Gleichstellungsthema ein reines Glaubensthema ist, sondern es ist absolut ein Thema, das Taten, Mut und auch wirklich couragierte Politikerinnen und Politiker erfordert.
Ich finde sehr gut, was die Stadt Wien im Bereich von Gewaltschutz, Opferschutz und auch opferorientierter Täterarbeit leistet. Wir müssen die strukturellen Gewaltformen aufbrechen. Uns allen ist klar: Das ist nicht einfach eine Kür, sondern das ist einfach unsere Pflicht. Da braucht es ganz breite Maßnahmen, ein breites Programm, das auch wirklich gut finanziert ist, und jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns.
Ich möchte hier noch einmal ganz explizit die Männer ansprechen. Viele von Ihnen hier tragen heute das White Ribbon. Es ist ein Symbol, das bei jenen, die es tragen, bekräftigt, dass sie gegen Männergewalt in Beziehungen eintreten. Es gibt Fraktionen oder jedenfalls eine Fraktion, die FPÖ, die dieses Symbol verweigert. - Vielleicht ist es sogar ein ganz ehrliches Zeichen, dass Sie nicht einmal dafür einstehen, dass sich Männer der Männergewalt stellen sollen. Ja, es ist, ehrlich gesagt, jedenfalls auch ein bisschen traurig.
Ich glaube nämlich, dass es ganz besonders wichtig ist, dass sich Männer ihrer Privilegien einfach bewusst werden müssen. Ich weiß, dass uns Privilegien - auch ich gehöre zur privilegierten Gruppe - selten bewusst sind, wenn sie uns selbst betreffen. Genau das aber ist auch die Herausforderung, die es braucht, um überhaupt einmal zu verstehen, womit Menschen, die weniger Privilegien haben, konfrontiert sind. Es ist also ein Appell, beispielsweise die eigenen Privilegien zu reflektieren.
Was erlebe ich in Wien noch? Da möchte ich jetzt schon diese Debatte zum Kleinprojektetopf heranziehen, um das auch ein bisschen symbolisch darzustellen. Es geht um 140.000 EUR, die abgeholt werden können. 37 Projekte werden damit gefördert. Kollegin Martina Ludwig hat gesagt, es wäre dann eher ein formales Problem und weniger eine Frage der Größe des Finanztopfes.
Bei 37 Projekten sind im Schnitt 3.700 EUR Projektgeld abholbar, maximal sind es 5.000 EUR. Ich glaube schon, dass das die Größe des Projekts sehr limitiert und wir, wie Kollegin Spielmann gesagt hat und worauf unser Antrag auch abzielt, darüber nachdenken müssen, den Topf einfach zu vergrößern. Wir reden von Inflation und von Teuerung. Der Maximalbetrag von 5.000 EUR hat sich eigentlich von Anfang an nicht verändert. Uns muss allen klar sein: Das ist heute einfach deutlich weniger wert und bedeutet faktisch eine Kürzung. Das bedeutet, das Ehrenamt von Frauen wird ausgebaut, um eigentlich gleiche Projekte durchziehen zu können.
Ich appelliere noch einmal an Sie, wirklich dringlichst darüber nachzudenken, ob es hier nicht einfach einen größeren Topf braucht und ob nicht auch die Fördersumme aufgewertet werden muss, weil wir einfach in keiner Weise akzeptieren können und wollen, dass die wertvolle Arbeit von Frauen dadurch praktisch abgewertet wird und sie für das gleiche Produkt immer mehr leisten müssen - und das natürlich unbezahlt. Das kann so nicht sein. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich würde mir also wirklich wünschen, dass man in der Frauenpolitik größere Würfe macht und sie auch denkt, dass es da einen Fortschritt gibt. Ich habe mir noch einmal angeschaut, was im Koalitionsübereinkommen von Rot-Pink drinnensteht. Da steht natürlich gar nichts Falsches drinnen. Es steht alles Unterstreichenswerte drinnen. Viele Projekte gibt es schon, und für viele Projekte steht eine Fortsetzung drinnen. Gut, das ist kein großer Wurf, aber man kann das ja weiter fortsetzen.
Manches ist aber noch überhaupt nicht angegriffen worden. Darauf werde ich jetzt noch später eingehen, denn ich glaube wirklich, dass Wien deutlich mehr tun kann. Ich nenne nur einmal die Rahmenbedingungen, die Wien und keine andere Stadt in diesem Land hat.
Wir haben ganz viele Beschäftigte, über 68.000 Menschen. Da kann man wirklich ansetzen, um Gewaltprävention und beschäftigungspolitische Initiativen zu setzen. Wir haben in Wien ein eigenes Dienstrecht. Wir haben viele große Tochtergesellschaften, die zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien sind. Es werden ganz viele Vereine gefördert, es sind also viele, viele Millionen an Fördermitteln, die wir an Bedingungen knüpfen können. Wir haben natürlich auch ganz viele öffentliche Aufträge, die wir zum Steuern nützen können. Ich frage mich also: Warum nutzen wir die Hebel hier in Wien nicht besser? Warum setzen wir nicht stärker verbindliche Standards für Gleichstellung?
Ich möchte ganz konkret ein paar Beispiele nennen: die Kopplung der Frauenförderung an öffentliche Aufträge. Das ist ein Pilotprojekt, ein Vorzeigeprojekt noch aus der rot-grünen Ära vor der Regierungszeit. Es ist also schon mindestens 15 Jahre alt, aber immer noch gut. Im Grunde aber steckt es nach wie vor in den Kinderschuhen, weil es eigentlich nur auf ganz wenige Auftragsfelder angewendet werden kann und noch immer nicht alle Magistrate eingebunden sind.
Insofern finde ich es wirklich schade, dass Sie im Koalitionsübereinkommen zwar die Ausweitung auf alle Magistrate drinnenstehen haben, aber davon eigentlich nichts passiert ist. Nützen Sie also diese Möglichkeit! Treiben Sie die Gleichstellung genau in den Unternehmen voran, die da bislang vielleicht noch viele blinde Flecken ha
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