Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 100
Das versuchen wir ja auch. Das versucht die Frauenstadträtin und Frau Vizebürgermeisterin ja auch - ich erwähne das auch deshalb, weil wir diese Woche ja auch einen Jour fixe hatten, bei dem auch alle Frauensprecherinnen anwesend waren: Dass wir gemeinsam gegen Gewalt an Frauen aufstehen und dass das im Übrigen auch Männer tun. Denn das macht es für Betroffene natürlich viel einfacher, sich Unterstützung zu suchen und zu holen, wenn es in der Gesellschaft auch von der Politik dieses starke Signal gibt: Wir stehen gemeinsam ein.
Ich hätte noch sehr viel zu sagen. Ich sehe aber, dass mein Licht schon rot blinkt. Ich möchte nur noch eines sagen: Lassen wir Gewalt auf gar keinen Fall zu etwas Normalem werden! Lassen wir niemals zu, dass man irgendwann sagt, das passiert halt, und dass das normalisiert wird! Lassen wir niemals zu, dass wir da abstumpfen!
Denn man kann etwas tun. Ich werde das dann in meiner nächsten Rede auch noch einmal thematisieren, wenn es um den Schwerpunkt geht. Denn wir können etwas tun, indem wir nämlich den großen Schlüssel ins Schloss stecken und ihn herumdrehen, wenn es nämlich um die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern geht. Das tun wir nicht nur am 25. November und an den „16 Tagen gegen Gewalt“, sondern auch an allen anderen Tagen des Jahres. Das ist das Allerwichtigste. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als nächste Rednerin ist GRin Spielmann zu Wort gemeldet. Bitte.
GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE): Liebe Frau VBgm.in Gaál! Liebe ZuschauerInnen auf der Galerie!
Wir haben heute schon einiges dazu gehört. Die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ stehen an. Am Montag ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Ich möchte meine Rede heute mit den Worten von Gisèle Pelicot eröffnen: „Die Scham muss die Seite wechseln. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie.“ Gisèle Pelicot - wir haben das heute schon von meiner Kollegin Marina Hanke gehört - wurde von ihrem Mann jahrelang betäubt, vergewaltigt, gefilmt und sogar anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten. Das muss man sich einmal vorstellen. Insgesamt 50 Männer stehen in Frankreich mittlerweile vor Gericht. Der Mensch, dem man am meisten vertraut, wird zum Täter dieser unvorstellbaren Grausamkeiten. - Doch Gisèle Pelicot schweigt nicht. Sie spricht öffentlich über das, was ihr da angetan wurde. Sie führt ganz bewusst einen öffentlichen Prozess, um dem „victim blaming“ und der Täter-Opfer-Umkehr etwas entgegenzustellen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe diesen Prozess sehr aufmerksam beobachtet. Ich muss wirklich sagen: Ich verneige mich vor dieser Frau und vor dieser unfassbaren Stärke und bin echt dankbar, dass sie Betroffenen von sexualisierter Gewalt so eine wichtige Stimme gibt. Dafür sollten wir wirklich vollen Respekt aussprechen, liebe KollegInnen. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)
Warum spreche ich über Gisèle Pelicot? Zum einen eben, weil die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ anstehen, aber auch, weil dieser Fall sehr gut zeigt, dass das Private politisch ist und dass vor allem eben das eigene Zuhause ganz, ganz oft der gefährlichste Ort für Frauen ist. Diese Gewalt betrifft uns alle, egal, ob sie eine direkte oder eine indirekte Auswirkung hat. Dieses Problem ist weitaus größer, als wir wahrhaben wollen. Denn in Österreich ist jede dritte Frau von körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen. Das muss man sich vorstellen: jede dritte Frau. Wir können übrigens davon ausgehen, dass die Dunkelziffer höher ist. Wenn wir uns anschauen, wie hoch die Verurteilungsrate bei Vergewaltigungen ist - nämlich nur 7 Prozent -, dann ist das wirklich erschreckend niedrig.
Die Täter sind in den allermeisten Fällen übrigens keine Unbekannten. Denn noch immer haben wir dieses Bild, dass es oft Unbekannte sind, die Frauen überfallen. Nein, es sind meistens den Frauen nahestehende Männer, zum Beispiel Väter, Ehemänner, ehemalige Partner oder eben auch männliche Bekannte. Ich weiß aus meinem engsten eigenen Umfeld, wie unfassbar schwierig es ist, aus so einer Gewaltspirale auszusteigen.
Wenn uns das Beispiel von Gisèle Pelicot eines zeigt, dann, dass jede Frau, die es schafft, diese Gewaltspirale zu durchbrechen, unterstützt werden muss. Es ist unsere Aufgabe als PolitikerInnen, auch diese politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das müssen wir jeden Tag und auf jeder Ebene machen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte nur kurz ein paar Punkte anschneiden, die ich in der Weiterentwicklung beim Thema Gewaltschutz sowohl auf Bundesebene als auch in Wien wichtig finde. Ganz wichtig finde ich zum Beispiel, die bestehenden gesetzlichen Lücken zu schließen. Zum Beispiel ist das Versenden von „dickpics“ leider immer noch nicht strafbar. Ich finde es sehr furchtbar, dass das immer noch so ist. Wir müssen das unbedingt ändern.
Wir brauchen auch ganz dringend einen Paradigmenwechsel im Strafgesetzbuch, wenn es darum geht, Vergewaltigung strafbar zu machen, nämlich eine Weiterentwicklung des „Nein heißt Nein“-Prinzips zu einem „Nur Ja heißt Ja“-Prinzip, damit endlich klar ist, dass sexuelle Handlungen nur stattfinden können, wenn es eine ausdrückliche Zustimmung gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wir brauchen zudem auch einen weiteren Ausbau von Gewaltschutzeinrichtungen. Ich weiß, da hat sich schon sehr viel getan - auch durch die Beteiligung der GRÜNEN auf Bundesebene. Natürlich ist es aber wichtig, dass wir möglichst jeden Gewaltfall verhindern und auch diesbezüglich mehr Investitionen in den Gewaltschutz bringen. Ganz, ganz wichtig sind übrigens auch mehr Mittel für die Prävention und die opferschutzorientierte Täterarbeit.
Zum Schluss möchte ich noch sagen: Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles Problem. Es ist ein strukturelles Problem. Jede Frau, die Gewalt erlebt, ist eine zu viel. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, damit keine Frau mehr Angst vor Gewalt haben muss. - Vielen Dank. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und NEOS.)
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