Gemeinderat, 60. Sitzung vom 20.11.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 100
gutem Einvernehmen sind und es sehr positive Lösungen gibt.
Wir sehen aber, dass durch die Entscheidungen, die wir nicht zuletzt auch hier im Gemeinderat getroffen haben, die Rahmenbedingungen, um Projekte zu realisieren, im gesamten Bereich der Inneren Stadt sehr verschärft worden sind. Das bedeutet natürlich auch, dass viele Projekte unter einem sehr starken Kontrollmoment stehen und sich zum einen natürlich auch zeitlich etwas verzögern. Auf der anderen Seite ist gewährleistet, dass auch die sehr strengen Rahmenbedingungen, die wir gemeinsam beschlossen haben, realisiert werden.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Danke, Herr Bürgermeister, für die Beantwortung der 3. Anfrage.
Die 4. Anfrage (FSP-1525706-2024-KSP/GM) wurde von Herrn GR Dipl.-Ing. Al-Rawi gestellt und ist an den Herrn Amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal gerichtet. ("Die Stadt Wien hat am 19. November 2024 den Titel der Europäischen Demokratiehauptstadt übernommen. Welche Ziele verfolgt die Stadt Wien als Europäische Demokratiehauptstadt und mit welchen Vorhaben soll die Demokratie in Wien gestärkt werden?")
Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Frau Vorsitzende! Schönen Morgen habe ich schon gesagt. Lieber Herr Gemeinderat! Vielen herzlichen Dank für die Frage. Ich bin am 20. Juni 2023 hier an diesem Ort gestanden und durfte ankündigen, dass sich die Stadt Wien auch als Folge der Demokratie-Enquete um den Titel der Europäischen Demokratiehauptstadt bewirbt, um im Chor der Städte, die gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und den Bürgerinnen und Bürgern die Demokratie stärken wollen und als Katalysator für positive, demokratische Entwicklungen wirken wollen, eine Rolle zu spielen.
Unser Ziel ist es, einen sichtbaren Raum für die vielen, vielen Initiativen zu schaffen, die es in Wien schon gibt, und zugleich ein Ort zu sein, an dem Bürgerinnen und Bürger in Europa in Wien zusammenkommen und sich engagieren können und wo sie last but not least - das Allerwichtigste - auch nachhaltig Veränderungen und Weiterentwicklungen für uns in Wien inspirieren können. Wir haben uns damals mit etablierten Projekten beworben - das sieht der Prozess so vor -, beispielsweise mit der Kinder- und Jugendmillion, dem KundInnen-Rat des Fonds Soziales Wien, dem Kulturlabor im Gemeindebau und ganz konkret auch mit Zielsetzungen für die Zukunft. Die Verstetigung des Klimateams sowie das Büro und die Werkstatt für Mitwirkung seien hier erwähnt.
Dann gab es einen zweistufigen Abstimmungsprozess. Es ist hier an diesem Ort schon mehrfach diskutiert worden. Kurz zusammengefasst: Wien wurde aus einer Anzahl von 7 anderen Städten ausgewählt - einmal von Expertinnen und Experten, zuletzt von einer Jury von über 4.000 BürgerInnen aus 47 Ländern. So konnte im Dezember 2023 verkündet werden, dass Wien Schauplatz des Demokratiejahres ist.
Jetzt ist es so weit. Gestern hat dieses Demokratiejahr gestartet. Es soll ein gemeinsames Jahr sein. Gemeinsam meint: Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft - mit der Verwaltung, mit Vereinen und mit NGOs - wollen wir Räume und Formate für Wienerinnen und Wiener schaffen, um gehört zu werden, ganz besonders jene, deren Stimmen oft leise sind.
Demokratie gerät unter Druck. Dazu könnte man jetzt Stunden reden. Ich möchte nur zwei Punkte anführen: Österreich ist, wie hier sehr oft diskutiert wird, auf Grund der Situation eines sehr reaktionären Staatsbürgerschaftsrechtes ein Land, das eine sehr, sehr geringe Einbürgerungsrate hat. (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Das ist aber eure Interpretation!) - Ja, ich rede ja auch hier, oder? - Diese führt dazu, dass in Wien ein Drittel aller Wienerinnen und Wiener im wahlberechtigten Alter nicht an der Demokratie mitwirken darf. Wenn man sich das genauer anschaut, dann merkt man erst, wie dramatisch diese Zahl ist. Das sind zum Beispiel 80 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Es gibt aber auch andere Dinge, die die Demokratie an sich unter Druck geraten lassen. Ich würde in den letzten Jahren insbesondere die Teuerung nennen, die die Wienerinnen und Wiener in ihrem Alltag beschäftigt und damit Teilhabechancen aktiv einschränkt. Denn es ist eine Binsenweisheit und zugleich aber auch soziologisch umfassend erwiesen: Je weniger Ressourcen die Menschen haben, desto seltener nehmen sie an politischen Entscheidungsprozessen teil. Daher muss man an dieser Stelle sagen - und auch ich möchte das von diesem Ort aus tun: Gerade heute, wo Demokratien zunehmend unter Druck geraten, sollten wir unsere Kraft, unsere Konzentration und unsere Kreativität der Frage widmen, wie wir dieser Entwicklung entgegentreten können. Meines Erachtens ist das Rezept gegen die schleichende Aushöhlung demokratischer Prinzipien relativ einfach zusammengefasst: Mehr Demokratie, täglich Demokratie leben und sie immer und immer wieder mit neuem Leben füllen. Denn das Gegenteil von Benachteiligung sind nicht Privilegien, sondern Beteiligung.
Das wollen wir in den nächsten Monaten ganz besonders in unserer Rolle als Stadt tun. Meiner Meinung nach haben gerade Städte das Potenzial, die Möglichkeit und die Pflicht, einer außerordentlich starken Kraft der Beteiligung in unserer sich neu ordnenden Welt - sagen wir es einmal neutral - zum Durchbruch zu helfen, weil Städte nahe bei den Menschen sind und Menschen wiederum in den Städten zusammenkommen. Daher sind Städte seit Jahrzehnten und Jahrhunderten Innovationsräume und ein Versuchslabor für Neues und angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen der ideale Ort, um neue Wege der Mitbestimmung zu erproben.
Also lang ausgeführt und kurz zusammengefasst: Wir haben als Stadt gute Rahmenbedingungen. Wir haben in Wien gerade in den letzten Monaten und Jahren auch sehr, sehr viele Beispiele von vielen, vielen Initiativen in der Stadtverwaltung, aber auch in der Zivilgesellschaft, die dafür sprechen, dass wir diesen Auftrag in Wien sehr ernst nehmen. Es ist daher eine Auszeichnung, dass wir diesen Titel haben, zugleich aber eben auch ein Auftrag,
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