Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 113
dann hätten zahlreiche Menschen im Kulturbereich ihre Arbeit verloren. Daher wurden im Sinne des Fair-Pay-Gedankens auch die Förderschienen angehoben, wie Film-Festival-Förderungen und Rahmenbeträge, weil es natürlich auch die Projektförderung für die freie Szene adäquat abzusichern gilt. Aber auch der Ausbau von mehrjährigen Förderungen zur Sicherstellung von Strategien gehört dazu, weil nur diese Sicherheit es möglich macht, auch in einer mehrjährigen Perspektive andere, weitere Förderstellen überhaupt anzufragen oder auch zusätzliche Mittel aus privater Hand einzuwerben.
Jetzt nenne ich die Wiener Festwochen, die Sie gerne als Beispiel für hohe Dotierung ansehen. Ich habe damals bei den Festwochen unter Luc Bondy gearbeitet und war für vieles zuständig, für Theater, Matala, Castorf, aber auch für Schlingensief’s Container, der ja auch für Aufregung gesorgt hat. Wären die Festwochen der damaligen Größenordnung indexiert worden, müssten die Wiener Festwochen über 17 Millionen bekommen. Was wir also gemacht haben, war bedingt durch einen dringenden Nachholbedarf. Nach den Corona-Zeiten konnte man flexibler regeln, und wir haben also nachgeschärft, und wir werden das auch weiter tun. Ich verweise nur auf die Tangente in St. Pölten, die ein budgetäres Volumen von 18 Millionen hat, und wie Sie, glaube ich, den Zeitungen entnehmen können, ist diese weniger präsent. Die Wiener Festwochen sind ein Festival der großen Entwürfe und der großen Produktionen. Ich habe so viel Gutes gesehen: Opernproduktionen, im Burgtheater, viele Tanzproduktionen. Und das Publikum war begeistert. Dieses begeisterte Publikum ist sicherlich nicht nur aus irgendeiner linken Blase gekommen, sondern es waren unterschiedlichste Menschen unterschiedlicher Provenienz da.
Ich möchte Ihnen diese Strategie auch noch anhand einer anderen Institution darlegen. Für KÖR haben wir die Förderung ebenso erhöht, weil die Kunst im öffentlichen Raum ein wichtiges Tool ist, um auch Menschen Kunst zugänglich zu machen, die unter Umständen die Schwelle in ein Museum nicht übertreten. Vielmehr werden diese im öffentlichen Raum sozusagen damit konfrontiert und vielleicht manchmal auch davon irritiert. Sie können darüber nachdenken und können sich dazu verhalten. KÖR ist eine GmbH im Eigentum der Stadt Wien, und wir haben die Förderung erhöht, um auch den Umfang der Anfragen und der Leistungen zu erhöhen. Ich finde das sehr wichtig.
So hat auch der genannte WirWasser-Brunnen internationale Aufmerksamkeit erregt. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Aber keine positive Aufmerksamkeit.) Doch! Doch! Ich weiß nicht, welche Zeitungen Sie lesen! Sobald Sie aber ausländische Zeitungen in die Hand nehmen wie etwa die „New York Times“, dann werden Sie feststellen, dass dieser Brunnen auch dort positiv rezensiert wurde, ebenso wie die Festwochen, die innerhalb dieser Zeit drei Rezensionen in der „New York Times“ hatten.
Wir betreiben diese Raumoffensive weiter, und wir versuchen auch, diese als Pendant zu Fair Pay einzusetzen. Viele Künstler kommen nämlich nicht aus der Performance oder einer bühnenorientierten Kunst, und da ist es schwierig, die Leistungen im Sinne von Fair Pay zu beziffern. Deshalb antworten wir in diesem Bereich mit dem Zurverfügungstellen von Räumen. Davon gibt es nie genug, das wissen wir, deshalb haben wir das rasch ausgebaut. In diesem Räumen kann man forschen, experimentieren, proben.
Das ist sehr wichtig, und daher haben wir die Arbeit am Atelierhaus der Stadt Wien in Angriff genommen, das für 100 Künstlerinnen und Künstler und auch für 8 Wohneinheiten für Residences Platz bietet. Dort steht eine gemeinsame Werkstatt allen zur Verfügung, es gibt auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsame Küchen, und diese Einrichtung wird auch zu einer Revitalisierung des Otto-Wagner-Areals maßgeblich beitragen. Im Sinne von geldwerten Ersatzleistungen und Infrastrukturleistungen haben wir das Thema Raum konsequent ausgebaut. Wir haben das Haus für ein neues Musiktheater geschaffen. Wir haben Tanz- und Proberäume in der Seestadt Aspern und im 3. Bezirk geschaffen, die auch wiederum der freien Szene zu Gute kommen.
Mir ist es ein großes Anliegen, darüber nachzudenken, wie die Arbeitssituation verbessert werden kann, wie wir aber auch mehr Publikum erreichen können. Von daher ist ein großer Teil dieser Erhöhungen auch der Initiative im Sinne von mehr „outreach“ geschuldet. Auch der neuen Leiterin der Kunsthalle wird an die Hand geben: Wir wollen mehr nicht nur akademisch vorgebildetes Publikum aus akademischen Haushalten, sondern wir wollen immer wieder spürbar machen, dass wir wirklich alle Wienerinnen und Wiener meinen, und daher setzen wir sehr viele Initiativen in diesem Bereich.
Ein wichtiger Punkt - das wurde immer wieder angesprochen und ist mir ein ebenso wichtiges Anliegen - ist ein Standort für Kinderkultur, der im 1. Halbjahr 2027 in Floridsdorf errichtet werden soll. Dort werden wir einen zweiten Standort für das Zoom und auch ein Kinderliteraturhaus haben.
In der Wissenschaft, die Sie angesprochen haben, möchte ich kurz sagen: Der digitale Humanismus sollte eigentlich die Marke Wiens in diesem Bereich sein, im Zusammenhang mit welcher wir vielleicht auch eine Digital-Diplomacy-Stelle beziehungsweise diesen Wert ausbauen. Wir arbeiten daran. Wir haben mehr Forschungsgelder denn je. Im Herbst beginnen zwölf DoktorandInnen, die zum digitalen Humanismus forschen.
Wir gehen aber nicht nur im Wissenschaftsbereich so vor, sondern auch im Bereich des Stadt- und Landesarchivs, das ich besonders hervorheben möchte. In der Wienbibliothek wird die Plakatsammlung mit KI-unterstützten Suchsystemen digitalisiert, und das geschieht auch mit der Wiener Vorlesung, die um dieses Thema kreist. Beim Stadt- und Landesarchiv geht es ja gerade ums Verwahren und Sammeln. Das sind ganz wichtige Themen: Wie sammeln wir? Was verwerfen wir? Was müssen wir im digitalen Zeitalter sammeln? Im Hinblick darauf danke ich für die innovative Leistung, die dort vor sich geht. Es werden auch Großprojekte durchgeführt, die uns alle betreffen, wie etwa das Projekt „GEMMA 3.0“, also die gemeinsame elektronische Aktenführung Magistrat Wien. Ich denke, dass wir in einem der nächsten Ausschüsse dazu noch einmal upgedatet werden.
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