Gemeinderat, 56. Sitzung vom 27.06.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 113
an den Kassen warten. Allein in 8 Jahren sind 20.000 Karten weniger im Angebot - und dann freuen Sie sich über die Auslastung. Klar, wenn man den Raum verkleinert, ist er auch schneller voll. Das ist irgendwie logisch. Dafür erwarten Sie noch Lob und verweisen dann - das gefällt mir besonders gut - als Mann der Medien auf Zeitungsberichte. Da steht ein SPÖler hier und sagt: „Der Redakteur freut sich schon auf die Festwochen 2025. Etwas Besseres kann man nicht sagen.“ - Doch: Besser wäre es, wenn sich die Wiener auf die Festwochen freuen. Hören Sie einmal den Wienerinnen und Wienern bitte genau zu und verlassen Sie dafür gut gekühlte Büros - oder gern (in Richtung des den Saal verlassenden GR Petr Baxant, BA) auch den Saal, Peko! Verlasst eigene Echokammern, in denen man sich gern auf die Schulter klopft! Kultur in Wien benötigt dringend: weniger elitär, mehr populär. (Beifall bei der ÖVP. - Heiterkeit bei GRin Katharina Weninger, BA, und GR Petr Baxant, BA.)
Die Auslastung wird immer besser, das hört man auch vom Volkstheater. Dann decken wir auf: Der komplette 2. Rang, fast 300 Plätze, sind regelmäßig nicht im Verkauf. Der Direktor sagt: „Zu uns kommt das coole Publikum.“ Bei den Festwochen sagt der Intendant: „Wer nicht bei den Festwochen ist, ist ein Loser.“ Also gibt es in Wien offenbar zu wenige coole Menschen und zu viele Loser. (Heiterkeit bei GR Mag. Dietbert Kowarik, GR Thomas Weber und GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM.) Wiens Steuerzahler werden ohnehin schon über Gebühr belastet - oder besser gesagt: Sie werden über Gebühren außergewöhnlich belastet. Dann dürfen sie sich auch noch niedermachen lassen. Sie werden an den Rand gestellt, sie werden ausgeschlossen. Wer das kritisiert, will es einfach nicht verstehen. - Auch das hört man oft von linken Politikern als Gegenrede.
Ich halte das schon aus, aber nehmen Sie bitte endlich die Menschen ernst, die sich von dieser Art der Kulturpolitik nicht abgeholt fühlen. Das ist auch in Ordnung. Das darf man diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.) Gleichzeitig bleiben wichtige Dinge auf der Strecke. Zu unseren Anträgen und Ideen für Wiens Kulturpolitik: Das Wiener Lied ist so viel mehr als nur „Der Herrgott aus Sta“. Hier ist so viel Platz für Ironie, Kritik und Humor. Dieses städtische Kulturgut ist aber gerade dabei, auszusterben wie manch lieb gewonnenes Tier. Da müssen wir dringend handeln. Geben wir dem Wiener Lied bitte endlich die öffentliche Anerkennung und Wertschätzung, die es verdient! Nur weil es keinen Deutschen Theaterpreis bekommt oder in großartigen Interviews Platz findet, ist es per se nicht weniger wert, im Gegenteil: Das Wiener Lied ist ein Schatz, für den Sie nicht einmal eine Schatzkarte brauchen. Er liegt direkt vor Ihnen. Greifen Sie bitte zu! Auch das gehört zur Vielfalt in dieser Stadt. Da gebe ich Ihnen (in Richtung NEOS) vollkommen recht.
Zweitens ist super, was Herr Weber zu Kunst an unseren Schulen gesagt hat. Nutzen wir die Kraft unserer Künstler und Künstlerinnen und legen wir ihnen eine Rutsche zu unseren Jüngsten! (GR Thomas Weber: Das habe ich nicht gesagt!) Ich komme jetzt zu dem Satz, der Sie anspricht, aber danke, dass Sie aufpassen. (GR Thomas Weber: Ich passe immer auf!) Je früher Kinder und Jugendliche - im Kindergarten, in der Schule, Buben und Mädchen - die Kunst entdecken, desto eher werden sie später auch Konzerte besuchen und ins Volkstheater, zu den Festwochen und wohin auch immer gehen. Da haben Sie (in Richtung GR Thomas Weber) vollkommen recht. Bitte hören Sie mehr auf Herrn Weber, liebe Frau Kulturstadträtin! Der sitzt mit Ihnen direkt am Verhandlungstisch. (Heiterkeit bei GR Thomas Weber.) Das ist der zweite Vorschlag.
Der dritte Vorschlag wäre ein eigener Budgettopf. Wir haben ja einen breiten Konsens darüber, dass Kinder und Jugendliche ein besonderes Augenmerk in der Kulturlandschaft verdienen. Fördern wir das nicht einfach so nebenbei, sondern geben wir diesem wichtigen Anliegen ein sichtbares Zeichen in Form eines eigenen Budgets nur für Kinder und Jugendliche!
Diese Anträge bringe ich heute ein. Jetzt wünsche ich uns allen noch eine wertschätzende Debatte, zu der der nächste Redner immer einen spürbaren Beitrag leistet. Lieber Gerhard (in Richtung GR Dr. Gerhard Schmid), ich danke auch dir für deine wertschätzende Ausschussvorsitzführung - was für ein tolles Wort - und für die vielen Gespräche, die wir führen können. Ich freue mich nämlich wirklich über Zwischenrufe, weil das hier nicht nur ein Ort des Monologs, sondern vor allem des Dialogs ist, den auch wir beide immer schätzen. Das wird mir irgendwann einmal fehlen. Das weiß ich.
Über Kunst und Kultur lässt sich hervorragend streiten. Liebe Ursula Berner, lieber Gerhard Schmid, lieber Thomas Weber, lieber Herr Berger, Laura, Bernadette, Michi, wir müssen es halt nur tun. Wir müssen streiten. Ja, klar. Kunst ist nicht das, was man sieht, sondern das, was man andere sehen lässt. So lade ich uns alle ein - auch mich, Herr Weber, na, selbstverständlich: Hören wir doch öfter einmal auf das, was andere sehen! Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, liebe Frau Kulturstadträtin, es gehört zu ihrer Aufgabe, auch jenen Menschen in der Diskussion Raum zu geben, die vielleicht mit vielem, was in dieser Stadt passiert, überhaupt nichts anfangen können. So gewinnt man übrigens auch an Glaubwürdigkeit.
Lassen Sie in dieser Kulturhauptstadt also endlich ein gedankliches Bild wie das berühmte Hollywood Sign entstehen, diese Riesenlettern, die irgendwo in Wien in die Erde gerammt werden. Es ist höchst an der Zeit. Alles Gute Ihnen, einen schönen Sommer! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Die Redezeit betrug elf Minuten. Als Nächster ist GR Dr. Schmid zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. Die gewählte Redezeit beträgt sieben Minuten. Bitte.
GR Dr. Gerhard Schmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Geschätzte Kolleginnen und geschätzte Kollegen!
Man bereitet sich etwas vor - und dann kommen die Debattenreden so, dass man es eh vergisst. Ich denke an den berühmten französischen Schriftsteller und Dichter Albert Camus, der ja, was vielleicht die wenigsten wissen, auch ein Tormann war. Der hat den in Zeiten wie diesen philosophisch so wesentlichen Satz geprägt: „Jeder Ball kommt anders.“, ein fast schon erkenntnistheoretischer
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