Gemeinderat, 51. Sitzung vom 20.03.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 102
weil sie sonst Angst haben, nicht zu der Gruppe dazuzugehören, und dementsprechend dieselben kriminellen Verhaltensweisen an den Tag legen und sich dadurch eine toxische Peergroup etabliert.
Fakt ist, jeder Fall von Jugendkriminalität ist einer zu viel. Wir dürfen nichts schönreden, wir dürfen nichts kleinreden, wir dürfen wirklich nichts beschönigen. Deshalb ist es so wahnsinnig wichtig, Maßnahmen zu setzen. Ich möchte dafür plädieren, das gemeinsam zu machen, auf welcher Ebene auch immer wir uns befinden, ob es auf der Wiener Ebene ist, ob es auf der Bundesebene ist.
Wir machen das in Wien zum Beispiel mit „Respekt: Gemeinsam stärker“, einem großartigen Projekt. Ich möchte es vor den Vorhang holen, weil es genau darum geht, Mädchen zu stärken, Burschen andere Handlungsoptionen als Gewalt zu geben und beizubringen, sie zum Reflektieren zu bringen über althergebrachte Vorstellungen darüber, wie ein Mädchen, wie ein Bub zu sein hat. Dementsprechend werden auch Angebote maßgeschneidert auf Schüler und Schülerinnen und auf alle Stakeholder in der Schule gemacht.
Der Ausbau der Männer- und der Täterarbeit, für die wir jetzt auch die Mittel verdoppeln, ist ganz wichtig, weil es um Rollenverständnisse geht. Oder, weil ich mir sicher bin, dass das Thema Extremismus und Extremismusprävention auch in dieser Debatte zur Sprache kommen wird, zum Beispiel das Projekt „Wir alle sind Wien“, wo es um primäre Prävention geht, die Fachstelle für Demokratie, wo es um Demokratiebildung geht, darum, Abwertungen und Abwertungstendenzen zu vermeiden, das Gewaltschutzpaket an Wiener Schulen, die Awareness-Teams im öffentlichen Raum … Ich könnte noch sehr viel mehr sagen, aber ich sehe schon, meine Zeit ist bereits zu Ende.
Es braucht die Anstrengung aller, und genau dafür möchte ich im Sinne der Prävention plädieren, die keine Parteipolitik dulden darf. Denn dafür ist diese Sache einfach viel zu wichtig, vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Aslan, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Mag. Berivan Aslan (GRÜNE): Das Thema Jugendkriminalität ist de facto ein sehr komplexes Thema und betrifft sehr viele unterschiedliche Bereiche. Deswegen glaube ich auch sehr wohl wie Kollegin Bakos, dass man auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen muss, nicht nur auf der Schiene der Jugendarbeit, sondern auch auf der Schiene der Bildung und auch auf der Schiene der Familienberatung, et cetera. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Und der Rechtsprechung.)
Auch die Ursachen für die Jugendkriminalität sind sehr komplex. Da können wir schon anfangen bei Familienstrukturen, bei der Sozialisation der jungen Menschen, und wir können auch anfangen damit, darüber zu reden, ob es wirklich ein Problem von Favoriten ist oder nicht. Jugendkriminalität wurde nach der Pandemie wieder weltweit zum Thema, vor allem in den Großstädten. In Deutschland wurde die Diskussion schon letztes Jahr geführt. Mich wundert es, dass es jetzt kurz vor der Wahl bei uns aufpoppt und dass jetzt alle Parteien sich für das Thema interessieren.
Diese straffälligen Jugendlichen haben eines gemeinsam: Sie haben zu wenig Zuneigung erlebt, sie haben zu wenig Wertschätzung erlebt. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund und mit Fluchtgeschichte kommt noch dazu, dass sie diskriminiert werden, dass sie einer Marginalisierung ausgesetzt sind. (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Täter-Opfer-Umkehr! - StR Dominik Nepp, MA: Sie sollten sich hier entschuldigen!) Kein Wunder, wenn sie bei Lokalen abgewiesen werden, wenn sie bei der Wohnungsvergabe Probleme haben - das rechtfertigt ihre Taten nicht, Herr Kollege, Täter bleiben Täter, egal, woher sie kommen (StR Dominik Nepp, MA: Wir wollen die Täter eh nicht hier haben!), aber das Risiko für kriminelles Verhalten wird erhöht, indem man eine rechtspopulistische Politik macht. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Eines müssen wir feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kriminalität ist keine Frage der Herkunft. Kriminalität ist eine Frage der Sozialisation, ist auch eine Frage der Männlichkeit. (StR Dominik Nepp, MA: Das ist so eine arge Behauptung - alle Männer!) Das Problem ist, wenn wir das Thema den Rechten überlassen, dann merken wir, dass sie nur über Probleme reden und nur über die Krisen reden anstatt über die Lösungen.
Nehmen wir als Beispiel: Von morgens in der Früh bis zum nächsten Tag reden Sie über nichts anderes als über zugewanderte Jugendliche. Was tun Sie in den Gremien? Sie lehnen nacheinander einen Antrag nach dem anderem ab. Von morgens in der Früh weg stellen Sie sich bei diesen Themen als FrauenschützerInnen, als NeofeministInnen auf die Bühne (StR Dominik Nepp, MA: Keine Sorge, das sehen wir anders!) und verteidigen Frauenrechte. Sorry, ihr (in Richtung der FPÖ) seid die Letzten, die die Frauenrechte beschützen, wir Frauen haben uns diese Rechte selber erkämpft und werden es nicht zulassen (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Dann erkämpft sie auch in den Communities!), dass dieses Thema rassistisch von Rechtspopulisten und von Rechten instrumentalisiert wird. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wenn wir wirklich keine Jugendbanden wollen und keine kriminellen Jugendlichen, dann müssen wir eine sachpolitische und eine lösungsorientierte Diskussion hier im Haus führen. Das heißt, wir brauchen dringend einen Ausbau von Frühwarnsystemen, wir brauchen interkulturelle Gewaltprävention, interkulturelle Sozialarbeit. Auf politischer Ebene gibt es so viel zu tun, deswegen verstehe ich nicht, wie man überhaupt die Zeit findet für Hetze. Da muss man wirklich unterbeschäftigt sein, nachdem es so viele politische Maßnahmen gibt, die man umsetzen kann. Wir müssen weg von populistischen Forderungen, wir müssen auch weg von Strafen und von Stigmatisierungen, wir müssen hin zu Aufklärung, Resozialisierung. Wir haben eine Jugend zu gewinnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und es ist egal, woher diese Jugendlichen kommen. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Ist es nicht!) Wenn wir keine negativen Schlagzeilen wollen, dann muss diese Debatte sachpolitisch geführt werden ohne Hetze (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das ist
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