Gemeinderat, 43. Sitzung vom 18.10.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 122
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR Peter Kraus. Ich erteile es ihm. Bitte, Herr Stadtrat.
StR Peter Kraus, BSc: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe BesucherInnen! Liebe SchülerInnen!
Ihr erlebt jetzt gerade eine sehr intensive Debatte rund um den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel, die Eskalation in den Tagen danach, auch den Antisemitismus, den wir teilweise sehen. Ich glaube, mir geht es so wie ganz vielen. Das grauenhafte Massaker an mehr als 1.400 Menschen in Israel, in der übergroßen Mehrheit ZivilistInnen, jüdische Israelis, macht mich wirklich betroffen und schmerzt seit Tagen. Es sind Menschen, die auf einem Festival gefeiert haben, die bis in die Morgenstunden getanzt haben, und wenige Momente danach, als man noch glaubt, man hat einfach eine schöne Zeit gehabt, man hat einfach in Freiheit gefeiert, steht man unter Beschuss und muss fliehen. Hunderte Menschen werden ermordet, es sind noch immer knapp 200 Geiseln, die irgendwo im Gazastreifen verschleppt sind. Ich kann und wir alle können uns, glaube ich, den Horror, den viele Jüdinnen und Juden seit diesen Tagen und derzeit erleben, nicht vorstellen, aber wir sind in Gedanken bei euch.
Auch eines möchte ich an dieser Stelle sagen: Wir haben auch nicht vergessen, denn unser Kontinent, unser Land, unser Europa und viele Orte hier in Europa sind auch der Grund, warum der Staat Israel überhaupt existiert. Es sind Orte wie Auschwitz, Mauthausen, Theresienstadt, Babyn Jar, unzählige weitere Orte, an denen Millionen von Juden systematisch ermordet wurden. Diese Taten, diese Orte sind der Grund, warum wir eine historische Verantwortung haben, jüdisches Leben hier bei uns und gemeinsam mit anderen überall auf der Welt zu schützen.
Diese Taten und diese Orte sind auch der Grund, warum Israel als demokratischer Staat existiert, in dem Menschen auch auf die Straße gehen können und das auch tun, wenn sie ihre Regierung kritisieren wollen. Es ist eine Demokratie, die Menschen Asyl bietet, wenn sie beispielsweise aus anderen benachbarten Ländern fliehen müssen, weil sie zum Beispiel homosexuell sind, weil sie sonst ihr Leben dort verlieren. Es ist ein demokratischer Staat, der für viele Familien das Versprechen und die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit hatte. Diese Taten und diese Orte sind auch der Grund, warum es jetzt nicht die Zeit für Relativierungen und gar für eine Aufrechnung ist, und schon gar nicht für Sätze wie, aber Israel hat doch auch. Nein! (Allgemeiner Beifall.)
Wer auch nur irgendwie glaubt, dass man jetzt mit Aufrechnen dieses Massaker ein wenig erklären oder gar rechtfertigen kann, sehr geehrte Damen und Herren, der hat seinen moralischen Kompass verloren. Es ist vorhin schon der Text von Robert Misik angesprochen worden, und es gibt darin einen sehr treffenden Satz zu allem, was wir in den letzten Tagen erlebt haben. Er schreibt: Wahrheiten fallen sich gegenseitig ins Wort - ich ergänze an dieser Stelle vielleicht noch - und verführen uns dazu, aufzurechnen, wo nichts aufzurechnen ist, und Erklärungen zu geben, die keine Erklärungen sind.
Die Bilder der letzten Tage, auch der letzten Stunden machen mich und machen uns alle sprachlos, betroffen, sie gehen nahe, sie gehen allen nahe, und viele Bilder emotionalisieren in einer Intensität und in einer Geschwindigkeit, bei der Journalismus, bei der Fakten-Checks, bei der Quellenüberprüfungen nicht mehr mitkommen. TikTok musste in der letzten Woche 500.000 Videos alleine in Europa löschen, weil die Plattform für Desinformation, für Falschinformation, für Propaganda missbraucht wurde. Mir macht diese Geschwindigkeit der Eskalation große Sorgen, und ja, da brauchen wir einen ganz klaren Blick. Da brauchen wir zum Beispiel Strukturen wie die offene Jugendarbeit, die Raum gibt, die Beziehungen aufbaut, um Jugendliche genau vor dieser Beeinflussung, vor dieser Propaganda zu schützen.
Wir brauchen aber auch eine ganz glasklare Haltung, vor allem angesichts dieser Desinformation. Die Hamas kämpft nicht für Freiheit, die Hamas kämpft auch nicht für Palästinenserinnen und Palästinenser, die Hamas kämpft nicht für Menschen, die Hamas kämpft und mordet sinnlos nur für sich, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Das hat auch nichts mit den Menschen im Gaza zu tun, die als ZivilistInnen leiden, die dringend humanitäre Hilfe, Sicherheit, eine Perspektive brauchen. Aber wenn auf unseren Straßen, wenn in unserer Stadt und in vielen anderen europäischen Städten das Morden von Jüdinnen und Juden gefeiert oder gar als Freiheitskampf bejubelt wird, dann ist das ekelhaft, dann ist das beschämend und dann müssen wir ganz klar sein: Wir dulden keinerlei Antisemitismus auf unseren Straßen, egal, woher er kommt. Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR Mahrer, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Stadtrat.
StR Karl Mahrer: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler!
Mir fällt es auch heute schwer, wieder den Übergang zu finden, wenn ich gerade sehe, was sich im Moment im Nahen Osten ereignet, welche Meldungen wir lesen müssen, aber wir haben auch eine Verpflichtung, zu lernen, die Verpflichtung, zu lernen, zeigt uns, wir müssen gegen den Antisemitismus auf Wiens Straßen etwas tun. Das ist das Gebot der Stunde, und zwar egal - und es ist mehrfach gesagt worden -, von wo der Antisemitismus ausgeht.
Die Tatsache ist - und dieser Wahrheit müssen wir ins Auge sehen -: Die undifferenzierte Willkommenspolitik der Wiener Stadtregierung, vor allem der SPÖ und jetzt auch der NEOS, und das Wegsehen bei Integrationsproblemen bringt Wien an einen Scheideweg. (StR Dominik Nepp, MA: Und der Herr Karner? 100.000 Menschen hat Ihr Innenminister heuer wieder hereingelassen! Unkontrolliert!) Wenn man sich die aktuellen Pro-Palästina-Demos ansieht, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die Aussagen, dann ist man einfach fassungslos. Da feiern Menschen Terror und Hass auf den Straßen und in den Schulen und leben offen einen muslimischen Antisemitismus aus.
Was wir in diesen Tagen erlebt haben, ist aber nur ein Teil und in Wahrheit nur die Spitze des Eisbergs. Das
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular