Gemeinderat, 40. Sitzung vom 28.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 102
Minuten. Sie sind am Wort. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Der verteidigt jetzt Marx!)
GR Petr Baxant, BA (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Ich habe sieben Minuten Redezeit, werde aber versuchen, weniger zu konsumieren, denn meine Kollegin Nicole Berger-Krotsch hat viel Wichtigeres zu sagen als ich.
Mir ist wichtig, einmal darauf hinzuweisen, dass ich ein Fan der Arbeitsstipendien bin - die, die mich kennen, wissen das schon. Warum? - Weil ich überzeugt bin, dass das im Grunde ein Vorgriff auf eine zukünftige Ära ist, die irgendwann einmal sein wird, in der wir überwunden haben werden, dass wir alle, von Links bis Rechts, überzeugt sind davon, dass Menschen für ihre Arbeit bezahlt werden können. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich glaube, Menschen sollen deswegen ein Einkommen haben, weil sie einfach Menschen sind. Deswegen bin ich ein Fan des bedingungslosen Grundeinkommens. (GR Mag. Dietbert Kowarik: … zahlst!) - Die Finanzierung ist eine ganz andere Frage. Da hat Babler schon gesagt, diese Frage ist unmoralisch, und ich bin da absolut seiner Meinung.
Das heißt, ich bin ein Fan der Stipendien, weil sie uns quasi in die Zukunft entwickeln werden und etwas vorandenken, das unglaublich wichtig ist, weil sie sich quasi mit der Urfrage zwischen Arbeit und Einkommen beschäftigen. Das müssen wir alle gemeinsam lösen, da ist noch keine einzige Partei irgendwie weiter als die andere. Aber die Arbeitsstipendien sind toll, weil sie auch ein Paradigmenwechsel sind: Man zahlt nicht Menschen, weil sie etwas gemacht haben, sondern man zahlt Menschen, weil sie leben und weil man davon überzeugt ist, dass sie irgendwann einmal tolle Kunstwerke produzieren, dass sie kreativ sein können.
Seit Joseph Beuys wissen wir, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Und ich bin überzeugt davon, jeder Mensch braucht ein Grundeinkommen, weil jeder Mensch quasi künstlerisch tätig ist (Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.), egal, ob an einem Kunstwerk, Herr Kollege Kowarik, oder Sie als Politiker: Ich sehe Sie auch als Künstler. (Lebhafte Heiterkeit bei GR Peter L. Eppinger.) - Ja! (GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Ich finde, er hat andere Qualitäten!) Wir arbeiten gemeinsam alle am großen politischen Kunstwerk Wien. Ich finde das wunderbar, und ich nehme quasi keinen Menschen unserer Gesellschaft aus diesem gemeinsamen Kunstwerk-Schaffen aus.
Das heißt, Stipendien finde ich super. (GR Mag. Dietbert Kowarik: … mit der Bezahlung …) Danke, Frau Stadträtin, dass Sie diesen innovativen Weg gegangen sind - das ist unglaublich wichtig (Beifall von GR Mag. Thomas Reindl und GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch.) -, und ich bin auch froh, dass das in der Pandemie quasi erfunden wurde und dass Sie das jetzt auch weiterführen - Stipendien im Bereich der bildenden Kunst, Kompositionsstipendien, und so weiter, und so fort. Das finde ich toll und das verdient sich, finde ich, unseren Applaus. Danke schön! (Beifall bei der SPÖ.)
Seit Beginn der Arbeitsstipendien wurden über 2.300 KünstlerInnen unterstützt. Das bedeutet, 2.300 Menschen in Wien konnten ein Jahr lang im Grunde vollkommen frei arbeiten. Sie konnten frei arbeiten, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob sie morgen ihre Miete zahlen können, ob sie morgen ihr Essen noch kaufen können. Das ist die Zukunft von Arbeiten, das ist die Zukunft von Wirtschaft - langfristig -, deswegen bin ich so überzeugt davon.
Das andere, das mir wichtig ist, die Kulturstrategie, möchte ich nur ganz kurz streifen, ich bin aber auch begeistert von ihr. Ich war zuerst skeptisch, weil ich mir gedacht habe, da kommt dann irgendeine Agentur und die wird uns allen eine Kulturstrategie quasi vorsetzen, und wir können dann die Hand heben. Aber es ist ganz anders gewesen, und da danke ich auch der Frau Stadträtin und ihrem Team, weil es eine sehr, sehr demokratische, partizipative Arbeitsweise ist, bei der im Grunde sämtliche Stakeholder aus dem Kunst- und Kulturbereich eingeladen wurden und, wie ich mich selbst überzeugen konnte, unglaublich kreativ und mit unglaublich viel Verve und Leidenschaft dabei waren, alle extrem lösungsorientiert. Die Herausforderungen der Zukunft, wie zum Beispiel die Rettung der Welt, klimanotwendige Maßnahmen im Kunst- und Kulturbereich, werden im Grunde mit einer positiven Energie angegangen. Die Künstler und Künstlerinnen und die Verantwortlichen sehen das nicht als lästige Pflicht - jedenfalls habe ich das so wahrgenommen -, sondern die Kunst- und Kulturszene in Wien freut sich darauf, gemeinsam mit der Stadt, gemeinsam mit der Bevölkerung alles zu tun, damit wir 2030, 2040 unsere Klimaziele erreichen. Das finde ich einfach wunderbar und alles andere als selbstverständlich.
In der letzten Minute meiner Redezeit wende ich mich an Niki: Niki, ich schätze dich sehr und ich weiß, dass du das absolut ehrlich und aufrichtig meinst, was Karl Lueger sowie auch die gesamte Erinnerungskultur betrifft, aber - wir haben uns ja schon oft ausgetauscht - da gibt es halt einfach unterschiedliche Zugänge. Wir vertreten halt den Zugang, dass wir zu unserer Geschichte stehen (GRin Viktoria Spielmann, BA: Ja, wir stehen ja auch zu unserer Geschichte!) - dass wir zu unserer Geschichte stehen, möge sie auch unangenehm sein. Und auch ein Karl Lueger gehört zu dieser Stadt, das ist einfach so! (GR Nikolaus Kunrath: Wer ist „unsere Geschichte“?) Wir! Wir - unsere Geschichte als Stadt Wien, als Österreich, und so weiter, als Rechtsgemeinschaft Österreich, als Rechtsgemeinschaft Wien. Und wir sind halt die Mehrheitspartei, deswegen erlaube ich mir, „wir“ zu sagen. (Beifall bei der SPÖ. - Heiterkeit bei den GRÜNEN.)
Aber jedenfalls: Das ist etwas, wovon wir überzeugt sind, dass wir quasi keine historische ideologische Desinfektion - so würde ich das nennen - durchführen. Nein, unsere Geschichte ist einfach unglaublich reichhaltig an Tiefen und an Höhen, an Menschen, die Wunderbares hinterlassen haben - wie Lueger, das muss man auch sagen: Der hat auch Tolles hinterlassen - aber er war auch ein Vorkämpfer des Antisemitismus, ja. Aber ich will, dass sich unsere Kinder und Kindeskinder auch in 100 Jahren noch damit befassen. Deswegen möchte ich, dass unsere
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