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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 27.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 95 von 115

 

Nachricht von der lebenswerten Stadt Wien als sehr lohnend erscheinen lassen -, sondern schauen Sie auch in die überfüllten Praxen und Ambulatorien! Schauen Sie auf die hohe Fluktuationsrate beim Klinikpersonal! Schauen Sie auf die lange, lange Liste der Forderungen des Klinikpersonals, insbesondere bei der Pflege! Schauen Sie auf die lange OP-Liste - wir haben es schon gehört -, auf die vielen unbesetzten Stellen, auf die gesperrten Betten, auf die hohe Anzahl der Gefährdungsanzeigen und auch auf die weggeschickten Kinder und Jugendlichen, weil die psychiatrischen Abteilungen voll sind und dort keinen Platz haben und das Personal fehlt, um nur einige Beispiele zu nennen. Also es ist wirklich nicht die Zeit für Jubel und die Zeit zum Feiern, sondern die Zeit, in der es gilt, hier konkrete Taten zu setzen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ja, gut, wenn man sich über die School Nurses freut, gut, dass es Primärversorgungszentren und Kinderprimärversorgungszentren gibt - aber da ist kein Cent von Wien drinnen! Das sind bundesinitiierte oder von anderen Playern mitgetragene Projekte. Es braucht da deutlich mehr Anstrengungen von Wien, in den eigenen Handlungsbereichen aktiv zu werden.

 

Was ich in der Gesundheitspolitik in den letzten Jahren und auch im vergangenen Jahr wirklich vermisse, ist so etwas wie eine Weitsicht und Mut und Kooperation. Wir haben es mit immensen Herausforderungen zu tun, die selbstverständlich nicht von heute auf morgen gelöst werden können. Das Gesundheitssystem ist ein träges, großes, schweres Schiff, und um dieses auf Kursänderung zu bringen, muss man ehzeit anfangen, denn wenn das Problem da ist, dann kann man nicht mehr reagieren. Genau dieses Gefühl habe ich, wenn ich auf den Pflegemangel, auf die Pensionierungen schaue: Da hat man eigentlich überhaupt nicht reagiert, obwohl die Pensionierungen seit vielen Jahren, ja, Jahrzehnten vorhersehbar waren. So habe ich das Gefühl, oder die Befürchtung, dass es bei der Klimakrise oder auch beim Thema Digitalisierung genauso ist: Wir hinken da überall nach und müssen irgendwie schauen, dass wir nicht den Anschluss verpassen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich wahrnehme, ist: Das Gesundheits- und Pflegepersonal braucht ganz, ganz dringend spürbare Entlastungen. Es braucht bessere Gehälter und auch in den Häusern einen Kulturwandel. Ich habe das schon öfter gesagt: Das Arbeiten auf Augenhöhe in multiprofessionellen Teams gehört gefördert. Es braucht eine Fehlerkultur und nicht - und das erlebe und höre ich nach wie vor - diese Kultur, dass Fehler oder Probleme unter den Teppich gekehrt werden, dass Druck auf kritisches Personal ausgeübt wird und man versucht, dieses mundtot zu machen. Das ist kein gesundes Klima, da muss wirklich gegengesteuert werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Im extramuralen Bereich schaut es auch nicht gut aus. Kindergesundheit, Frauengesundheit, aber auch die psychische Gesundheit, all das sind Handlungsfelder, in denen Wien deutlich mehr tun kann. Ich freue mich, dass wir gemeinsam den Druck aufbauen, dass mehr Kinderkassenärzte kommen, dass mehr gynäkologische Frauengesundheitsversorgungsplätze geschaffen werden. Das ist eine gute Sache, aber trotzdem: Wien kann mehr tun - und das vermisse ich, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Was mich besonders schmerzt, ist eigentlich, wie die Schulgesundheit und die Kindergesundheit in Wien vernachlässigt werden. Ich frage mich - und begrüße auch den Antrag der ÖVP -, warum man außer diesen vier Schulen mit School Nurses nicht von sich aus bisher längst irgendwie eine Ausweitung gestartet hat und hier Schulgesundheitsteams, oder eben mehr School Nurses, implementiert hat. Die Sorge, dass es dafür kein Personal gibt, habe ich überhaupt nicht, denn ganz viele Pflegefachkräfte haben eben diesen stressigen Klinikbetrieb, haben den Schichtbetrieb satt. Die sind sehr froh, wenn sie in einen geordneten „Eight to four“- oder „Eight to five“-Job gehen können und das Wochenende frei haben. Diese Ausrede lasse ich hier nicht gelten. Legen Sie zu beim Tempo! Machen Sie das, von dem Sie hier so positiv reden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was die Personalkrise betrifft, so stehen wir da nicht bei fünf vor zwölf, sondern da ist es längst fünf nach zwölf! Die Patientensicherheit ist mittlerweile oft schon gefährdet - wir haben es vorige Woche bei der Debatte über den Bericht des Patientenanwalts diskutiert. Die Folgen sind verheerend, mitunter sogar tödlich. Also hier ist wirklich Gefahr im Verzug, und es muss mehr getan werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Warnstreik der Ärzte und Ärztinnen in der Zentralen Notaufnahme darf nicht einfach lächerlich gemacht werden, da dürfen nicht die handelnden Personen diffamiert werden, sondern da muss man sich wirklich anschauen, was die tagtäglich - jeden Tag, 365 Tage im Jahr - leisten. Das ist gewaltig, und das mit einer ganz, ganz knappen Personaldecke. Ich verstehe, warum dort gestreikt werden wird, und ich bringe auch heute einen Antrag zur Unterstützung der Forderung der Pflege in der Zentralen Notaufnahme ein, denn die bekommt im Gegensatz zu den streikenden Ärzten, die von der Ärztekammer Rückendeckung bekommen, von ihrer eigenen Personalvertretung diese nicht. Das ist aus meiner Sicht besonders brisant, dass hier SPÖ-Arbeitgeberin und SPÖ-ArbeitnehmerInnen sich sozusagen gegenseitig die Mauer machen, und auf der Strecke bleiben die Pflegekräfte. Darum wird von uns hier heute auch der Antrag für mehr Dienstposten und an dieser Stelle auch die Forderung eines Bonus für die schwere Arbeit eingebracht.

 

Ich möchte fortfahren mit einem weiteren Antrag, den ich einbringe, einem Antrag zur Vier-Tage-Woche in der Pflege. Wir stellen uns vor, dass man hier in Wien endlich einmal einen Piloten startet. Das kann man sich ausmachen, wo. Das kann, soll und muss auch zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen verhandelt werden. Es ist aber definitiv ein Schritt zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, so stellen wir uns das vor. Es gibt sehr positive Beispiele in anderen Ländern und Städten, daran kann man sich orientieren, also man muss das Rad nicht völlig neu erfinden. Es wäre jedenfalls gut, wenn nicht nur die Idee von Andreas Babler sozusagen die Runde macht, sondern auch Wien hier Taten folgen lässt,

 

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