Gemeinderat, 40. Sitzung vom 27.06.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 115
den anderen geht, aber ich habe zum Wort Ideologie immer ein recht ambivalentes Verhältnis. Zum einen ist es gut, wenn man Grundsätze hat, es ist gut, wenn man diese artikulieren kann, weil es einen Grundsatz für jeden Kompromiss, für jede gelebte Demokratie braucht. Zum anderen muss man wohl aufpassen - und ich glaube, das gilt für alle Fraktionen gleichermaßen -, dass man in der Ideologie nicht reaktionär wird, dass man weiß, was gut und was böse ist, ohne dass man darüber nachdenken muss. Ich sage das ganz bewusst: Alle Fraktionen gleichermaßen, alle ideologischen Gruppen gleichermaßen. Ich glaube schon, dass es da gewisse Parallelen gibt, weil es in dieser Zuspitzung des Reaktionären dann zu populistischen einfachen Antworten auf komplexe Fragen kommt. Man kennt das von der rechten Seite, da wird sehr oft kritisiert: Warum geht es uns schlecht? - Wegen der anderen. - Ein Blick auf unsere Gesellschaft zeigt ganz klar, dass das verkürzt ist und so nicht stimmt. Es gibt das aber auch auf der linken Seite, und da nimmt man hehre und richtige Ziele wie den Kampf gegen die Kinderarmut, man nimmt hehre und richtige Ziele wie Bildungschancen, wie Gerechtigkeit im Gesundheitssystem, und die Antwort auf viele Herausforderungen ist dann recht rasch: Warum funktioniert das nicht? - Wegen der anderen da, denen wir noch mehr wegnehmen müssen!
Ich glaube aber, ein Blick auf die österreichische Steuerrealität zeigt, dass das einfach nicht stimmt: Wir haben eine Abgabenquote von über 40 Prozent. Wir haben ein Steuersystem, das bereits jetzt solidarisch ist, bei dem 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung fast die gesamte Steuerlast tragen. Man kann aber immer diskutieren, ob der Faktor Arbeit zu sehr belastet ist und das umgeschichtet werden kann, keine Frage, aber - und das ist vielleicht der wichtigste Punkt - bei einem Bruttoinlandsprodukt von 400 Milliarden EUR, oder 440 Milliarden EUR mittlerweile, ist mehr als die Hälfte bereits jetzt in der öffentlichen Hand. Mehr als 100 Milliarden EUR sind beim Bund, und dann noch einmal 120, 130 Milliarden EUR sind bei Sozialversicherungen, Ländern und Gemeinden. Da kann ja nicht auf jede Frage und auf jedes Problem immer nur die Forderung nach zusätzlichen Steuern noch kommen, das kann doch einfach nicht stimmen! Wie kann es sein, dass die treffsicheren Familienleistungen, dass die Zusatzlehrer hier in dieser Stadt mit dem Geld, mit den ersten 200 Milliarden EUR, die die öffentliche Hand zur Verfügung hat, noch nicht als Prioritäten erkannt wurden? Warum braucht es da noch zusätzliche Steuern? - Ich glaube, es ist ein bisschen die Verantwortung, da auch als Verantwortungsträger oder -trägerin zu schauen, warum das Geld nicht dort ankommt, wo es soll, eher, als immer noch mehr Steuern zu fordern, die am Ende die Wertschöpfung und die Leistungsbereitschaft einfach nur abwägen können. Das wäre unser Plädoyer auch für diese Debatte im Rahmen der ideologischen Auseinandersetzung. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und von GR Mag. Dietbert Kowarik.)
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Die tatsächliche Redezeit waren fünfeinhalb Minuten. Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau GRin Rychly, selbstgewählte Redezeit sind elf Minuten. Sie sind am Wort.
GRin Yvonne Rychly (SPÖ): Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte nur ein bisschen zur großen Debatte zur Arbeitszeitverkürzung sagen. Wenn Sie wissen, dass 47 Millionen unbezahlte Mehr- und Überstunden im Jahr 2022 geleistet wurden und nicht bezahlt wurden, dann frage ich mich, warum die Wirtschaft so jammert. Sie haben dafür nicht bezahlt und es ist den ArbeitnehmerInnen dadurch ein Lohnbetrug von 1,2 Milliarden EUR entstanden.
Ich finde, die Arbeitszeitverkürzung brauchen wir in kurzen Schritten, da die Leute am Limit sind. Warum? - Sie sagen alle, sie können nicht die Arbeitszeit verkürzen. Ich bekomme im Handel, in den Dienstleistungsberufen, in der Bewachung keinen Vollzeitjob mit 40 Stunden. Menschen arbeiten überall 30 Stunden. Wenn man sagt, ich möchte gerne mehr arbeiten, sagen sie, das ist bei uns nicht möglich, weil sie Überstunden bezahlen, weil das für die Wirtschaft billiger ist. Wir brauchen also für Menschen eine Entlastung und wir brauchen für sie Arbeitszeitverkürzung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
2022 war das dritte Jahr der Corona-Pandemie, in dem der wirtschaftliche Aufschwung durch die Auswirkungen des Angriffskriegs auf die Ukraine leider gebremst wurde. In Wien ist die Beschäftigung weiter gestiegen, die Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Wir haben eine Rekordbeschäftigung - was mein Vorredner Rudi Kaske schon gesagt hat - von über 900.000 unselbstständig Beschäftigten.
Der WAFF - Beratungszentrum für Beruf und Weiterbildung unterstützt beschäftigte Wienerinnen und Wiener dabei, beruflich durchzustarten. Die Angebote reichen von fundierter Information zu verschiedenen beruflichen Themen über persönliche Beratungen bis zu finanzieller Unterstützung für berufsbezogene Aus- und Weiterbildung. Ich denke, die persönliche Beratung ist ganz, ganz wichtig für die Menschen und die Kernaufgabe des WAFF. 65 Prozent der NeukundInnen gehören zu dieser Zielgruppe, darunter befinden sich auch viele MigrantInnen. Das Nachholen von Bildungsabschlüssen und das Erlernen der deutschen Sprache sind daher zentrale Beratungsthemen. Viele Menschen beschäftigt auch die Frage, wie sie sehr kostspielige Kurse finanzieren können, da sie über ein verhältnismäßig geringes Einkommen verfügen und von der akuten Teuerungswelle stark betroffen sind. In der persönlichen Beratung erfahren KundInnen vom WAFF, wie sie am besten um Fördermöglichkeiten ansuchen und sich so auch weiterqualifizieren können.
Die Nachfrage nach Fachkräften ist heute schon öfters diskutiert worden. Auch wir setzen da rechtzeitig ganz wichtige Initiativen, um mit dem sukzessiven Ausbau von „Job PLUS Ausbildung“ die Menschen weiter zu qualifizieren. Wenn sie zu ihrem Arbeitslosengeld bis zu 600 EUR dazubekommen, können sie es sich auch leisten, sich über 2 oder 3 Jahre weiterqualifizieren zu lassen, um den nötigen Fachkräftemangel etwas zu reduzieren. Im Sep
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