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Gemeinderat, 40. Sitzung vom 27.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 115

 

uns so nicht kannten. Die letzten fünf Jahre waren permanent davon geprägt. Wir alle waren dabei, wir alle haben das miterlebt.

 

Wir hätten natürlich auch in dieser Zeit allesamt abwarten und zaudern können, die Strukturen aufrechterhalten und hoffen, dass doch alles besser wird, vielleicht von selbst sogar. Doch wir haben alle den Winston Churchill zugeschriebenen Ausspruch ernst genommen: „Never let a good crisis go to waste.“, oder übersetzt, niemals eine gute Krise ungenutzt verstreichen lassen. (StR Dominik Nepp, MA: Aber deswegen nicht Krisen produzieren, absichtlich!) Wieso sage ich das? Allein, wenn wir uns bewusst werden, dass die Fortschrittskoalition mitten in der Corona-Pandemie und vor dem ersten Impfstoff geschmiedet wurde und wir daraufhin jetzt nach mehreren Jahren die gesundheits- und wirtschaftspolitischen Krisen erfolgreich überwinden, konnten wir mit diesen Erfahrungswerten nun mit den Auswirkungen des Angriffskriegs der Russischen Föderation auf die Ukraine wiederholt ein Veränderungskapitel aufschlagen. Wenn wir die Nachrichten der letzten Tage Revue passieren lassen, dann kommt da leider Gottes möglicherweise noch einiges mehr auf uns zu.

 

Aber dann, wenn man sich das im Verhältnis ansieht, wie diese fünf Jahre von den Wienerinnen und Wienern abgewickelt wurden, bin ich überzeugt, dass das Haus Wien - und da meine ich alle Wienerinnen und Wiener, uns und alle, die in dieser Stadt ihre Leistung erbringen - bis jetzt durchaus diese Krisensituation gestählt verlassen hat. Das ist nicht selbstverständlich, aber es spricht ein Stück weit für die Art, wie wir alle Politik verstehen, wie wir versuchen, mit Krisen umzugehen und dass wir nicht mit dem Status quo zufrieden sein können, so wie er ist, sondern in Zeiten wie diesen auch Veränderungen akzeptieren und angehen müssen.

 

Die multiplen Umbrüche, die unsere Stadt gleichzeitig erlebt, verlangen nach Entscheidungskraft und Mut, denn der Klimaschutz wartet nicht auf die Behebung des Fachkräftemangels und der Fachkräftemangel wartet nicht auf eine längst notwendige, faire Verteilung der Steuerlast, weg von den arbeitenden Menschen und der Mitte unserer Gesellschaft. Die Entlastung der Mitte wartet auch nicht auf klare Antworten der Bundesregierung.

 

All diese Problemfelder sind so, wie sie sich bieten, gleichzeitig zunehmend, und diese Regierung und dieses Haus Wien haben im Jahr 2022 gezeigt, dass wir bereit sind, dieses zu tun, und ich bin wirklich stolz, und wir können wirklich auf die Wienerinnen und Wiener stolz sein. Ich würde mir zwar ein Stück weit ruhigere Zeiten, so wie Sie alle, für unser Europa und unsere Stadt wünschen, aber als Regierungsverantwortliche haben wir der Realität ins Auge zu blicken. Daher scheuten wir uns mit unserem inoffiziellen Regierungsmotto „Never let a good crisis go to waste.“ im Kopf nicht vor den alternativlosen Maßnahmen und vor den manchmal notwendigen Alleingängen, wenn andere politische Ebenen nicht ganz so schnell in die Gänge gekommen sind.

 

Mit jedem einzelnen Krisenjahr sahen wir neue Notwendigkeiten strategischer Neuausrichtungen im wirtschaftlichen, im arbeitsmarktpolitischen, im fiskalpolitischen Rahmen, damit wir den Standort Wien mit all seinen Vorzügen für das nächste Jahrzehnt in dieser schwierigen Zeit fit machen können. Wir nutzten diese Krisenlage als Katalysator für viele wichtige, notwendige neue Schritte. Angesichts der Teuerungslage sind wir in eine Periode getreten, in der die fiskalische Brille nicht nur die Effizienz beim Ermöglichen von Projekten im Auge zu behalten hat, sondern auch den Zweck verfolgen muss, das soziale Gefüge in unserer Stadt zu stabilisieren. Das ist uns in all diesen Jahren gelungen und das ist auch unsere Aufgabe für die nächsten Jahre. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Unter diesen Prämissen sehe ich die heutige Debatte mit Ihnen. Unter diesen Prämissen verhandeln unser Bürgermeister und ich den Finanzausgleich, der für die nächsten Jahre, wenn nicht für das nächste Jahrzehnt eine klare neue Basis bilden muss. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Es gibt keine einfachen Antworten auf hochkomplexe Probleme, wie wir sie derzeit sehen, und wir brauchen alle Ideen, alle Begeisterung, allen Mut, um sie zu bestehen. Denn nur durch unsere permanente Neuerfindung können wir den hohen Lebensstandard, den wir alle gewohnt sind, für die nächste Generation nicht nur erhalten, sondern, wenn möglich, klarerweise ausbauen. Wir werden Ausdauer und Flexibilität brauchen, um dieses Ziel zu erreichen, denn die Fragen, die sich uns stellen, werden aktuell bleiben, während so manche Antworten - das haben wir gesehen - sehr rasch altern.

 

Zum Rechnungsabschluss: Gerade dieser Rechnungsabschluss zeigt, wie schnell sich die Welt drehen kann, denn das erste Doppelbudget der Stadtgeschichte war noch unter dem Vorzeichen der Pandemie entsprechend vorsichtig strukturiert - ich betone es: vorsichtig strukturiert - und wurde während des letzten Lockdowns des Jahres 2021 von uns hier beschlossen. Dementsprechend war meine strategische Vorgabe ganz klar, nämlich besonders vorsichtig bei der Planung vorzugehen, insbesondere bei den Einnahmenerwartungen, von denen wir nicht wussten, wie sich denn der Wirtschaftsstandort Wien und Österreich erholen konnte. Nachdem wir alle damals noch nicht wussten, wohin die Reise für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt unseres Landes gehen würde, darf ich Ihnen heute berichten: Die Erwartungen wurden klar übertroffen. Die aufholende Konjunktur, der Nachzieheffekt, den wir gesehen haben, die Stärke unseres Wirtschaftsstandortes und die historisch besten Beschäftigungsdaten, die wir je in Wien gesehen haben, brachten Einnahmen auf neuem Niveau. Am stärksten stiegen klarerweise die Einnahmen aus dem allgemeinen Steuertopf, das wissen Sie alle: Einkommensteuer, Umsatzsteuer, höher als erwartet die Ertragsanteile des Bundes, zugerechnet unserer Struktur, ein Plus von einer knappen Milliarde Euro. Aber auch im Bereich der eigenen Abgaben, da insbesondere auch der Kommunalsteuer mit knapp 94 Millionen EUR plus zusätzlich, führten zu einer Veränderung des Ergebnisses. (StR Dominik Nepp, MA: Das ist eine Abzocke!)

 

Auf der Aufwandseite rechnet sich im Jahr 2022 ein Gesamtausgabenstand der Stadt Wien in Höhe von 19,9

 

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