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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 110

 

sagen: Gut, sie wollen sie nicht, damit geht aber dann einher, dass sie demokratisch nicht mitbestimmen dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich komme zum Thema MA 35. Aktuell liegen bei mir zwei Fälle von Menschen, die sämtliche Voraussetzungen erfüllen, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Die leben seit Jahren in Österreich, sind erwerbstätig, haben alle Unterlagen gebracht und möchten wirklich, wirklich gerne Österreicher werden. Sie bekommen einfach keine Antwort. Sie haben alles eingereicht, und es kommt keine Antwort. Dann haben sie gesagt: Kannst du da vielleicht helfen? Ich habe gesagt: Na ja, das ist ein Verwaltungsvorgang. Da können wir nicht eingreifen. Es kam noch immer keine Antwort.

 

Irgendwann ist ein Jahr vergangen. Danach sind die Unterlagen ja teilweise nicht mehr gültig, wenn eine gewisse Zeit vergeht. Eine Familie hat den Antrag für den Sohn gestellt, der damals 17 war. Inzwischen ist der Sohn 18 geworden und muss einen eigenen Antrag stellen. Das sind aber Menschen, die einen Rechtsanspruch auf die Behandlung ihrer Unterlagen und einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft haben, wenn sie alle Kriterien erfüllen. Sie schaffen das administrativ nicht. Na gut, dann brauchen wir nicht über die Ausweitung der Staatsbürgerschaft reden, wenn wir es nicht einmal schaffen, die jetzigen Erfordernisse zu erfüllen und die Menschen zu bedienen, die jetzt schon einen Rechtsanspruch darauf haben. Das ist die allererste, größte Baustelle, die wir bedienen müssen, wenn wir über die Staatsbürgerschaft sprechen.

 

Ich komme zu den bestehenden Instrumenten, die wir in Wien haben und die vielleicht ein bisschen besser genutzt werden sollten. Mein Kollege Gasselich hat gesagt, es wurde bei der Enquete gar nicht über die parlamentarischen Demokratieinstrumente geredet. Das wäre wahrscheinlich auch etwas unangenehm für Sie gewesen, weil da ja durchaus Sachen dabei sind, bei denen man ein bisschen vor der eigenen Tür kehren möchte.

 

Ich möchte mit den Anfragebeantwortungen beginnen. Wir haben es heute schon gehört. Es gibt in diesem Haus einen Stadtrat, der inzwischen - gefühlt - überhaupt keine Anfragen mehr beantwortet, auf irgendwelche Berichte verweist, die noch nicht publiziert wurden, und dann in Fragestunden zutiefst untergriffig und in einer respektlosen Art und Weise auf uns als Abgeordnete repliziert, wenn wir unangenehme Fragen stellen. Das ist auch eine Frage der Demokratie: Wie gehe ich mit meinem Gegenüber um? Wie gehe ich mit der Opposition um, auch dann, wenn mir die Fragen auf die Nerven gehen? (Beifall bei der ÖVP und von GR Felix Stadler, BSc, MA.)

 

Stichwort Gesetze im Landtag: Die haben wir regelmäßig per Initiativantrag und ohne Begutachtungsfrist. Auch das ist ein Demokratiedefizit, das Ihrerseits leider noch nicht behoben wurde. Oder ich spreche von der Untersuchungskommission. Das ist ja fast eine Farce gewesen. Da haben wir Akten beantragt, und dann haben wir halt einfach keine bekommen, weil der Magistrat befunden hat, er gibt sie uns nicht. Ja, auch das ist doch eine Frage der Demokratie: dass die Opposition in einer Untersuchungskommission die Unterlagen bekommt. Das ist die Grundlage des Arbeitens einer Untersuchungskommission. Schauen wir doch zuerst einmal, dass wir diese eigenen Baustellen aufarbeiten, bevor wir Enqueten machen und über Sachen reden, die auf einem akademischen Überfliegerniveau sind! (GR Mag. Dietbert Kowarik: Hausaufgaben!)

 

Was mich wahnsinnig geärgert hat, sind zwei Dinge in den Bezirken, erstens die Bürgerinitiative Süßenbrunn. Da geht es zusammengefasst um ein Bauprojekt. Über 4.000 Unterschriften wurden gesammelt. Die Menschen engagieren sich wahnsinnig. Die haben eine Petition eingebracht, sie sind regelmäßig in die Medien gegangen. Da gehen ganz, ganz viel persönliche Initiative und persönliches Herzblut hinein. Da geht ganz viel persönliche Zeit hinein, Know-how-Anreicherung. Das haben diese Bürger alles gemacht. Dann haben wir eine Bürgerversammlung im Bezirk beantragt. Was war bei dieser Bürgerversammlung? Glauben Sie, dort wurden die Anliegen der Bürger gehört und es wurde dort mit dem Bezirksvorsteher diskutiert? - Nein, das war leider nicht der Fall. Es wurde ein Vortag vom Bezirksvorsteher und vom Magistrat gehalten. Danach: Abgang des Herrn Bezirksvorstehers. Die Bürger saßen alleine dort. Es fand nicht einmal eine Diskussion über diese wirklich guten, fundierten Punkte statt, die die Menschen zusammengetragen, erarbeitet und eingebracht haben.

 

Auch das ist eine Frage der Demokratie: Sich einer Gruppe von kritischen Bürgern zu stellen, auch wenn es dem Herrn Bezirksvorsteher nicht passt und es ihm unangenehm ist. Auch das gehört aber dazu: Nicht nur hier in den geschützten Hallen auf einem akademischen Niveau zu diskutieren, sondern auch bei den Menschen zu sein, die eben nicht einer Meinung sind, und dann die eigene Meinung zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das zweite Beispiel ist die Befragung über den Radweg Argentinierstraße. Da wurde die Frage ausgeschickt: Wie hättet ihr es denn gern? Da gab es dann drei Alternativen: die Alternative Änderung 1, die Alternative Änderung 2 und die Alternative Änderung 3. Was aber nicht zur Auswahl stand, war die Alternative: Wir möchten gar keine Änderung. Auch das ist keine Art der Demokratie. Das ist eine Vorgabe von der Bezirksvorstehung respektive der Stadtregierung. Da wird etwas geändert, und ihr dürft euch dann überlegen: Kommen 20 Parkplätze weg oder kommen 15 Parkplätze weg? Kommen zwei Bäume hin, oder kommen drei Bäume hin, und kommt die rosa Bank hin oder die rote Bank hin? Das ist nur Makulatur.

 

Wenn wir sagen, wir wollen die Bürger tatsächlich abstimmen lassen, dann müssen wir auch bereit sein zu sagen: Wir geben die Alternative zur Auswahl, die der Stadtregierung und der Bezirksvorstehung nicht genehm ist. Wenn die gewählt wird, dann ist es so. Auch das ist Demokratie.

 

Ich komme jetzt zu dem Ausblick, nämlich zu den Herausforderungen, die sich unserer Demokratie jetzt schon stellen und die sich in Zukunft wahrscheinlich noch konzentrierter stellen werden.

 

Das erste Thema betrifft Informationsquellen. Wir sehen, dass es den Standard, dass man sich am Abend die „ZIB 1“ anschaut und dann jeder mehr oder weniger das

 

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