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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 45 von 110

 

gleiche Informationsniveau und die gleiche Darstellung gelernt hat, einfach nicht mehr gibt. Die Informationsquellen sind viel diverser geworden. Viele Menschen informieren sich über Soziale Medien, über das Internet, über YouTube, also online. Gerade bei jungen Menschen werden Influencer immer wichtiger. Das hat natürlich auch eine gewisse Problematik, weil ein Influencer niemals einen Fakten-Check durchgehen muss. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Die Redakteure auch nicht!) Gut, das sei dahingestellt. (Heiterkeit bei der Rednerin.) Jemand, der einen Podcast macht, sagt seine Meinung. Das wird niemals gegengecheckt. Wenn das aber als Informationsquelle herangezogen wird, ist das durchaus in einem großen Ausmaß problematisch. Das heißt, wir haben immer mehr Informations-Bubbles. Ich glaube, wir müssen darüber reden, wie wir mit dieser Segregation an Informationsquellen umgehen können.

 

Im Spannungsfeld mit der Meinungsfreiheit steht auch die Frage, wie wir mit Fake News umgehen. Das ist eine wahnsinnig sensible Materie. Wie kann ich feststellen, was tatsächlich Fake News ist? Cancle ich es dann? Wie gehe ich mit Menschen um, die sagen, ihre Meinungsfreiheit ist dadurch beschnitten? Das muss diskutiert werden. Da müssen Instrumente gefunden werden, wie wir auf rechtsstaatlicher Ebene mit solchen Fragen umgehen können, ohne die Meinungsfreiheit zu beschneiden. Da hat Kollege Kowarik sehr recht: Die Meinungsfreiheit ist die Grundlage unserer Demokratie - auch die Meinung, die mir nicht passt. (Beifall bei der ÖVP sowie von GR Mag. Dietbert Kowarik und GR Stefan Berger.)

 

Auch wenn wir nicht gleicher Meinung sind, auch die Meinung von Kollegen Kunrath, auch die Meinung von Kollegen Kowarik: Alles das muss geäußert werden dürfen. Alles das muss gehört werden. Die Räume, die wir aus der Meinungsfreiheit ausschließen, die bei uns ja demokratisch beschlossen ist und hinter der wir auch zu 100 Prozent stehen, müssen aber so klein wie nur irgendwie möglich und vernünftig gehalten werden.

 

Eine weitere Herausforderung oder Entwicklung, die wir diskutieren müssen, wenn wir über Demokratie oder über Partizipation reden, ist das Thema - ich nenne es - Supranationalität, also die Entwicklung, dass immer mehr Entscheidungen auf ein supranationales Level verlagert werden - sei es die Europäische Union, seien es UN-Organisationen, seien es internationale Verträge.

 

Der Raum, der tatsächlich basisdemokratisch erschlossen oder bestimmt werden kann, wird natürlich immer kleiner. Auch das ist etwas, bei dem wir irgendwann einmal den Mut haben müssen, darüber zu sprechen. Wollen wir diese Entwicklung? Wenn wir sie wollen, dann müssen wir den Menschen aber auch sagen: Gut, darüber kannst du zwar eine Meinung haben, aber du kannst nicht darüber abstimmen, weil das bereits auf Ebene der EU oder einer UNO-Organisation beschlossen wird. Ich lasse das offen. Ich habe selber noch keine konsistente Meinung dazu, aber ich denke, wir müssen das auch ansprechen: Wie gehen wir damit um, wenn immer mehr Entscheidungen auf ein supranationales Level gehoben werden?

 

Als letzter und wahrscheinlich kontroversiellster Punkt: Wie gehen wir - Stichwort Klimakleber - mit kleinen radikalen Gruppen um, die versuchen, durch - ich habe gehört, das nennt man - zivilen Ungehorsam die öffentliche Ordnung zu stören, um ihre Meinung durchzusetzen und etwas zu erwirken? Auch das ist eine Gefahr für die Demokratie. Demokratie darf niemals die Schwäche erlangen, kleinen radikalen und unangenehmen Gruppen nachzugeben. (Beifall bei der ÖVP.) Da bedarf es starker Politiker, die diese Debatte weg von der Straße und in den Raum der Debatte holen. Es darf aber niemals sein, dass Politiker nur nachgeben, weil eine Gruppe unangenehm und militant ist.

 

Was ich als letzten Punkt anmerken möchte: Wir sehen bei einzelnen Diskussionen die Tendenz, Meinungen der - unserer Meinung nach - Mitte an den Rand zu drängen. Das war zuletzt bei diesen Drag-Lesungen der Fall, als es auf einmal hieß: die Rechtsradikalen. Ich möchte jetzt nicht auf das Thema eingehen, aber es ist eine schlechte Entwicklung, politische Meinungen, die einem nicht genehm sind, an einen radikalen Rand zu drängen. Warum? - Weil die Debatte dann am radikalen Rand stattfindet. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen die Debatte in einer gesitteten guten Redekultur in der Mitte haben. Ich warne bitte davor zu sagen: Diese Meinung gefällt uns nicht, das ist eine radikale Meinung, das sind lauter Fundamentalisten, wenn das nicht der Fall ist. Wenn diese Meinung von einer Mitte-Partei geäußert wird, dann müssen wir das so auch diskutieren können, ohne dass wir uns auf einmal am rechten Rand wiederfinden und die Radikalisierung voranschreitet. - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich GR Ellensohn gemeldet. Bitte.

 

13.28.24

GR David Ellensohn (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! In aller Kürze, weil die Vorrednerin gemeint hat, es ist schwierig, an das Zahlenmaterial zu kommen betreffend wie lange wer in Wien aufhältig ist: Im Integrationsmonitor 2020, der leicht online zugänglich ist, steht genau das drinnen, nämlich: 2020 sind 30,1 Prozent der WienerInnen ohne Staatsbürgerschaft. Wie lange sie in Wien aufhältig sind, ist genau aufgelistet. Davon sind mehr als die Hälfte, nämlich 53 Prozent, länger als 10 Jahre in Wien. Es sind sogar 80 Prozent mindestens fünf Jahre in Wien. Auch einen ganzen Haufen zusätzliches Material findet man im Integrationsmonitor. Die zuständige Bundesministerin hat aber auch ... (GRin Mag. Caroline Hungerländer: Warum beantragen ...) Es geht nur um eine tatsächliche Berichtigung. Gesagt wurde, es gibt die Zahlen nicht. Ich sage: Die Zahlen gibt es schon. (GRin Mag. Caroline Hungerländer: Ja, aber warum beantragen die nicht die Staatsbürgerschaft?) Ich führe ein paar Zahlen aus. Es gibt keinen Grund für Aufregung. Damit ist berichtigt, was vorhin gesagt wurde. Die Zahlen liegen nicht vor? Oh doch, die Zahlen liegen in aller Deutlichkeit vor, im Bundesministerium und beim Integrationsmonitor 2020. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

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