Gemeinderat, 37. Sitzung vom 25.04.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 95 von 103
nicht ernst genommen, und das ist etwas, das sie wirklich, wirklich frustriert, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Nicht nur das Personal leidet darunter, sondern auch die Patientinnen und Patienten, weil es einfach Versorgungslücken gibt, weil es Personalengpässe gibt und weil es Unterversorgung gibt. Ja, gut, dass es das Diabeteszentrum gibt, aber die Unterversorgung geht noch viel weiter: Wir haben Unterversorgung in der Transgendermedizin, sehr geehrte Damen und Herren - ganz dramatisch -, wir haben es bei den Kindern, und so weiter, und so weiter.
Was mich auch sehr ärgert, ist, dass diese Versorgungsmisere tatsächlich unser öffentliches Gesundheitssystem massiv unter Druck bringt. Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss diese Negativspirale gestoppt werden, denn die Wienerinnen und Wiener verdienen wirklich ein gutes Versorgungssystem, ein öffentliches Versorgungssystem, auf das sie sich verlassen können. Dieses sich darauf verlassen Können immer weniger, weil das Ausweichen in den Wahlarztsektor natürlich für viele nicht möglich ist. Jene, die es sich leisten können, tun es, aber die VerliererInnen sind jene, die das nicht können. Das ist keine Minderheit, sondern das ist die Mehrheit. Das ist die Mehrheit in der Wiener Bevölkerung und ganz besonders hart trifft diese Situation die armen und armutsgefährdeten Personen in dieser Stadt. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich darf Ihnen dazu ein paar Zahlen aus dem aktuellen Armutsbericht zitieren - es ist eigentlich gescheit, dass der Gesundheitsstadtrat auch Sozialstadtrat ist, aber ich muss sagen, in beiderlei Hinsicht versagt da die Stadtregierung -: In Wien sind 21,4 Prozent der Wiener Bevölkerung armutsgefährdet - das ist enorm viel. Mehr als ein Drittel der WienerInnen - das weiß man: Armut macht krank - hat chronische Krankheiten. 50 Prozent davon gehen nicht mehr zum Zahnarzt, und 3 Prozent von diesen Armutsgefährdeten haben überhaupt kein Geld und können deswegen gar nicht zum Arzt gehen, weil einfach viele Leistungen von der Kassa nicht bezahlt werden. Es ist also wirklich dramatisch und nicht für alle gleich, zum Glück, aber für viele ist diese Situation, wie sie sich darstellt, eine Gesundheitsgefährdung. Wir haben in Wien das Ziel der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit, das ist ein gutes Ziel, ein wichtiges Ziel, aber anhand dieser Zahlen und anhand dieser Entwicklungen sehen wir, dass wir uns von diesem Ziel immer weiter entfernen, und das können wir als GRÜNE so überhaupt nicht stehen lassen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich würde auch viel lieber von der Spitzenmedizin reden, aber aktuell sind die Krankenhäuser kranke Häuser - ja, so ist es - und sie sind Notfallpatientinnen geworden und sie brauchen wirklich all unsere Hilfe, damit sie besser werden und damit das Personal nicht länger über dem Limit arbeiten muss. Wir haben hier schon oft, aber offenbar ist das noch immer nicht ganz angekommen, diese Gefährdungsanzeigen, diese 70 und davon 25 in Ottakring, zitiert. Das ist kein Normalfall, und auch die 800 gesperrten Betten sind nicht normal. 690 ÄrztInnen und PflegerInnen fehlen, das wurde zuletzt, wer es gehört hat, gestern im Themenbericht im ORF ganz eindrücklich geschildert. Ich empfehle allen, die noch immer Zweifel haben, sich diese Sendung anzuschauen. Die Lage ist dramatisch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das Personal fühlt sich auch deswegen so allein gelassen, weil es natürlich eine hohe Ethik, eine hohe Arbeitsethik, eine Berufsethik hat, und diese nicht leben zu können, das schafft Frust. Die Leute gehen dann ins Burn-out, und so weiter und natürlich steigt auch die Fehlerhäufigkeit, weil der Druck steigt, und das kommt dann auf die PatientInnen negativ rüber.
Interessant ist - das war in dieser Sendung -, dass 17 Prozent der Pflegekräfte sagen, dass sie die Medikamente nicht zeitgerecht verabreichen können, und für die PatientInnen bedeutet das, dass sie länger mit Schmerzen im Bett liegen. Das alles ist ehrlich gesagt ein Wahnsinn! Eine Studie der Karl Landsteiner Universität attestiert, dass in dieser Befragung von 1.000 Pflegefachkräften 84 Prozent angeben, dass sie in den vergangenen 2 Wochen mindestens eine notwendige Tätigkeit an PatientInnen nicht machen konnten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, davon zu reden, dass die Versorgung perfekt funktioniert oder dass alles so ist, wie es sein soll, das ist wirklich Realitätsverweigerung, so kann man das auf keinen Fall stehen lassen. Verantwortlich dafür mache ich auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere der SPÖ, denn keine andere Fraktion stellte bislang die Gesundheitsstadträtin oder den -stadtrat. Sie haben das in der Summe zu verantworten. Mir ist schon bewusst, dass das strukturell alles schwierig ist und dass auch wir in Fünfjahresperioden denken, aber das Spitalswesen arm zu sparen, Druck auf das Personal auszuüben, weiter mit dünnen Personaldecken zu fahren und da immer mehr die Daumenzwingen anzudrehen, das ist tatsächlich Ihre Politik, die Sie zu verantworten haben. Da rede ich jetzt noch gar nicht vom Verschlafen der Pensionierungen und der alternden Gesellschaft, und so weiter. Es muss offenbar immer etwas passieren, damit gehandelt wird. Wir sind wirklich hinten nach! Die sogenannte Feminisierung, also dass die Medizin mittlerweile weiblich ist, das ist auch nicht eine von heute auf morgen entstandene Situation, sondern eine Entwicklung, genauso wie die Digitalisierung, aber auch die Alterung, und so weiter. Da werden einfach Entwicklungen verschlafen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich erinnere mich noch gut an die damalige Personalstadträtin Frauenberger, die gesagt hat, ja, die Besoldungsreform könne sie erst machen, wenn ein hoher Beamter weg sei. Man hat also schon gewisse Probleme gesehen, aber man hat sich einfach nicht drübergetraut. Ich glaube, das ist in vielen Bereichen so, man hat sich einfach nicht drübergetraut und man traut sich nicht drüber, und das fällt uns jetzt allen, auch Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, auf den Kopf, dass da in der Vergangenheit einfach kurzsichtig gehandelt wurde.
Fakt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Frust ist groß, die Flucht aus dem System ist die Folge all dessen, was wir heute diskutieren, und der Qualitätsstandard sinkt. Die Problematik des Klinikproblems ist logisch,
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