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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 25.04.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 103

 

denen es nicht möglich ist, aufzustehen und nicht sein soll, dass er aufsteht. Demente Patienten versuchen in ihrer Verwirrtheit und ihres Nichtbegreifens von Raum und Zeit immer wieder aufzustehen.

 

Deswegen haben wir vor über einem Jahr im AKH begonnen, etwas auszuprobieren, was wir jetzt auf alle Wiener Spitäler ausrollen, wir haben nämlich sehr erfolgreich die Sitzwache wieder eingeführt. Tatsächlich gab es das Modell der Sitzwache schon vor 100 Jahren in den Spitälern. Das war damals eine Aufgabe der damaligen Pflegekräfte. Dieses Modell ist dann im Laufe der Zeit verschwunden. Wir alle erinnern uns auch an die Debatte, wie wir eigentlich mit der Frage der Netzbetten umgehen. Diese und ähnliche Debatten haben wir vor 10 bis 15 Jahren, glaube ich, sehr anständig abgeführt. All das gehört zu diesem Fragenkomplex dazu.

 

Dieses Modell der Sitzwache hat sich als ein wirklich positives Modell gezeigt, weil es für Entspannung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Alltag, im Tag- und vor allem im Nachtdienst, führt, wenn jemand bei der dementen Person sitzt, mit dem sie sprechen kann. Die Person, die die Sitzwache ausübt, kann auf den Patienten oder die Patientin beruhigend einwirken und natürlich vor allem auch verhindern, dass die bettlägerige Person ihrem Empfinden nachgibt aufzustehen, obwohl das gar nicht passend ist.

 

Wir hatten übrigens im Jahr 2022 im Wiener AKH insgesamt 500.000 Pflegetage für stationäre Patienten, und davon hatten wir an immerhin 2.000 Tagen Sitzwache für demente Personen angefordert und auch durchgeführt. Das hat natürlich auch den wunderbaren, phantastischen Zusatzeffekt, dass wir freiheitsbeschränkende Maßnahmen um über 35 Prozent reduzieren konnten. Das ist also noch ein zusätzlicher Aspekt. Ich denke, dass das ein gutes Beispiel ist. Wir sind, wie gesagt, gerade dabei, diese Methode auf der Grundlage unserer jetzigen Erfahrungen in all unseren Spitälern auszurollen.

 

Sie wissen aber auch, dass es eine Österreichische Demenzstrategie gibt. „Gut leben mit Demenz“ heißt diese Strategie. Dieses Thema beschäftigt uns natürlich, und es sind auch MitarbeiterInnen aus Wien bei der Entwicklung und Weiterentwicklung dieser Demenzstrategie mit dabei. Es gibt wunderbare Handlungsempfehlungen, und wir beschäftigen uns in den Wiener Spitälern mit der Frage der Weiterentwicklung unserer eigenen Strategien und auch mit der Umsetzung dieses Österreichischen Demenzstrategiebereiches.

 

Wir haben daher trotz Covid-Pandemie schon den nächsten Schritt vorbereitet. Eigentlich haben wir schon ein fertiges Konzept für ein entsprechendes Projekt. Die Eckpunkte sind schon festgelegt, daher kann ich Ihnen das auch gerne mitteilen. Es geht um die Entwicklung und Implementierung eines interprofessionell ausgerichteten, abgestuften Schulungskonzeptes, womit wir einfach noch besser werden wollen und beim Wissenstransfer und bei der Wissensvermittlung noch weitergehen wollen.

 

Wir wollen auch diese Idee der Sitzwache noch weiter ausbauen und die Schaffung von intensivierten individuellen Betreuungen weiter vorantreiben. Wir wollen experimentieren und ausprobieren, was funktioniert, zum Beispiel durch die noch stärkere Einbindung von Angehörigen, wenn diese sich bereit erklären, zusätzliche Rooming-in-Situationen zu schaffen, et cetera.

 

Weiters wird es zusätzliche Basisinformationen als Teil der durchgängigen multiprofessionellen Dokumentation geben, und natürlich wird auch die Entwicklung von Fachstandards und Leitlinien ein zentraler Fokus sein. Es geht vor allem auch darum, die Mitarbeiter auf den Stand der Zeit und auf den Stand der medizinischen und wissenschaftlichen Entwicklungen der Behandlung von Demenzerkrankungen zu bringen. Wie wir wissen, ist das leider eine Erkrankung, für die es keine Heilbehandlung gibt. Die einzigen Methoden die wir im Augenblick kennen und die uns die Medizin zur Verfügung stellt, ist, den Verlauf abzubremsen und zu verlangsamen.

 

Selbstverständlich ist es auch ein Thema, wo immer es geht, die Kommunikation und die Interaktion mit den Angehörigen zu verstärken, zu verbessern und zu intensivieren. - Danke schön.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Danke. Die 1. Zusatzfrage wird gestellt von Frau GRin Matiasek. Bitte, Frau Gemeinderätin.

 

9.35.38

GRin Veronika Matiasek (FPÖ): Guten Morgen Herr Stadtrat. Danke für die ausführliche Beantwortung meiner Anfrage.

 

Im Fall von Demenz gibt es sehr viele Strategien. Man hat sehr viel erarbeitet. Wenn man es dann aber - wie ich es leider auch persönlich erfahren habe - wirklich mit einem schwer demenzkranken Menschen zu tun hat, dann wird oft vieles über Bord geworfen, weil manches einfach überhaupt nicht voraussehbar und planbar ist. Das macht eben die hohe Anforderung in einem Akutspital aus, wenn ein Mensch, der dement ist, wegen einer Fraktur oder einer sonstigen Verletzung ins Spital kommt. Das ist klar.

 

Sie haben jetzt die Sitzwache betont. Wir haben aber auf der anderen Seite einen Personalengpass, das ist unbestritten. Es gibt in anderen Städten die Einrichtung eines kleinen Spitals, das nicht alles, aber sehr vieles abdeckt, was ein Akutspital kann, und zwar im Rahmen einer Pflegeeinrichtung für demente Menschen. Können Sie sich vorstellen, dass das auch ein Modell für Wien werden könnte?

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf. StR Peter Hacker: Ja. Wir beschäftigen uns mit ähnlichen Fragestellungen. Sie wissen, dass einige der Pflegeeinrichtungen, die der WIGEV selbst betreibt, ja die Genehmigung als Krankenanstalt haben. Es sind dies keine Einrichtungen nach dem Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz, sondern Krankenanstalten, und wir haben bereits einige Stationen umgewandelt, allerdings weniger mit dem Fokus auf Akutbehandlung, sondern da geht es eher um die Nachbehandlung.

 

Das heißt, wir haben einfach das Phänomen, dass alte Menschen im Spital nach einem operativen Eingriff oder nach einer intensiven Behandlung länger zur Regeneration brauchen. Und wir haben einerseits immer ein schlechtes Gefühl, diese Patienten zu früh aus dem Spital zu entlassen. Andererseits ist eine wirklich intensive medizinische Behandlung im Spital für diese Patienten gar

 

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