Gemeinderat, 31. Sitzung vom 25.11.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 31
Gestern hat StR Peter Hacker in der Fragestunde gesagt - ich zitiere -: „Wir haben fundamentale Probleme im Gesundheitssystem, die man nicht wegblödeln kann, sondern wo es um die ernsthafte Auseinandersetzung geht, eine Neuorientierung unseres Gesundheitssystems.“ - Da hat er einmal grundsätzlich recht, allerdings wird, wenn ein Problem in unserer Wiener Gesundheitsversorgung auftritt, oft der Kopf in den Sand gesteckt und es werden andere Stakeholder beschuldigt. Zum Beispiel ist die Ärztekammer schuld, wenn ein Problem aufbricht, oder die niedergelassenen Ärzte sind faul und können die Versorgung nicht gewährleisten, oder die Sozialversicherungen sind schuld, oder der Bund ist schuld, oder irgendjemand anderer ist schuld. Man macht aber überhaupt keine Selbstreflexion, dass es zahlreiche Brandherde in der Gesundheitsversorgung gibt.
Letzte Woche ist eine Umfrage veröffentlicht worden, die besagt, dass 84 Prozent der Wiener Spitalsärzte einen anhaltenden und nachhaltigen Qualitätsverlust in der Gesundheitsversorgung und Engpässe in der Patientenversorgung sehen - 84 Prozent! Das müssen Sie sich einmal vorstellen! Wenn Sie einen Betrieb haben, in dem 84 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unzufrieden ist, haben Sie, glaube ich, einen Fehler gemacht.
Ich darf Ihnen noch ein paar Auszüge der letzten Wochen der Berichte geben: In der Kinderjugendheilkunde Klinik Floridsdorf arbeiten statt sieben Ärzten, die notwendig sind, um einen Betrieb aufrechtzuhalten, nur mehr drei. Der Primarius verlässt dort die Abteilung, weil er es nicht mehr zusammenbringt, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Was macht man? - Man klebt wieder ein kleines Pflaster da drauf und holt sich Personal aus der Klinik Donaustadt, Favoriten oder Ottakring. Das sind funktionierende Kinderabteilungen, die allerdings dort auch ausgedünnt und geschwächt werden, wenn man dort wieder Leute abzieht, um die Versorgung in Floridsdorf aufrechtzuerhalten. Meine Damen und Herren, ein Pflasterl bei einem Patienten, der schon völlig ausgeblutet ist, draufzupicken, na, das wird nicht funktionieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Zum Beispiel gibt es immer wieder Krisentreffen der Primarärzte der Unfallchirurgie, die unfallchirurgische Versorgung ist am Zusammenbrechen. Wir sehen auch bei den OP-Kapazitäten, zum Beispiel im AKH 30 Prozent weniger OP-Kapazität im Bereich der Urologie, Gynäkologie oder Viszeralchirurgie auf Grund von Pflegenotstand. Laut Gewerkschaft fehlen im AKH 200 Pflegefachkräfte, um die OPs laufen zu lassen, ebenso stehen in der Klinik Floridsdorf bis zu 30 Prozent der OP-Säle leer, teilweise werden in Ottakring wochenlang Operationssäle gesperrt. Auf der Neurochirurgie zum Beispiel: In Donaustadt werden 14 Betten gesperrt, im Krankenhaus Hietzing, Stand letzte Woche, waren 172 Betten gesperrt, davon in der Psychiatrie, Neurologie, Lungenabteilung oder Chirurgie. Das Beste ist noch die Zentrale Notaufnahme im Wilhelminenspital in Ottakring, da fallen dauernd die Monitore aus. Da kommen die Patienten, werden überwacht, EKG- und Blutdrucküberwachung und plötzlich ist der Monitor schwarz. Das ist zwar ein EDV-Problem, aber das ist vom arbeitstechnischen Prozess her ein Wahnsinn.
Ich darf noch ein paar Schlagzeilen zitieren: „Wiener Spitälern fehlen mehr als 1.800 Arbeitskräfte“, „In Wien sind zur Zeit 714 Betten wegen Mangel an Pflegepersonal gesperrt“, das entspricht der Größe des Krankenhauses Landstraße. Ein anderes Problem ist zum Beispiel, dass in Wien auch keine Personen mehr leitende Funktionen im Wiener Gesundheitsverbund ausüben möchten. Warum nicht? - Weil diese Überbürokratisierung ja zum Himmel schreit. Ich habe das schon einmal erzählt. Eine Krankengeschichte vor 20 Jahren hat 5 cm Dicke gehabt, jetzt hat sie 25, ist 5 Mal so groß, ohne mehr Informationsgewinn, weil die Bürokraten uns immer mehr Zetteln und Aufgaben an den Hals hängen.
Ein Vierteljahr Wartezeit für die Schmerztherapie laut Rechnungshofbericht ist nicht akzeptabel, das ist eine sehr schmerzliche Wartezeit für die Patientinnen und Patienten. Interimistische Leitungen in Wien sind zum Beispiel laut Anfragebeantwortung mit 3,5 Jahre beziffert, bis zu 12 Jahre gibt es dort keinen Abteilungsvorstand in einer Abteilung. Das ist ebenfalls untragbar.
Meine Damen und Herren, dieses Desaster im Gesundheitssystem wird regelmäßig von den Parteien abgenickt, derzeit sind es die NEOS, vor ein paar Jahren waren es die GRÜNEN. Es kommt mir vor wie dieser Wackeldackel, es wird immer abgenickt, aber es passiert eigentlich nichts mehr. (Heiterkeit bei GR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.)
Die klassischen Beispiele der Fehlplanung möchte ich auch hier in einem Antrag formulieren. Es geht zum Beispiel um die Forensik. Die Forensik, das ist die Psychiatrie, wo Schwerverbrecher und Sexualstraftäter behandelt werden. Das war im Otto-Wagner-Spital der Fall und soll ins Kaiser-Franz-Josef-Spital nach Favoriten übersiedelt werden. Jetzt gibt es eine Zwischenlösung und diese Sexualstraftäter und Schwerverbrecher sollen in das Krankenhaus Hietzing übersiedelt werden. In unmittelbarer Nähe ist ein Kindergarten, also für einen Sexualstraftäter ist das ja ein Leckerbissen, wenn der dort hinausschaut. Sie brauchen nicht zu glauben, dass die psychiatrischen Patienten, obwohl es natürlich eine geschlossene Abteilung ist, es nicht schaffen, aus diesen Abteilungen hinauszukommen. Im Sommer wurde ein psychiatrischer Patient aus Hietzing am Karlsplatz aufgegriffen, in Patientenkleidung mit dem Patientenband und ist dort lustig über die Kärntnerstraße marschiert.
Wir haben auch schon gestern die Änderung der Pläne im Gesundheitssystem besprochen. Wir leben in Wien, es ist ja schon fast Dreivierteltakt, jedes Dreivierteljahr kommt da wieder ein neuer Plan, der nicht nachvollziehbar ist und auch immer teuer wird. Die sogenannten Partnerspitäler, die groß proklamiert worden sind, funktionieren in Wahrheit nicht. Ich bin Herzchirurg, wir haben manchmal Patienten, die einen Harnkatheter brauchen. Den brauchen sie eigentlich immer bei einer Herzoperation. Wenn man den nicht hineinbekommt, weil er Prostataleiden hat, muss man ein bis zwei Stunden warten, bis ein Urologe von der Klinik Donaustadt nach Floridsdorf fährt, um dort einen Harnkatheter zu setzen. Im Wilhelminenspital werden Röntgenuntersuchungen ausgelagert,
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