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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 67 von 103

 

Wien hat noch etwas Besonderes, was es in dieser Form nur in ganz wenigen Städten gibt: In Wien gibt es eine Zusammenarbeit von vielen kleinen lokalen Unternehmungen im Grätzl. Diese UnternehmerInnen setzen sich am Abend zusammen, tauschen sich aus, erarbeiten im Grätzl gemeinsam Ideen und setzen diese Ideen um, und dafür gründen sie sogar eigene Vereine. Kurz: In Wien gibt es diese Wiener Einkaufsstraßenvereine, die Sie alle kennen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich glaube, seit den 50er oder 60er Jahren organisieren sich Geschäftsleute in allen 23 Bezirken in knapp 75 Einkaufsstraßenvereinen, und diese Vereine betreiben nicht nur gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit für das Grätzl, sondern sie veranstalten auch sehr beliebte Straßenfeste. Einige wurden schon in der Begründung erwähnt. Sie kennen sicherlich die „Remasuri“ in der Wollzeile. Ich liebe dieses Wort „Remasuri“, das ist ein aussterbendes Wiener Wort. Weiters gibt es das Straßenfest in der Währinger Straße und zum Beispiel auch den Flohmarkt in der Neubaugasse. Dadurch wird natürlich ein wichtiger Beitrag zur Nahversorgung geleistet. Darüber hinaus - und das ist ebenfalls ganz wichtig - spielen diese Veranstaltungen eine ganz wichtige Rolle für ein lebendiges Zusammenleben im Grätzl. Menschen, die zu einem Straßenfest kommen, lernen einander kennen, man tauscht sich aus, Kinder spielen miteinander, Freundschaften entstehen, kurz: Es entsteht quasi ein dörfliches Leben im Grätzl beziehungsweise im Stadtteil, und das ist eigentlich das, was wir alle uns für die Stadt wünschen.

 

Darüber hinaus leisten Einkaufsstraßenvereine natürlich auch einen wichtigen Beitrag für einen lebenswerten und attraktiven öffentlichen Raum und, was auch ganz wichtig ist, für die Sicherheit des öffentlichen Raumes. Sie leisten einen Beitrag für viele lokale Netzwerke. Und ich betone immer wieder: Sie leisten einen Beitrag für ein gutes Miteinander im Stadtteil zwischen UnternehmerInnen und der Bevölkerung im Grätzl, was im Endeffekt wiederum ein gutes Leben für uns alle bedeutet. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Diese lokal fest verankerte Alltagsökonomie ist sehr krisenfest, und ich glaube, gerade in Pandemiezeiten hat sich gezeigt, wie wichtig solche lokalen Netzwerke sind und wie wichtig eine Wirtschaft der kurzen Wege ist.

 

Vor wenigen Tagen haben wir jetzt erfahren, dass man nun sechs Grätzl besonders unterstützen möchte. Es handelt sich dabei um die Praterstraße, um die äußere Favoritenstraße, um die Simmeringer Hauptstraße, die Hernalser Hauptstraße, die Döblinger Hauptstraße und auch um das Zentrum Floridsdorf. - Es ist dies eine Initiative - das betone ich wirklich noch einmal -, die auch ich sehr begrüße. Ich finde es gut, dass wir bestimmte Grätzl besonders unterstützen.

 

Ich möchte aber auch klar festhalten, weil dieses Thema sicherlich kommen wird, dass wir GRÜNEN auch immer gesagt haben, dass wir auch für eine Evaluierung, Verbesserung und Reform dieser Förderung sind. Das haben wir nie bestritten, und das gilt nach wie vor. Wir sind für diese Evaluierung, Evaluierung bedeutet aber sicherlich nicht, dass es zu einer kompletten Streichung der gesamten Geschäftsstraßenförderung für alle kommt. Alle 75 Vereine bekommen jetzt nämlich kein Geld mehr. (Beifall bei den GRÜNEN.) Gut funktionierenden Einkaufsstraßenvereinen die komplette Existenzbasis zu nehmen, kann ganz sicher nicht im Interesse der Stadt sein! Und nicht zu vergessen: Das würde auch den Tod - wobei ich das Wort nicht leichtfertig verwende, sondern das sage, weil es wirklich so ist - vieler Einkaufsstraßenvereine bedeuten, und ich denke, den Tod vieler Einkaufsstraßenvereine will hoffentlich niemand hier! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Das umso mehr, weil darüber hinaus natürlich noch einige ganz andere Herausforderungen dazukommen. Ich zähle jetzt nicht alle Krisen auf. Sie kennen das mittlerweile und haben es oft gehört. Neben den Krisen vergisst man aber auch stets, dass der Online-Handel zusätzlich noch wächst. Man vergisst die Transformation, die gerade im gesamten Handel stattfindet. Die UnternehmerInnen müssen also nicht nur die stark steigenden Kosten tragen, die jetzt vor allem im nächsten Jahr auf sie zukommen werden, sondern sie haben auf der anderen Seite natürlich auch die einbrechende Konjunktur und den Kaufkraftverlust der KonsumentInnen zu verkraften. Das bedeutet, dass es von beiden Seiten wirklich zu einer Verschärfung kommt, und ich denke, damit ist auch die Existenz vieler kleiner HändlerInnen und DienstleisterInnen in Wien bedroht.

 

Sehr geehrter Herr Stadtrat! Ich bitte dich daher - und ich schaue dabei auch Herrn Kollegen Ornig an -, die komplette Streichung dieser Einkaufsstraßenförderung noch einmal zu überdenken. Reden wir über Evaluierung, reden wir über Verbesserung, reden wir darüber, was wir gescheiter machen können! Schaut euch das aber bitte noch einmal an: Eine komplette Streichung für alle wäre wirklich schrecklich und würde tatsächlich einen großen Schaden anrichten! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Wir bringen dazu heute natürlich auch einen Antrag ein. Wir haben aber noch etwas. Wir haben Geschichten von lebendigen Grätzl-Initiativen gesammelt und in diesem Buch, das ich hier habe, zusammengefasst. Es ist dies ein Buch über das Wiener Grätzl, über Geschichten aus dem Grätzl, über Wirtschaft aus dem Grätzl, über anders Wirtschaften im Grätzl, über neue Ideen, neue Stimmen und über Menschen, die im Grätzl leben und wirtschaften. Dieses Buch möchte ich dir gerne überreichen, lieber Herr Stadtrat. (Geschieht.)

 

Herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Ich danke dem Herrn Gemeinderat für die Begründung. Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Amtsführende Stadtrat der Geschäftsgruppe für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke zum Wort gemeldet, und ich erteile es ihm. Bitte.

 

16.21.26

Amtsf. StR KommR Peter Hanke|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche heute ein weiteres Mal einen schönen Nachmittag.

 

Lieber Hans! Ich sehe das so wie du: Das Grätzl soll leben, und diese Initiative, die wir hier setzen, soll genau

 

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