Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 103
der Online-Handel wächst rasant, und Geschäftsinhaber müssen sich stark steigenden Kosten durch die Teuerung und Umsatzeinbußen durch die einbrechende Konjunktur stellen. Damit ist die Existenz vieler kleiner Händler bedroht.
In Anbetracht dieser aktuell wirtschaftlich äußerst angespannten Situation ist es völlig unverständlich, warum die Stadt Wien die funktionierende Kooperation von GeschäftsinhaberInnen mit der Streichung der Mittel für die Einkaufsstraßenvereine aufs Spiel setzt, statt die krisengebeutelten Unternehmen aller Wiener Einkaufsstraßen bestmöglich zu unterstützen.
Die unterzeichnenden GemeinderätInnen stellen daher gemäß § 16 WStV mit § 36 Geschäftsordnung Gemeinderat folgende Dringliche Anfrage:
Erstens: Die bisher gültige Geschäftsstraßenförderung zielt unter anderem drauf ab, die Attraktivität der Geschäftsstraßen zu erhöhen. Wie verfolgt die Stadt Wien dieses Ziel in Bezug auf Geschäftsstraßen weiter, die nicht in eines der sechs neu definierten Geschäftsquartiere der kürzlich vorgestellten Nahversorgungsförderung fallen?
Zweitens: Die bisher gültige Geschäftsstraßenförderung definiert positive Auswirkungen auf Vernetzung, Kooperation und Koordination zwischen den Gewerbebetreibenden als Ziel. Wie wird dieses Ziel in Bezug auf Geschäftsstraßen weiterverfolgt, die nicht in eines der sechs neu definierten Geschäftsquartiere fallen?
Drittens: Die bisherige Geschäftsstraßenförderung konstatiert, dass die oben genannten und eine Reihe weiterer Ziele am besten erreicht werden, wenn die Aktivitäten in Geschäftsstraßengebieten nicht als singuläre oder punktuell individuelle Akzente gesetzt werden, sondern in Form eines zwischen den Vereinsmitgliedern abgestimmten Maßnahmenpaketes durchgeführt werden. Wie kann dieses Ansinnen in Bezug auf Geschäftsstraßen, die nicht in eines der sechs neu definierten Geschäftsquartiere fallen, weiterverfolgt werden?
Viertens: Inwiefern waren Sie als zuständiger Stadtrat in die Reform der Nahversorgungsförderung eingebunden?
Fünftens: Nach welchen Kriterien wurden die sechs Geschäftsquartiere ausgewählt, die jetzt ganz besonders gefördert werden?
Sechstens: Warum wurden bei der Definition der Geschäftsquartiere die inneren Bezirke vernachlässigt?
Siebentens: Welche StakeholderInnen auf Ebene der Stadt Wien wurden in die Neuausrichtung der Nahversorgungsförderung einbezogen?
Achtens: Welcher Auftrag an die Wirtschaftsagentur war mit der aktuellen Erhöhung der Mittel für Nahversorgung verbunden?
Neuntens: Was war die Entscheidungsgrundlage der Stadt Wien für den Auftrag an die Wirtschaftsagentur, die Nahversorgungsförderung auf neue Beine zu stellen?
Zehntens: Nahversorgung der Bevölkerung ist überall wichtig, nicht nur in definierten Geschäftsquartieren. Was plant die Stadt Wien, um dem Wunsch der Bevölkerung nach einer gut funktionierenden Nahversorgung außerhalb der aktuell definierten Geschäftsquartiere nachzukommen?
Mit der Neuausrichtung der Nahversorgungsförderung ist auch die neue Marke der WKW MeinKaufWien, Wirtschaftskammer Wien, verbunden, die auch Einkaufs-Center umfasst. Inwiefern ist angedacht, auch Einkaufs-Center aus den Mitteln der Nahversorgung zu fördern?
Zwölftens: Was gedenkt die Stadt Wien zu tun, um funktionierende Einkaufsstraßen dabei zu unterstützen, auch künftig weiterhin einen wertvollen Beitrag zur Nahversorgung in der Stadt, insbesondere gegen zunehmenden Kaufkraftabfluss in Online-Handel leisten zu können?
Gemäß § 37 der Geschäftsordnung des Gemeinderates wird beantragt, dass die Anfrage verlesen und mündlich begründet werden kann und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfindet.“
Danke.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Vielen Dank für die Verlesung. Für die Begründung der Dringlichen Anfrage sieht die Geschäftsordnung gemäß § 37 Abs. 1 eine Redezeit von 20 Minuten vor. Zur Begründung der Dringlichen Anfrage erteile ich nun Herrn GR Arsenovic das Wort.
GR Johann Arsenovic (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Stadtrat! Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen vor den Schirmen!
Sie können sich sicherlich alle noch daran erinnern, dass am Anfang der Pandemie die Schutzmasken auf einmal rar wurden, weil sie in Asien produziert wurden, und die Lieferungen ausblieben. Und die meisten von euch können sich sicherlich auch noch daran erinnern - ich habe es hier auch schon einmal erzählt -, dass das Frachtschiff „Ever Given“ damals für sechs Tage den Suezkanal, eine wichtige Wasserstraße, blockiert hat. Damals stand auf Grund dieser Blockade die halbe Weltwirtschaft vor dem Kollaps, weil gerade viele Teile irgendwo in einem Frachtcontainer in einem Frachtschiff waren und das Frachtschiff halt irgendwo in einem Weltmeer im Stau gestanden ist. Und weil diese Teile fehlten, stand die Weltwirtschaft wirklich knapp vor einem Kollaps. Produktionen standen damals still, Lieferketten wurden unterbrochen.
Die Conclusio von damals war: So können wir nicht mehr weitermachen. Und der gute Aspekt von damals war, dass es doch sehr breite Zustimmung - ich glaube, in diesem Haus eine einstimmige Zustimmung - gab, dass wir eine kleinteilige, nachhaltige und vor allem eine lokale Wirtschaft und auch eine lokale Produktion fördern müssen.
Lokale Netzwerke und das Wirtschaften der kurzen Wege machen eine Stadt lebenswert, und was auch wichtig ist: Sie machen sie viel widerstandsfähiger. - Die positive Nachricht in diesem Zusammenhang: Die Stadt Wien hat diese notwendige Vielfalt, die Wiener Wirtschaft ist sehr kleinteilig. Sie wissen das: Die meisten Wiener Unternehmer sind Kleinstunternehmen, und dadurch wird die Stadt natürlich gegen Krisen, aber auch sonstige Herausforderungen viel widerstandsfähiger. Die Stadt ist eben viel resilienter gegen diese Herausforderungen.
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