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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 18.10.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 103

 

in Fächern aushelfen müssen, für die sie nicht spezialisiert sind. Sie wissen, man braucht drei Jahre Facharzt- oder Fachärztinnenausbildung, und jetzt müssen in kurzen Crash-Kursen Ärztinnen und Ärzte diese Versorgungslücken schließen. So kann es nicht weitergehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es ist offensichtlich, dass immer mehr Versorgungsstrukturen im Spitalswesen der Stadt Wien nicht nur einbrechen, ja, sogar zusammenbrechen. Es zeigt sich eindeutig, dass da schon seit langer Zeit sehr tiefgreifende Strukturprobleme, Kollege Seidl hat es auch gesagt, existieren und eigentlich bislang nicht behoben werden konnten. Es ist also so wie bei unbehandelten Krankheiten, kommt mir vor, sie werden mit der Zeit immer schlimmer und schlimmer. So ist es auch da, dass die unbehandelten strukturellen, personellen und organisatorischen Probleme der städtischen Spitäler eigentlich auch immer größere Lücken hervorrufen. Ich finde es fast ein bisschen zynisch, wenn dann in den Zeitungen von verantwortlicher Stelle von Frühwarnsystemen gesprochen wird, wenn es um Gefährdungsanzeigen geht.

 

Das sind keine Frühwarnsysteme mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Ultima Ratio, wenn kein anderer Lösungsweg mehr greift und wirklich Gefahr in Verzug ist. So hat zum Beispiel der Primar in der Urologie im AKH darauf hingewiesen, dass bis zu 80 Prozent der Betten dort gesperrt werden. Dementsprechend hat er eine Gefährdungsanzeige gemacht, um auf die enorm langen Wartezeiten, die dadurch entstehen, hinzuweisen. Und was ist passiert? - Bei allen Normalen, würde ich eigentlich sagen, die sich dieser Problematik stellen, müssten da wirklich die Alarmglocken schrillen. Gesundheitsstadtrat Hacker hat das, glaube ich, einfach mit einem Schulterzucken abgetan. Er spielt die Probleme herunter und meint, das sei so einfach ganz normal, die ganze Welt hätte derzeit Probleme beim ärztlichen Personal, also bezüglich Personalmangel. Er sagt sogar, ich zitiere aus der „Kronen Zeitung“ vom 7.10., das sei „nix Besonderes und nix Aufregendes“.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn solche Zustände als normal und als nichts Besonderes wahrgenommen werden, dann muss ich wirklich sagen, da fehlt jegliche Problemeinsicht. Da fehlt jegliches ernsthaftes Sich-Annehmen um die Situation, die sich in den Wiener Spitälern zunehmend dramatisiert. Was ich auch sehr pikant finde, ist, ehrlich gesagt, dass Gesundheitsstadtrat Hacker dem Primar, der auf diese Missstände in der Urologie hingewiesen hat, dann die Interne Revision als Antwort schickt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist definitiv ein Weg, wie man Probleme nicht behandelt, sondern das ist eindeutig ein Einschüchterungsversuch. Das hat nichts mit normalen Managementinstrumenten zu tun, wie es Herr StR Hacker nennt, sondern da geht es ganz klar darum, Druck auf Menschen auszuüben, die auf die ungesunden und gefährlichen Zustände hinweisen.

 

So kann es wirklich nicht weitergehen. Da muss endlich eine neue Sichtweise, ein neues Herangehen greifen, denn es kann wirklich nicht sein, dass Menschen, die die Wahrheit ansprechen und ans Licht bringen wollen, die die Öffentlichkeit auch informieren wollen, unter Druck gesetzt werden. (Beifall bei den GRÜNEN.) Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, dass man sich mit dem Personal des Spitals wirklich zusammensetzt und nach Lösungen sucht und eine Kommunikation des Miteinanders geht, anstatt Drohgebärden zu präsentieren.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist dem noch nicht genug, was sich da tagtäglich eigentlich vor unseren Augen in den Spitälern abspielt. Ich finde es auch bezeichnend, dass Gesundheitsstadtrat Hacker sich jetzt auch anschickt und der Ärztekammer - ich bin nicht unbedingt ein Fan der Ärztekammer, aber in dieser Frage, denke ich, hat sie sehr wohl recht mit ihrer Kritik - die Kontrollmitspracherechte bei der Ausbildung von ÄrztInnen entziehen will. Das ist in keinem anderen Bundesland so. Wien geht da wieder einmal einen eigenen Weg und nimmt der Ärztekammer diese Funktion. Das heißt, nur die Verwaltung wird sich selbst kontrollieren, und ich halte das für wirklich einen großen Fehler. Ich kritisiere auch, dass Ärztepraxen sich selbst evaluieren, wenn es um die Qualität geht, und genauso kritisiere ich, wenn sich die ärztlichen Ausbildungseinrichtungen der Stadt zukünftig selbst kontrollieren sollen.

 

Also wenn wir hier von qualitativ hochwertiger Ausbildung sprechen wollen, dann müssen auch die ExpertInnen, und das sind die Ärztinnen und Ärzte der Ärztekammer, auch ein Wörtchen mitreden können. Alles andere, was StR Hacker da demonstriert, ist einfach reine Machtpolitik und hat mit Qualitätssicherung definitiv nichts zu tun.

 

Wir hatten vor Kurzem einen Sondergemeinderat genau zur Problematik der Wiener Spitäler, und ich habe damals gesagt, der Patient städtische Spitäler liegt vor uns und ist schon ziemlich krank. Meine Sorge ist, sehr geehrte Damen und Herren, dass es seit damals nicht wirklich besser geworden ist, sondern ich mache mir wirklich große Sorgen um unsere Spitalsversorgung. Die Gesundheitskrise nimmt ja nicht ab. Ich würde es ja gerne glauben wollen, aber sie nimmt nicht ab. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall, es wird immer schlechter. Immer mehr Betten werden gesperrt, eine ganze Klink könnte mittlerweile eigentlich gesperrt sein, so viele Betten sind schon gesperrt. Und ich frage mich eigentlich, was als Nächstes aufpoppt. Wo tauchen die nächsten Probleme auf, welche Abteilung wird als nächstes zusperren müssen, weil es hinten und vorne mangelt? Ich sehe wirklich einen drohenden Kollaps für den Wiener Gesundheitsverbund auf uns zukommen. Es ist offensichtlich, dass mit diesen bestehenden Strukturen die Gesundheitsversorgung für die Wienerinnen und Wiener so nicht länger wird gewährleistet sein können. Der Druck auf das Personal nimmt extrem zu, und immer mehr Menschen drohen, aus dem System des Spitals auszuscheiden.

 

Sie kennen vielleicht aus der Klimaforschung den Begriff des Kipppunktes. Damit ist gemeint, dass eine Entwicklung nicht mehr reversibel ist, dass sie nicht mehr gestoppt werden kann. Ich frage mich, wenn das so weitergeht, ob wir in der städtischen Gesundheitsversor

 

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