Gemeinderat, 25. Sitzung vom 28.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 106
schen, deren Vorfahren umgekommen sind, heute wieder eine Staatsbürgerschaft bekommen.
Damit bin ich auch beim Thema, bei dem ich sein möchte, nämlich bei der Erinnerungspolitik. Ich werde mir heute nur einen kleinen Ausschnitt wählen, nämlich den der Straßennamen. Thomas Weber hat heute den Satz begonnen, aber niemals beendet, was er von der Straßennamensituation hält, ob er mit mir gemeinsam hier einen Weg gehen möchte, hier gemeinsam Veränderungen zu schaffen.
Die GRÜNEN in der Leopoldstadt haben eine Initiative gesetzt, mit Unterstützung der anderen Parteien dann gemeinsam, entlang des Donaukanals, auf der Seite des 2. Bezirkes, Frauen, die im Widerstand waren oder im KZ getötet wurden, entsprechende Plätze zu widmen und Abschnitte dieser Donaukanalzeile nach ihnen zu benennen. Für mich persönlich war es eine große Freude, dass Friedl Dicker-Brandeis einen dieser Abschnitte bekommen hat, denn es hat mich, ich kann es nicht einmal genau sagen, warum, einmal plötzlich gefesselt, mich mit ihr auseinanderzusetzen, mich mit ihr zu beschäftigen, vielleicht auch ein Stück weit, weil sie etwas getan hat, was nicht so selbstverständlich ist. Sie hat im KZ mit Kindern gezeichnet und gespielt, Musik gemacht, ihnen Ablenkung gegeben, obwohl sie selbst in der gleichen Gefahr war wie all die anderen und dann auch entsprechend behandelt worden ist und umgekommen, ermordet worden ist. Sie wurde wie all die anderen, die auf dieser Zeile sind, von den Nazis ermordet. Das müssen wir sehen, das müssen wir entsprechend beachten und das müssen wir entsprechend würdigen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Frauen haben in Wien auf Straßen oft kein leichtes Leben, lediglich 7 bis 8 Prozent aller Straßennamen sind nach Frauen benannt. Ich glaube, da sollten wir endlich weiter daran arbeiten, dass diese Zahl erhöht wird. Nur die Seestadt ist ja eine rühmliche Ausnahme. Es mag den ein oder anderen Grund geben, dass in der männlich dominierten Vergangenheit Frauen nicht genügend erwähnt wurden, aber Hamburg zeigt auch ein Beispiel, wo man Straßennamen nach EhepartnerInnen gemeinsam benennt und nicht nur nach dem Mann, der halt zufällig auch eine Leistung vollbracht hat. Ein zumindest für mich erster Schritt. So kann auch Erinnern und Widmen beginnen. Wien ist auf diesem Weg ja ähnliche Schritte gegangen, zwei oder drei Namen fallen mir ein. Das ist einerseits der Augustin-Platz im 7. Bezirk und der Schlesinger-Platz im 8. Bezirk, die ja jetzt nach zwei Personen benannt sind, und nicht mehr nach einer. Benennungen aber sind so eine Sache.
Kollege Schmid, wir sind uns ja oftmals in der Erinnerungskultur- und -politik einig (GR Dr. Gerhard Schmid nickt.), aber da sage ich: Widerspruch, Gerhard, Widerspruch, dass du deine These zur Kontextualisierung und Erinnerungspolitik des Antisemitismus sagst. Kollege Gorlitzer hat heute die Zahlen der Beobachtungsstelle gegen Antisemitismus genannt. Sie steigen, und wir müssen weiter intensiv daran arbeiten, dass sich dieser Trend umkehrt, dass dieses Sich-Steigern endlich aufhört.
Es ist nichts Neues und wir sind alle daran, diese Änderungen zu schaffen oder versuchen, diese Änderung zu schaffen. Jeder und jede müssen sich aber auch weiterentwickeln und weiterlernen. Ich bin seit vielen, vielen Jahren in der Erinnerungspolitik tätig und viel hat sich in dieser Zeit verändert, viele Ansätze sind neu. Begonnen hat man bei Begrifflichkeiten, die sich verändert haben, bei Bezeichnungen. Simon Inou hat erst unlängst den Ari-Rath-Preis für seine Arbeit über Antirassismus bekommen, genau weil er das erkennt und weil er sagt: Es kann nicht mehr so sein, es kann keine Große Mohrengasse und keine Kleine Mohrengasse geben, es muss sich Veränderung ergeben.
Ich wünsche mir heute, dass wir alle hier engagierten Jugendlichen, die Jüdische HochschülerInnengemeinschaft, Doron Rabinovici, unterstützen oder auch Nobelpreisträger Eric Kandel. Sie alle meinen und sind davon überzeugt, dass Kontextualisierung beim Lueger-Denkmal nicht genügt. Es schmerzt uns, dass Karl Lueger, einer der prononciertesten Antisemiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, immer noch im Herzen Wiens geehrt wird. Wir sind überzeugt, dass der Platz umbenannt, und das Denkmal entfernt werden muss. (Beifall bei den GRÜNEN.) Das sagen neun Überlebende des schrecklichen Verbrechens der Geschichte, weil Adolf Hitler Lueger verehrt und als Vorbild gesehen hat. Ich finde, dieser Platz und dieses Denkmal müssen dort nicht mehr so sein. Es gibt andere Möglichkeiten, Denkmäler entsprechend wohin zu stellen. Die Frau Stadträtin hat ja dazu schon einen Prozess gestartet, und das ist aus meiner Sicht aus der Opposition ein bisschen ins Stocken geraten.
Wir müssen dabei nicht mutig sein, hier Veränderung zu schaffen. Es bedarf aus unserer Sicht mehr als Kontextualisierung. Veränderung ist in vielen anderen Bereichen für uns alle genauso eine Selbstverständlichkeit. Wir sagen viele Begriffe heute nicht mehr, die früher mit einer Selbstverständlichkeit genannt wurden, wir können genauso Denkmäler verändern. Es würde jeden irritieren, wenn plötzlich noch immer Nazi-Denkmäler in Wien herumstehen und dann kontextualisiert werden würden, indem „war größter Verbrecher der Erde“ oder sonst irgendwas daruntergeschrieben ist. (GR Mag. Manfred Juraczka: Der Vergleich ist ziemlich widerlich!) Am heutigen Universitätsring ist es gelungen, ich bin überzeugt, beim Stubentor gelingt es uns gemeinsam ebenso.
Übrigens, für mich ein schönes Beispiel, wie wir hier weiterarbeiten können: Am 11. Oktober dieses Jahres, zu seinem 100. Geburtstages, bekommt der Deserteur Richard Wadani einen Gemeindebau nach ihm benannt. Darauf freue ich mich, und ich danke allen, insbesondere StRin Kathrin Gaál, dafür, dass wir da etwas gemeinsam erarbeitet und gemeinsam ein Ziel geschafft haben. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Die Redezeit sind jetzt acht Minuten gewesen. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Baxant. Ich erteile es ihm, selbstgewählte Redezeit sieben Minuten.
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