Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 103
gut leisten können. Und wir wissen alle, dass es 100 Mal vernünftiger ist, Arbeit zu finanzieren, vernünftige und gute Arbeit zu finanzieren, als Arbeitslosigkeit zu verwalten. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und das Volumen an Gütern und Dienstleistungen ist tatsächlich riesig: Das Volumen an Gütern und Dienstleistungen, die die Stadt vergibt, entspricht rund 5 Milliarden EUR pro Jahr. Das heißt, es braucht den entsprechenden politischen Willen, hier auch arbeitsmarktpolitisch nachhaltig zu handeln.
Und weil ja diese Debatte hier auch einen EU-Bezug hat, kann ich Ihnen Mut machen: Es gibt mittlerweile ganz, ganz viele Best-Practice-Beispiele, leider nicht aus Wien, sondern aus Barcelona und aus mittlerweile 50 weiteren spanischen Städten, die die Vergabe von bestimmten baulichen Leistungen - das wäre auch im Gemeindebau möglich, da gab es eine gute Praxis, dass soziale Unternehmen im Gemeindebau Sanierungen gemacht haben, und auch denen wurde der Vertrag übrigens nicht verlängert - mit Maßnahmen beruflicher Arbeitsmarktintegration verknüpfen. In Italien ist das genauso: Viele Kommunen greifen bereits auf soziale Unternehmen, die langzeitarbeitslose Menschen beschäftigen, zurück. Und auch in Straßburg - eines der absolut ambitioniertesten Beispiele - und von Straßburg ausgehend in ganz Frankreich verbreitet sich die Idee, dass der Staat, dass die Kommune im Sinne eines Einkäufers im Sinne des Gemeinwohls vorbildlich vorangeht und damit zur Etablierung sozialer Märkte beiträgt. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Europa macht es also vor, und Graz wird schneller sein als Wien. Graz wird es umsetzen, und Wien bleibt das leider schuldig. Wie schade! Denn was ich mir wirklich wünsche, sind Mut und Innovation auch in der Arbeitsmarktpolitik, gerade in der Arbeitsmarktpolitik in Wien. - Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Das waren ein bisschen mehr als sieben Minuten. Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist GR Mag. Gstöttner. Selbstgewählte Redezeit sechs Minuten. Sie sind am Wort.
GR Markus Gstöttner, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus!
Es ist klar, dass sich der Rechnungsabschluss 2021 noch auf ein Budget und auf ein Jahr der Krise bezieht, in diesem Fall ein Jahr der Corona-Pandemie, und es ist auch vollkommen klar, dass es in so einem Rechnungsabschluss dann im Vergleich zum Voranschlag zu Abänderungen, zu Verbesserungen, zu Verschlechterungen, aber definitiv zu Dingen kommt, die man so nicht vorhersehen konnte, und das werden wir an sich nicht bekritteln. Gerade bei solchen Budgets in solch unsicheren Krisenjahren ist es aber wichtig, dass man präzise und transparent kommuniziert und dass es die notwendige Zeit und auch die notwendige Debatte für die parlamentarische Kontrolle gibt. Und wir finden - mit all diesen Vorbehalten -, dass es auch in diesem Rechnungsabschluss da ein paar Dinge zu bekritteln gibt.
Zuerst zu nennen - und aus unserer Sicht vielleicht am wichtigsten - ist eine gewisse Diskrepanz zwischen der Darstellung und den dahinterliegenden Tatsachen. Was meine ich damit? - Es ist da und dort bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon angeklungen, aber wenn wir - und ich zitiere - davon sprechen, dass es mit Hilfe aller Mitglieder der Stadtregierung gelungen ist, das Defizit von 1,9 auf 1,3 Milliarden EUR zu reduzieren - also um 600 Millionen EUR -, dann muss man schon auch dazusagen, dass im selben Zeitraum die Ertragsanteile, also das Geld, das vom Bund an die Stadt fließt, um 700 Millionen EUR gestiegen sind. Das eine zu sagen und das andere irgendwie nicht so genau zu sagen, ist natürlich eine nicht vollkommen korrekte und aufrichtige Darstellung. (Beifall bei der ÖVP.)
Das Zweite, was ich hier hervorheben möchte und was bisher ein wenig untergegangen ist: Der Herr Stadtrat hat davon gesprochen, dass insgesamt 810 Millionen EUR in die Corona-Hilfe oder in die Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie geflossen sind. - Das mag so sein, allerdings nicht im Jahr 2021, sondern in den Jahren 2020 und 2021, und in diesen 810 Millionen EUR sind auch Summen eingerechnet, die noch gar nicht ausbezahlt sind. Das ist an und für sich auch kein Problem, aber wir müssen darauf schauen, dass in diesem Jahr 2021 gerade einmal knapp 340 Millionen EUR in die Bekämpfung der Corona-Pandemie geflossen sind - und das ist nur ein Bruchteil, wirklich nur ein Bruchteil der 1,3 Milliarden EUR der Neuverschuldung. Es geht genau um diese Schärfen, die wir in der Kommunikation brauchen, damit die Bürgerinnen und Bürger sich auch ein Bild machen können von dem, was in der Finanzgebarung wirklich passiert.
Das führt mich zum zweiten Punkt: Wenn wir die Neuverschuldung, die an und für sich in einem Krisenjahr vielleicht noch rechtfertigbar wäre, nicht durch Covid-Hilfen und auch nicht durch Einnahmenentfall darstellen können, dann bräuchte es einen klaren Schwerpunkt, klare Investitionsschwerpunkte, durch die sie zu erklären ist - aber auch die finden sich in diesem Rechnungsabschluss nicht. Der Herr Stadtrat hat berechtigterweise davon gesprochen, dass Bildung, Soziales und Gesundheit einen großen Teil des Budgets einnehmen. Das ist total verständlich, das ist im Bund auch so, und das ist wohl in den meisten Gesellschaften so, aber die klaren Schwerpunkte sind noch nicht ersichtlich: Wo sind die Investitionen in zusätzliches Unterstützungspersonal an den Schulen? Wo sind die Investitionen im Sozial- und Gesundheitsbereich? - Das Stichwort psychosoziale Gesundheit von Kindern ist gefallen. - Wo sind die konkreten Ansätze über das alltägliche Geschäft, das nun einmal 50 Prozent des Budgets einnimmt, hinaus? Wo sind auch die Investitionen im Wirtschafts- und im Infrastrukturbereich? Es gibt etwas, es gibt vieles, was aber am Ende noch immer kleiner ist als das, was versprochen wurde. 2021, in diesem Rechenschaftsbericht, sind die Investitionen um 250 Millionen EUR geringer als das Ziel, das sich die Stadtregierung selbst gesetzt hat. Mein Vorredner Manfred Juraczka hat es bereits ausgeführt: Die Investitionsquote liegt unter 9 Prozent.
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