Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 103
StRin Mag. Isabelle Jungnickel: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Finanzstadtrat!
Rechnungsabschluss 2021: Einige Themenbereiche sind ja schon angesprochen worden, es ist viel gesagt worden, zusammenfassend will ich den Schwerpunkt legen: Wien hat Schulden und die Schulden sind abermals um 1,3 Milliarden EUR gestiegen. Die NEOS, damals Opposition, haben einmal vor dem Rathaus einen Schuldenberg aufgebaut, um auf die finanziellen Probleme der Stadt hinzuweisen. Heute sitzen sie in der Regierung und zugleich in einem finsteren Schuldental, in einem Schuldengraben. Damals gab es 7 Milliarden EUR Schulden, heute haben wir 9 Milliarden EUR Schulden, und wenn wir die Unternehmen dazurechnen, kommen wir gar auf 11,8 Milliarden EUR Schulden. Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage, das ist für mich ein wahrer budgetärer Bauchfleck, den hier NEOS und SPÖ landen. (Beifall bei der ÖVP und von GR Anton Mahdalik.) Ausbaden dürfen diesen leider die Wienerinnen und die Wiener.
Ich habe ein bissel einen Perspektivenwechsel gemacht: Wir haben bisher alle vom Schuldenberg gesprochen - beim Schuldenberg denke ich mir, ich sitze oben auf dem Schuldenberg und habe einen Ausblick, habe Luft und kann irgendwie den Horizont und das Licht sehen. Ich sehe aber das, was wir in Wien haben, eher als Schuldental: dunkelroter Nebel, Temperaturumkehr, Eiseskälte. Langfristig wird es immer kälter, kein Ausblick, kein Weitblick, dafür Frust und Leid und Neid. Für mich herrscht seit gefühlt 100 Jahren die SPÖ in dieser Stadt und gräbt somit dieses Schuldental, und für die Bürgerinnen und Bürger wird es jedes Jahr, wenn die Schulden noch einmal steigen, schwieriger und schwieriger, aus diesem Tal herauszusteigen, herauszuklettern. Die Verantwortung trägt für mich primär in erster Linie und ganz klar die SPÖ. Erstaunlich ist es aber, dass sie die Verantwortung ungern übernimmt und gern schaut, wer schuld ist. Da findet sich immer irgendjemand, oft ist der Bund schuld. Tagtäglich können wir irgendwo lesen und hören, dass die SPÖ dem Bund die Schuld für Probleme in Wien gibt. Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht ist es ein bisschen ein Frust, weil man nicht den Kanzler oder Vizekanzler stellt, oder vielleicht einfach nur, weil man inhaltlich sonst nichts zu bieten hat.
Höhere Arbeitslosigkeit - oft liegt es am Bund. Es hat mich gefreut, dass heute der Herr Stadtrat gesagt hat, dass die Zahlen so niedrig sind wie schon seit 2013 nicht mehr - gut so, aber den Erfolgt heftet man sich in der SPÖ-Wien schnell auf die eigene Schulter, schauen die Zahlen schlechter aus, dann ist der Bund schuld. Seien wir ehrlich und vergleichen wir, so wie der Kollege das heute schon gemacht hat, die Wiener Zahlen mit den Zahlen der anderen Bundesländer, steigen wir wieder ganz grässlich, ganz schlecht aus, und die Schuld ist hier in Wien zu suchen. Probleme beim Kindergarten - schnell ist der Bund schuld. Auch beim Ausbau der Öffis - wenn es irgendwo hakt, ja, leider geht beim Bund nichts weiter. Es war schon erstaunlich, dass auch heute GR Taucher gefunden hat, dass jetzt, wenn es bei der Fernwärme in Wien ein bissel drunter und drüber geht, wenn bei der Klimapolitik in Wien irgendwie etwas in Stocken kommt, der Bund schuld ist, der Bund nicht weiter tut.
Es gab hier auch die Diskussion: Einnahmenausfälle in Wien, auf Bundesebene werden uns schmerzen. - Das haben StR Hanke und der Herr Bürgermeister gesagt. Ich kann nur sagen: Das ist falsch. In Wien sprudeln die Geldquellen, der Bund hat Wien 2021 mehr Geld überwiesen als 2019. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Inflationsfrage!) Es ist ganz klar, dass der Bund die Stadt in jeder Hinsicht unterstützt und die Einnahmen auch nächstes Jahr noch einmal steigen werden. Das heißt, die Einnahmen sind hoch, nur versiegen sie im dicken, roten Nebel, und Reformen lassen zu wünschen übrig. Der Grund dafür sind viele Projekte, die einfach zu langsam angegangen werden, die nicht weitergehen und wo es dann zu Explosionen der Kosten kommt - Veranstaltungsarena, U4, Krankenhaus Nord. Daher: Bitte hören wir auf, den Bund in die Verantwortung zu ziehen, übernehmen wir in Wien Verantwortung für unser Budget, setzen wir Maßnahmen und bitte, das rote Schuldental bearbeiten! (Beifall bei der ÖVP.)
Aber noch ein anderer ist schuld, Corona ist schuld. Auch da haben wir heute schon gehört, dass 800 Millionen EUR von Seiten der Stadt Wien als Maßnahmengelder zur Verfügung gestellt wurden. 800 Millionen EUR sind ein riesiger Haufen, ich frage mich nur, wo die sind. Im Finanzausschuss werden ja regelmäßig quartalsweise Aufstellungen geliefert, da finde ich aber die 800 Millionen EUR nicht. Das wird, glaube ich, heute noch bei der Geschäftsgruppe Finanzen genauer diskutiert werden, weil es doch recht wunderlich ist. Fakt ist aber - und das sind die Zahlen, die uns die Stadt Wien zur Verfügung stellt -: 1,3 Milliarden EUR Neuverschuldung und 340 Millionen EUR Covid-Maßnahmen seitens der Stadt Wien. Was ist hier ganz klar? - Es ist nicht Corona schuld am Schuldenstand der Stadt Wien. Die Schulden in Wien sind hausgemacht, die Schulden in Wien müssen auch in Wien repariert werden.
Ein wesentlicher Punkt für mich ist aber die Verharmlosung der Schulden, die hier ja über Jahrzehnte betrieben wird. Aus der Krise herausinvestieren, das war ein gängiges Motto der vorigen Finanzstadträtin Brauner. Der jetzige Finanzstadtrat fährt gern noch auf dieses „wording“ auf und meint, aus der Krise muss man herausinvestieren. Renate Brauner hat im Jahr 2010 2 Milliarden EUR investiert, im heurigen Jahr finde ich Investitionen von 1,5 Milliarden EUR, das sind wirklich keine Rekordinvestitionen, das ist alles andere. Das sind Investitionen, die im Vergleich zum Voranschlag um 250 Millionen EUR zu gering sind. Wenn ich mir die letzten Jahre anschaue: 2019 bis 2021 kumuliert wurden im Finanzvoranschlag 630 Millionen EUR mehr veranschlagt, als dann tatsächlich investiert wurden. Bei anderen Bereichen hätte ich mich gefreut, wenn weniger geflossen wäre, aber gerade bei den Investitionen wäre es äußerst notwendig gewesen. Ich habe heute auch vom Herrn Finanzstadtrat große Ankündigungen über Investitionen gehört, das hat mich sehr gefreut. Ich frage
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