Gemeinderat, 23. Sitzung vom 24.05.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 111
wohl ähnliche Verträge über die Lieferung von PCR-Tests oder überhaupt die sanitäre Pandemiebekämpfung betreffend sehr wohl dem Gemeinderat vorgelegt wurden. Derartige ordnungsrechtliche Bestimmungen haben einen wichtigen Zweck im Sinne der Rechtssicherheit und zum Schutz der jeweiligen Vertragspartner, sie sind keine lästigen Formvorschriften. Werden Sie den (neuen) Vertrag mit der Firma Lifebrain über die Durchführung und Auswertung von PCR-Tests dem Gemeinderat nachträglich zur Genehmigung vorlegen?]
Ich bitte um Beantwortung.
Amtsf. StR Peter Hacker: Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, Frau Abgeordnete! Ehrlich gesagt haben wir im Ausschuss über dieses Thema sehr intensiv diskutiert, und ich frage mich ehrlich gesagt schon ein bisschen: Wozu diskutieren wir das ausführlich im Ausschuss, gebe ich Ihnen alle Antworten, sage Ihnen auch, was die nächsten Schritte sein werden, und trotzdem kriege ich eine Anfrage und einen Beschlussantrag? Mir ist es ja an sich wurscht, und es ist natürlich Ihr Recht, diese Fragen zu stellen, auch mir hier die Fragen zu stellen. Das ist alles unbenommen, aber unbenommen ist auch, dass man schon fragen muss, wozu wir es dann im Ausschuss so lange diskutieren. Da werde ich schon darüber nachdenken, ob wir solche Fragen dann dort auch noch so ausführlich diskutieren, weil immer das Gleiche herauskommt.
Sie wissen, das habe ich Ihnen im Ausschuss schon gesagt, dass die MA 15 den Auftrag hat, Rechtsgutachten einzuholen. Sie hat das auch getan, die Rechtsgutachten liegen seit gestern vor, eines vom Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer und das zweite vom Vergaberechtler Dr. Michael Hecht. Diese haben die Sachlage durchgearbeitet und entsprechende Schriftstücke abgegeben. Die Schriftstücke werde ich auch den Klubs zur Verfügung stellen, damit Sie das auch nachlesen können, und ich zitiere nur.
Dr. Hecht merkt an, dass durch die neuen Rahmenvereinbarungen mit Lifebrain die Preise weiter gesenkt werden konnten, was zu einem insgesamt besseren Ergebnis für die Steuerzahler führt. Prof. Mayer schreibt: „Die genannten Rahmenvereinbarungen sind privatrechtliche Vereinbarungen, die die Stadt Wien mit einem Unternehmen abgeschlossen hat. Allfällige Kosten, die durch die Durchführung dieser Rahmenvereinbarungen entstehen könnten, werden nach dem sogenannten Zweckzuschussgesetz vom Bund übernommen. Ausdrücklich bestimmt § 1 Abs. 1, dass der Bund den Aufwand der Länder ersetzt.“
Zitat: „Versucht man eine Einordnung dieser Rahmenvereinbarungen in das Gefüge der Rechtsordnung, so ist zunächst Art. 104 B-VG in Betracht zu nehmen. Diese Bestimmung ordnet an, dass die Bestimmungen des Art. 102 B-VG auf Einrichtungen zur Besorgung der im Art. 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden sind. Das bedeutet, dass die Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes auch im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung unmittelbar durch den mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister zu erfolgen hat - Art. 104 Abs. 2 B-VG. Soweit der zuständige Bundesminister gemäß Art. 104 Abs. 1 B-VG Privatwirtschaftsverwaltung ausübt, steht es ihm frei, diese entweder selbst durchzuführen oder nach den Regeln des Privatrechts eine Vertretung vorzusehen. Dem entspricht die Staatspraxis, die solche Übertragungen im großen Stil vornimmt. Vergleiche Raschauer, Rechtssatz 8 zu Art. 104 B-VG in Korinek/Holoubek, Herausgeber, Österreichisches Bundesverfassungsrecht.
Festzuhalten ist, dass der zuständige Bundesminister gemäß Art. 104 Abs. 1 B-VG eine solche Übertragung privatwirtschaftlich, das heißt, einvernehmlich durchzuführen hat. Gemäß Art. 104 Abs. 2 B-VG kann der Bundesminister aber Landesorgane einseitig beauftragen, bestimmte Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung zu besorgen. Im vorliegenden Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der zuständige Bundesminister von der Ermächtigung des § 5a Abs. 1 letzter Satz Epidemiegesetz in Verbindung mit dem Covid-19-Zweckzuschussgesetz von Art. 104 Abs. 1 B-VG Gebrauch gemacht hat.
Der Landeshauptmann kann lediglich mit Zustimmung des Bundesministers Screening-Programme innerhalb seines Bundeslandes durchführen. Wenn ein Landeshauptmann diesen Weg wählt, wird er für den Bund tätig und verfügt über Bundesvermögen, das seinem Land nach dem Covid-19-Zweckzuschussgesetz vom Bund zur Verfügung gestellt wird.
Die rechtliche Situation nach der Wiener Stadtverfassung: Gemäß § 114 Wiener Stadtverfassung ist der Bürgermeister auch Landeshauptmann und der Wiener Magistrat auch Amt der Wiener Landesregierung. Nach § 133 Wiener Stadtverfassung wird die Vollziehung des Bundes vom Landeshauptmann und dem Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde durchgeführt. Gemäß § 135 Abs. 1 Wiener Stadtverfassung vertritt der Landeshauptmann das Land Wien. Er trägt in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 142 B-VG. Dies bedeutet, dass der Landeshauptmann, auch Bürgermeister, von Wien bei der Besorgung der Aufgaben des Bundes an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden ist und für deren Befolgung Sorge zu tragen hat. Er ist dabei keiner anderen Behörde unterworfen.
Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde: Für die unter erstens genannte Auslegungsdivergenz bedeutet dies, dass ein Wirkungsbereich der Gemeinde, insbesondere ein eigener Wirkungsbereich der Gemeinde nicht anzunehmen ist. Es gibt keine Bestimmung, die in diesem Zusammenhang einen eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde und der Gemeinde überhaupt begründet.
Die hier abgelehnte Auffassung scheint zu verkennen, dass hier ausschließlich Maßnahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes anzunehmen sind, die der Wiener Bürgermeister als Landeshauptmann und damit als Landesorgan besorgt. Er ist allein dafür dem zuständigen Bundesminister verantwortlich. Wollte man hier ein Zustimmungsrecht des Gemeinderates oder irgendeines anderen Organs annehmen, so würde dies zur Folge
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