Gemeinderat, 21. Sitzung vom 30.03.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 94
Akten und auch zu den von uns eingebrachten Anträgen. - Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Spielmann, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Viktoria Spielmann, BA (GRÜNE): Schönen guten Nachmittag auch von meiner Seite. Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Frau Vizebürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ja. Die Zustimmung zu den Förderungen, die hier vorliegen, ist für uns sowieso klar. Es werden gleichzeitig drei Akte behandelt, nämlich „Women Against Violence Europe“, die „Schwarze Frauen Community“ und das „Mädchenzentrum peppa“. Alle drei Organisationen setzen sich erstens für gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben von Frauen, zweitens für das Aufbrechen von sexistischen und auch rassistischen Vorurteilen und drittens für die ökonomische und soziale Gleichstellung der Frauen ein. Alle drei Organisationen verdienen unsere ganze Unterstützung. Sie retten im wahrsten Sinne des Wortes Frauenleben und unterstützen Frauen auch auf ihrem Weg in Richtung Selbstbestimmung und echte Wahlfreiheit. Deswegen stimmen wir natürlich diesen Akten zu und danken den Organisationen von ganzem Herzen für ihre doch sehr leidenschaftliche Arbeit im Sinne der Frauen und Mädchen dieser Stadt.
Nichtsdestotrotz können wir heute nicht über Männergewalt an Frauen oder über selbstbestimmtes Leben für Frauen in Frieden, Sicherheit und Freiheit sprechen, ohne noch einmal über die aktuelle Situation in der Ukraine zu sprechen. Ich weiß: Es gab am Vormittag einen diesbezüglichen Schwerpunkt. Dennoch finde ich es wichtig, auch bei den frauenspezifischen Akten noch einmal darauf einzugehen, und wir werden hier auch einen Antrag einbringen.
Etwas fällt mir im Zusammenhang mit dem Krieg gerade im Moment immer wieder auf: Alle sprechen über Putin‘s Angriffskrieg auf die Ukraine, kaum jemand spricht aber eigentlich darüber, wie das sozusagen mit dem Geschlechterverhältnis zusammenhängt, und vor allem über den Zusammenhang des Patriarchats mit dem Krieg. Ich frage mich und euch alle hier: Was, bitte, ist Wladimir Putin, wenn nicht ein Musterbeispiel von toxischer Männlichkeit!? Was denn sonst? Der Zusammenhang zwischen Geschlechterverhältnissen, Patriarchat und Krieg ist doch relativ offensichtlich!
Bewaffnete Konflikte und Krieg bedeuten für Frauen nämlich immer ein enormes Ausmaß an geschlechtsspezifischer Gewalt und an besonderer Verletzlichkeit. Die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat schon richtig festgestellt, dass sexualisierte Gewalt, obwohl diese nach internationalem Recht mittlerweile - wie man dazusagen muss - als Kriegsstrategie und Kriegswaffe verboten ist, tagtäglich stattfindet und die Täter nur ganz, ganz selten zur Verantwortung gezogen werden. Und genau deshalb ist eine feministische Außenpolitik nicht als unwichtig abzukanzeln, wie Annalena Baerbock richtig gesagt hat, sondern sie ist essenziell und notwendig für die Friedenssicherung in ganz Europa.
Bewaffnete Konflikte und Kriege sind eben nicht geschlechtsblind. Das Geschlecht nimmt in Konflikten sogar eine zentrale Rolle ein: Frauen werden im Krieg und auf der Flucht vergewaltigt. Vergewaltigung wird in allen bewaffneten Konflikten als Kriegswaffe eingesetzt. Im Krieg wird der weibliche Körper zu einem Schlachtfeld, zu einem Ort der Konfliktaustragung, was nicht nur immense Schäden für die Frauen anrichtet, sondern auch für die ganze Familie und die ganze Community. Und wie wir wissen, werden Traumata ja auch transgenerativ weitergegeben.
Erst seit 2008 gibt es die UNO-Resolution, die besagt, dass Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen sowie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Tatbestandsmerkmal des Völkermordes anzuerkennen sind. - Wie wir sehen, wurde das also erst relativ spät anerkannt.
Zweitens Frauen sind auf Grund ihres Geschlechts und auf Grund ihrer prekären sozialen und ökonomischen Situation sehr viel stärker gefährdet, Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu werden. LEFÖ weist immer wieder auf dieses Problem hin. Mittlerweile ist es traurige Realität, dass das auch an den Grenzen der Ukraine passiert. - Aktuell fehlen uns noch einige Zahlen, aber die Organisation UN Women geht davon aus, dass etwa 54 Prozent der insgesamt 2,3 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine Frauen sein werden.
Wie wirkt sich diese Gewalt auf die Frauen aus? - Aus Erhebungen betreffend Frauen aus Afghanistan wissen wir zum Beispiel, dass 97 Prozent der Frauen in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban unter Depressionen leiden, 86 Prozent haben signifikante Ängste, 42 Prozent leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung und 25 Prozent haben Suizidgedanken. - Das sind wirklich ganz alarmierende Zahlen!
Frauen tragen eine besondere Last in Krisen- und Kriegszeiten. Sie sind es, die das Überleben der Familie, ihrer Kinder und der älteren Generation sichern. Die Erfahrung von Krieg und Gewalt sowie die enorme soziale Verantwortung lasten sehr schwer auf den Schultern der Frauen, und die Langzeitfolgen sind leider sehr verheerend. Es geht um Traumatisierungen, es geht um Traumafolgestörungen, es geht um andere psychische Belastungen und körperliche Beeinträchtigungen. Frauen sind daher als Kriegsflüchtlinge besonders vulnerabel und haben den dringenden Bedarf, emotional und psychisch ganz besonders aufgefangen zu werden.
Laut dem Verein Hemayat steigt der Bedarf an Psychotherapie von folter- und konfliktbasierter Traumatisierung unter Geflüchteten die ganze Zeit stetig und enorm stark an. Es wird davon gesprochen, dass zirka 500 Personen auf eine Psychotherapie warten. Mir ist natürlich bewusst, dass wir auch in der Bundesregierung unsere Hausaufgaben zu machen haben. Wir sind aber jetzt gerade eben in Wien, und wahrscheinlich werden die meisten aus der Ukraine Geflüchteten in Wien bleiben. Deswegen ist es notwendig, auch das psychologische und das psychotherapeutische Angebot auszubauen.
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