Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 114
der Desinfektion, und ich ersuche die Kollegen der SPÖ, ihre zwischendurch etwas lauter werdende Debatte einfach etwas weiter hinten fortzuführen, dann wäre es für die wenigen, die zuhören, einfacher. - Herr Zierfuß, bitte.
GR Harald Zierfuß (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Stadtrat!
Es gab jetzt schon einige Bildungsdebatten, mein Name ist jetzt schon ein paar Mal gefallen. Ich werde dementsprechend einige Sachen ausklammern, die wir schon diskutiert haben, aber weil es Frau Kollegin Berger-Krotsch angesprochen hat: Es gibt natürlich ein Thema, das wir bei diesem Tagesordnungspunkt besonders vor den Vorhang holen wollen, nämlich den Personalnotstand im Wiener Pflichtschulbereich, weil es geheißen hat, dass da viele Zahlen falsch sind, und wir auch bilateral schon ein paar Sachen ausräumen können.
Es sind aber nicht nur wir, die darauf hinweisen, dass es da massive Personalproblematiken gibt, sondern vor allem die Personalvertretung selbst. Vielleicht starten wir mit einem kleinen Problemaufriss: Wie schaut die Situation in Wiener Pflichtschulen aktuell aus? - Es gibt täglich mehrere Kündigungen oder Dienstauflösungen von Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrern in Wien, teils sind es mehr als zehn pro Tag.
Wir haben in Wien über 1.000 Sondervertragslehrerinnen und Sondervertragslehrer alleine im Pflichtschulbereich, das heißt, keine oder zumindest keine abgeschlossene Ausbildung, und trotzdem - das waren die Zahlen von Bildungsdirektion und Bildungsstadtrat selbst, die der „Krone“ zu entnehmen waren - 108 unbesetzte Stellen, Stand Anfang Jänner.
Wenn man sich jetzt ansieht, wie das in der Zukunft weitergeht: Wir wissen, dass rund ein Drittel, sogar mehr als ein Drittel der Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer über 50 Jahre alt ist, und auf der anderen Seite haben wir in Wien steigende Schülerzahlen. Es ist nicht schwer, vorherzusehen, wie es dann später weitergehen wird. Es wird immer dramatischer werden, und dieser Personalnotstand braucht jetzt Maßnahmen. - Verhaltenes Klatschen von Manfred, danke.
Warum braucht es jetzt Maßnahmen? Was bedeutet es für Wien, wenn wir nicht genug Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer haben? - Es ist ganz simpel: Es wird Klassen ohne Klassenlehrer geben, es wird zu Unterrichtsausfällen kommen - das kennen wir aus Deutschland, vor allem in Hessen ist das in den letzten zwei Jahren sehr oft der Fall gewesen -, und wir werden die Klassen noch einmal größer machen müssen, als das in Wien ohnehin schon der Fall ist. Ich habe es in der Aktuellen Stunde schon gesagt: Wir haben in Wien die größten Klassengruppen von ganz Österreich.
Das alles führt natürlich in Summe zu einem massiven Qualitätsverlust, den wir uns nicht erlauben können. Wenn jetzt schon nur mehr jeder Fünfte in den Mittelschulen die Bildungsstandards im Lesen und im Rechnen erreicht, dann gibt es da keinen Spielraum, dass wir mit der Qualität nach unten gehen können, und deswegen braucht es jetzt Akutmaßahmen gegen den Personalnotstand.
Was schon spannend ist - wir haben noch deutlich mehr Anfragen gestellt als die, die ich jetzt zitiert habe, eine ist besonders bezeichnend gewesen -: Wir haben den Bildungsstadtrat gefragt, in welchem Ausbildungsstadium sich die Sondervertragslehrer befinden. Es wird ja berichtet, dass mittlerweile schon Studentinnen und Studenten im 1. und 2. Semester in den Klassen stehen. Laut Anfragebeantwortung ist das bei über 1.000 Lehrerinnen und Lehrern nicht auswertbar.
Wenn es dann um die Gründe für die Abwanderung geht oder die Gründe, dass jemand den Job an den Nagel hängt - ich möchte noch einmal darauf hinweisen, es sind laut Personalvertretung über 100 alleine im Dezember gewesen, der Regelfall ist scheinbar, wenn man das pro Jahr aufsummiert, dass zirka eine mittelgroße Schule lehrerlos wird -: Diese Gründe werden nicht einmal erfragt, und dann ist vollkommen klar, warum da in Wien ein Problem herrscht: Weil es einen totalen Blindflug seitens der Stadtregierung in dem Bereich gibt.
Deswegen braucht es einen Runden Tisch mit den Betroffenen, den wir heute mit einem Antrag wieder einfordern, wo auch die Oppositionsparteien mit einbezogen werden. Wir finden es auch schade, dass die erste Reaktion der Stadt Wien sinngemäß war: Na ja, wenn der Bund dann irgendwie einen Runden Tisch einberuft, dann werden wir uns schon daran beteiligen. Das finde ich schon sehr zynisch, vor allem deswegen, weil natürlich der Bund keinen Runden Tisch dazu einberufen wird, warum Wien die Lehrer davonlaufen. Das ist ein Wien-spezifisches Problem, dem wir uns hier widmen müssen.
Die Debatte rund um das Parkpickerl, womit sich unser zweiter Antrag beschäftigt, ist vielleicht auch medial falsch ausgelegt worden. Es geht nicht darum, Privilegien für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen. Es geht ganz schlicht und ergreifend darum, dass es für all jene, die einpendeln, die wirklich ein Problem damit haben, öffentlich zu den Schulen zu kommen, eine Lösung gibt.
Auch dazu die Zahlen: Es sind rund 3.300 Pflichtschullehrer, die tagtäglich einpendeln, das sind 22,8 Prozent, und da gibt es verschiedene Gruppen. Es gibt sicher die, die jetzt schon öffentlich herfahren, ein Großteil meiner Familie kommt aus dem Raum Mödling, von dort kommt man mit der S-Bahn super nach Wien. Es gibt aber auch solche, die es schwerer haben. Es gibt die, die die Stadt wird überzeugen können, dass sie auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, aber es gibt auch die, die auf das Auto angewiesen sind.
So gibt es eine Sonderpädagogin, die sich dazu auch medial zu Wort gemeldet hat, die ein sehr plastisches, greifbares Beispiel hat, warum es bei ihr ohne Auto eben nicht geht. Sie braucht jetzt 25 Minuten zu ihrem Schulstandort am Stadtrand. Wenn sie nicht mehr mit dem Auto dort hinfahren kann - diese Schule ist nicht mit der U-Bahn, nicht mit der S-Bahn erreichbar, sie müsste auf einen Bus umsteigen -. dann braucht sie eineinhalb Stunden zu dieser Schule.
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