Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.11.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 91 von 98
Gebäudes immer auch günstiger Wohnraum verloren geht, weil diese Wohnungen sehr oft dem Richtwertzins unterliegen.
Und genau diese leistbaren Wohnungen fehlen in Wien. Wir haben sogar voriges Jahr das Phänomen gehabt, dass mehr Wohnungen gebaut wurden, als Leute nach Wien zugezogen sind. Das waren letztes Jahr 10.000 Wohnungen. Man würde glauben, dann gehen die Mieten runter, wenn mehr gebaut wird, als Bedarf ist. Nur werden nicht in erster Linie günstige Wohnungen gebaut, sondern Betongold, Anlegerwohnungen, und die interessieren natürlich die Investoren. Mit nichts wird derzeit so gerne spekuliert wie mit Immobilien.
Um genau diese gründerzeitlichen Gebäude zu schützen, wurde 2018 unter Rot-Grün die Bauordnung geändert, und die Gebäude, die vor 1.1.1945 gebaut wurden, können sozusagen auch nicht mehr mir nichts, dir nichts abgerissen werden, sondern es braucht die MA 19, die entscheidet, ob das Gebäude für das Ortsbild wichtig und daher im öffentlichen Interesse ist. Ist das ein positiver Bescheid, dann kann das Gebäude nicht abgerissen werden.
Ich habe schon in meiner letzten Rede zur wirtschaftlichen Abbruchreife erwähnt, dass es dabei dieses Schlupfloch gibt, eben diese wirtschaftliche Abbruchreife, mit der dieser Schutz gerne umgangen wird. Teilweise wird auch gerne nachgeholfen, indem das Dach beschädigt wird, Fenster im Winter offen gelassen werden, damit das Haus so kaputt ist, dass man es wahrscheinlich wirklich nicht mehr retten kann, weil eben diese fetten Gewinne in Aussicht stehen.
Die Streichung der wirtschaftlichen Abbruchreife aus der Bauordnung könnte natürlich ein Instrument sein, um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken. Leider, leider, leider fand unser Antrag diesbezüglich letzte Woche keine Mehrheit, dagegen gestimmt haben SPÖ, NEOS, ÖVP und FPÖ. Was mich besonders geärgert hat: Es sind genau die Parteien, die sich, wenn wieder so ein Haus abgerissen wird, dort hinstellen, laut Zeter und Mordio schreien und Entsetzen vortäuschen. Und wenn sie dann wirklich etwas tun könnten, wie einem Antrag zuzustimmen, dann finden sie es nicht der Mühe wert, sich dafür einzusetzen.
Was wird mit diesem Altstadterhaltungsfonds, dessen Mittel, die derzeit zur Verfügung stehen, wir verdreifachen wollen, gefördert? - Ich habe es schon gesagt, es sind hauptsächlich Gebäude in Schutzzonen - das würde man gar nicht glauben, das sind immerhin 9 Prozent der Gebäude in Wien - oder denkmalgeschützte Gebäude. Jetzt ist es so, dass ein Großteil der Förderungen - das waren im letzten Jahr 2020 2,4 Millionen - derzeit von Kirchen in Anspruch genommen wird. Bei Privaten kommt das selten vor, sondern eher nur bei Leuten, die wirklich einen Bezug zu diesem Gebäude haben oder selbst dort wohnen. Ein weiterer Grund, warum das eigentlich gar nicht so gerne in Anspruch genommen wird, ist eben auch dieses Schlupfloch der wirtschaftliche Abbruchreife. Das ist auch ein weiterer Grund, warum das abgeschafft werden soll, denn dann können diese Mittel nämlich auch wirklich ausgeschöpft werden.
Ich möchte jetzt noch drei wirklich sehr, sehr gelungene Beispiele für Gebäude erwähnen, die mit den Mitteln des Altstadterhaltungsfonds gefördert wurden. Das ist zum Beispiel ein altes Bauernhaus im 22. Bezirk. Jeder kennt wahrscheinlich das Haus in der Hamburgerstraße 2 im 5. Bezirk, das ist beim Naschmarkt, unübersehbar, ein fünfstöckiges Zinshaus aus 1902, wirklich ein sehr, sehr schönes Gebäude. Im 3. Bezirk ist in der Mohsgasse im Fasanviertel auch ein Gründerzeithaus, das wirklich sehr, sehr, sehr schön hergerichtet wird.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk (unterbrechend): Frau Gemeinderätin, die Redezeit der Fraktion ist abgelaufen. Ich bitte, den Schlusssatz formulieren.
GRin Mag. Heidemarie Sequenz (fortsetzend): Ich bin mit meinen Ausführungen auch fertig. Wir beantragen eine massive Aufstockung auf 10 Millionen EUR für die Jahre 2022 und 2023 und hoffen auf Zustimmung mit obenstehender Begründung. Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dr. Mantl. Ich erteile es ihm. Die fraktionelle Restredezeit ist zehn Minuten, diese werde ich auch einstellen.
GR Dr. Josef Mantl, MA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoher Gemeinderat!
Es freut mich, dass ich auch zur Kulturdebatte etwas beitragen kann, denn ich glaube, wir sind uns alle einig und es erfüllt uns gemeinsam mit großer Sorge, dass die Corona-Krise die Kulturszene von Beginn an mit voller Wucht getroffen hat. Es ist auf jeden Fall wichtig, in all den verschiedenen Meinungen, sozusagen e pluribus unum, jetzt das „big picture“ zu sehen, dass wir ja zusammenhalten und an einem Strang ziehen müssen. Wir müssen den Kulturschaffenden unter die Arme greifen und ihnen mit sinnvollen Maßnahmen das Leben einfacher machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Besonders die Weiterentwicklung des Förderwesens im Kulturbereich ist eine wichtige Maßnahme, die schon längst überfällig ist. Wien ist nicht nur auf Grund der Architektur eine beliebte Stadt, sondern besonders auch auf Grund der großen Vielfalt an altehrwürdigen Institutionen, modernen Initiativen und engagierten Vereinen. Vor allem sind es aber die kreativen und talentierten Kulturschaffenden, die erfolgreich dafür verantwortlich sind, dass sich Wien als eine europäische Kulturhauptstadt positioniert hat. Um diese Diversität und Qualität zu erhalten, kommt dem Förderwesen in unserer Stadt, wie wir alle wissen, nun einmal eine sehr, sehr wichtige Aufgabe zu.
Dabei hat sich in den letzten Jahren schon einiges verbessert. Das möchten wir durchaus auch zugestehen, aber ungebrochen ist - wir haben das schon öfters analysiert und kritisiert -, dass es noch zu wenig Transparenz und vor allem Effizienz gibt. Wir dürfen uns nie mit dem Status quo zufriedengeben, sondern müssen dieses Förderwesen einfach verbessern und optimieren. Das sehen wir an so vielen Beispielen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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