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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 29.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 98

 

Klimasoziale Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, meint nicht etwa, dass man in einem Ressort und in einem Budget Klimapolitik macht, und im anderen Ressort und im anderen Budget machen wir Sozialpolitik, sondern echte klimasoziale Politik sprengt solche Ressortgrenzen, sprengt solche Systemgrenzen, muss per se strukturverändernd, systemverändernd und auch Machtverhältnisse verändernd, Glaubenssatz verändernd sein. Es reicht einfach nicht, das Bestehende zu verwalten, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Echte klimasoziale Politik begreift, dass die Klimakrise nicht irgendeine Krise ist, nein, sie ist eine soziale Krise, weil es beim Thema Klima immer um das Thema ökonomische Ungleichheit, um das Thema Armut, um das Thema Gesundheit, um das Thema soziale Ausgrenzung, um das Thema Geschlecht, um das Thema Herkunft, das Thema Arbeit und auch das Thema Gewalt geht. Klimasoziale Politik, wenn sie ernst gemeint ist, beansprucht, die Klimakrise so grundlegend, wie es nur irgendwie geht, zu adressieren und auch die wesentlichen Grundbedürfnisse abzudecken: die nach leistbarem Wohnen, nach mehr Platz für alle im öffentlichen Raum, nach noch mehr öffentlichen Verkehrsmitteln, nach sicheren Radwegen, nach einer leistbaren und biologischen Lebensmittelversorgung - durch ein Lebensumfeld, wo niemand an lauten Straßen und verschmutzten Autobahnen leben muss, wo Kinder nicht in Armut aufwachsen müssen und wo alle einer Arbeit nachgehen, die sinnvoll ist und beste Bedingungen bietet.

 

Echte klimasoziale Politik, meine Damen und Herren, bedeutet vor allem eines: Mut und Entschlossenheit. Sie braucht den Mut, mit alten Mustern zu brechen und vor allem mit altem Denken zu brechen. Sie braucht den Mut, ein Budget tatsächlich so zu denken, dass eben nicht mehr einzelne Ressorts nebeneinander Politik machen, sondern sich große und visionäre politische Leuchttürme im Bereich klimasozialer Politik verbinden können. Diese großen, mutigen und entschlossenen klimasozialen Projekte aber vermisse ich im vorgelegten Budget.

 

Damit komme ich zu einem Satz, den Bgm Michael Ludwig erst vor ein paar Tagen bei der Gemeinderatssitzung hier gesagt hat. Leider kann man ja die Reden seit Tagen nicht online nachschauen oder nachhören - so viel zum Thema Innovation und Digitalisierung, meine Damen und Herren -, insofern verzeihen Sie mir, wenn ich vielleicht nicht zu 100 Prozent worttreu bin, ich konnte die Reden nicht online nachschauen, aber der Bürgermeister hat gesagt: Es gibt ein Prinzip, das mir heilig ist, es ist das Prinzip der Pakttreue! Und sein Satz war bezogen auf die Stadtautobahn und den Lobau-Tunnel. - Ich habe ehrlich gesagt Respekt vor diesem Prinzip, aber gleichzeitig stellt sich mir die Frage, mit wem der Bürgermeister diesen Pakt geschlossen hat. Mit der SPÖ? Mit der Bauwirtschaft? Mit der Bevölkerung? Nicht gemeint haben kann er damit wohl die Zukunft und die Zukunft unserer Kinder.

 

Ich lade Sie, Herr Bürgermeister, daher ein, einen Pakt, einen wirklichen Pakt mit der Zukunft zu schließen. Pakttreue erwarte ich mir vor allem gegenüber der jungen Generation, gegenüber jenen, die jeden Freitag auf die Straße gehen, die an uns Politikerinnen und Politiker appellieren, auf die Warnungen der Forschung und Wissenschaft einzugehen, endlich damit aufzuhören, sich auf Entscheidungen, die wir vor 20 Jahren getroffen haben, zu berufen, und ein klares Ja zu ihrer Zukunft zu sagen. Genau mit ihnen, mit dieser Generation und damit mit der Zukunft müssen wir paktieren, weil unser aller Leben in dieser Stadt und auf dem Planeten auf dem Spiel steht, meine Damen und Herren.

 

So wird aus einem Prinzip der Pakttreue ein anderes Prinzip, nämlich das Prinzip der Verantwortung: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten Lebens auf Erden. - Hans Jonas hat dieses Prinzip schon 1979 postuliert. Es ist also keine Frage der Jahreszahl, sondern vielmehr eine Frage der Haltung. Ein weiterer sehr weiser, schon 2.000 Jahre alter Satz eines römischen Politikers, von Sallust nämlich, lautet: Ein Plan, den man nicht ändern kann, ist ein schlechter Plan. - Gefunden habe ich diesen Satz übrigens in einem wirklich lesenswerten Essay des Wiener Planungsdirektors Thomas Madreiter, das „Die nachhaltige Stadt - Städte als Laboratorien des Wandels“ heißt. Das ist wirklich lesenswert und klug. Madreiter schreibt über die Wiener Stadtplanung und die Instrumente, die dem Stadtentwicklungsplan zugrunde liegen, Folgendes: „Natürlich gibt es Masterpläne. Diese können aber von Etappe zu Etappe im Detail nachjustiert werden. Das gibt der Stadt die Gelegenheit, auch in den Rückspiegel schauen zu können. Sie kann evaluieren, lernen und verändern.“ - Zitat Ende.

 

Es ist also alles da, und die Instrumente sind aufbereitet, auch um Entscheidungen, die wir vor fast zwei Jahrzehnten getroffen haben, zu überdenken, zu adaptieren und den aktuellen Erkenntnissen anzupassen. Genau diese Umsicht, diese Weitsicht erwarte ich mir jetzt: Echten Mut für eine systemverändernde klimasoziale Politik, die sich international an den Besten orientiert und an der sich international die Besten orientieren, die in Wien Leuchttürme setzt, Leuchttürme, die vor allem Orientierung in krisenhaften Zeiten geben. Und Pakttreue wünsche ich mir, Pakttreue mit der Zukunft und der nächsten Generation. Das wünsche ich mir für unser wunderbares Wien in den nächsten beiden Jahren. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Die Redezeit war 9 Minuten, die fraktionelle Restredezeit sind 14 Minuten. Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau StRin Mag. Arnoldner. Ich erteile es ihr. Selbstgewählte Redezeit 10 Minuten.

 

11.33.23

StRin Mag. Bernadette Arnoldner|: Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Herr Finanzstadtrat! Liebe Wienerinnen und Wiener!

 

Ja, wir leben in einer schwierigen Zeit, und Wien steht vor großen Herausforderungen, die bewältigt werden müssen: Auf der einen Seite Corona und die Krisenbewältigung, wo wir natürlich weiterhin an einem Strang ziehen müssen, und auf der anderen Seite eine Stadtregierung, die in roter Selbstzufriedenheit schwelgt. Vor allem, was die Finanzen der Stadt betrifft, wird der fast

 

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