Gemeinderat, 14. Sitzung vom 28.10.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 92
Ein bisschen hat man ja doch das Gefühl, dass bei der Themenwahl der ÖVP-Rathausklub es nicht wirklich gut meint mit seiner Bundespartei oder auch mit seinem Landesparteiobmann, denn kurz vor dem Sommer, als die ÖVP zum ersten Mal in einem Riesenkorruptionsskandal war, habt ihr eine Dringliche Anfrage zum Thema Korruption gemacht, wo sich alle nur mehr gewundert haben. Heute, eine Woche nachdem rauskommt, dass ihr Bundesländer aufhetzen wolltet, 1,2 Milliarden EUR an Bildungsgeldern zu verunmöglichen, macht ihr eine Aktuelle Stunde zum Thema Bildung und Kinderbetreuung. Also, ist das wirklich Zufall oder wollt ihr ganz gezielt dieses Match Türkis gegen Schwarz hier in den Wiener Gemeinderat tragen? Ich glaube, das sind eure eigenen Probleme, die ihr nicht hier vor allen debattieren solltet.
Und es zeigt sich ja auch ein bisschen, der Vorredner hat ja selbst schon angefangen, über dieses Thema zu sprechen und präventiv gesagt, so schlimm war es gar nicht, dass wir diese 1,2 Milliarden nicht auszahlen wollten. Er hat ja auch nur mehr davon gesprochen, dass die Volkspartei gegen etwas oder für etwas ist, bis vor Kurzem war es ja immer noch die neue Volkspartei. Und die Zahl der türkisen Krawatten, der türkisen Stecktücher und der türkisen Socken ist auch dramatisch weniger geworden. Das heißt, ich glaube, auch hier sieht man nicht nur eine politische, sondern auch eine optische Distanzierung von der angeblich neuen Volkspartei.
Aber wenn man von dieser internen Beziehungskrise absieht, kann man natürlich auch auf Wien bezogen sagen, dass hier einiges im Argen liegt und dass es natürlich eine berechtigte Kritik in vielen Punkten gibt. Wenn jetzt große Pädagogenproteste stattfinden, dann ist das natürlich auch ein starkes Zeichen an den Bildungsstadtrat, dass man hier vielleicht Reformen, die man in den vergangenen Monaten eingeleitet hat, wirklich überdenken muss. Wenn an 117 Schulstandorten eingespart wird, wenn an 117 Schulstandorten Verschlechterungen stattfinden und wenn auch die Initiatoren des Vereins „Besser Schule“ jetzt ganz klar sagen, dass auch Brennpunktschulen unter dieser angeblichen Reform leiden und dass vieles, vieles schlechter wird, dann fordere ich Sie als Stadtregierung doch ganz deutlich auf, diese sogenannte Reform zurückzunehmen und neu auszuarbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben ja auch immer davon gesprochen, wie wichtig mehr Geld für inklusive Schule ist, wie wichtig Geld für Integrationsklassen ist, wie wichtig das auch im Integrationsbereich wäre. Tatsächlich kürzen Sie allerdings auch hier, obwohl es, und das zeigen die neuesten Zahlen des Integrationsberichtes ja deutlich, massiven Handlungsbedarf gäbe. Im Schuljahr 2019/2020 hatten 54 Prozent der Schüler in Wien eine andere Umgangssprache als Deutsch, nicht Muttersprache, sondern Umgangssprache, das heißt, Kinder, die zu Hause, in ihrer Freizeit nicht Deutsch, sondern eine andere Sprache sprechen. Das ist ein Anstieg von beinahe 5 Prozent nur in den letzten 4 Jahren. Und aufgeteilt auf die einzelnen Schultypen zeigt sich auch, dass Schüler mit nichtdeutscher Umgangssprache andere Wege durch das Schulsystem nehmen als Schüler, die Deutsch sehr wohl als Umgangssprache führen. Und das ist natürlich auch ein ganz klares Zeichen dafür, dass wir im Interesse aller Schüler Maßnahmen dafür setzen sollten, dass Deutsch verpflichtend zur Umgangssprache in der Schule, aber auch im Pausenbetrieb und im Freizeitbetrieb, dort, wo es möglich ist, wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, 76 Prozent der Schüler an Neuen Mittelschulen verwenden Deutsch nicht als Umgangssprache. In polytechnischen Schulen sind es 75 Prozent und an berufsbildenden Schulen sind es beinahe 60 Prozent. Das sind schockierende Zahlen. Allerdings, wenn man im Bereich der AHS schaut, wo man vielleicht glauben könnte, dass es dort viel besser ist, auch dort sind es 40 Prozent.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, anhand dieser Zahlen unter Aufteilung auf die Bildungseinrichtungen wird deutlich, wie sehr und wie groß der Handlungsbedarf ist. Denn alle Schulen, in denen der nicht Deutsch sprechende Schüleranteil extrem hoch ist, liegen in Ihrem Verantwortungsbereich, Herr Bildungsstadtrat, und nicht auf Bundesebene. Da hatte natürlich der Herr Zierfuß schon recht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Reform, die Sie als Koalition in den letzten Wochen und Monaten auf Schiene gebracht haben, stößt auf breite Ablehnung, auf breite Ablehnung der Schülervertreter, auf breite Ablehnung der Elternvertreter, aber auch auf breite Ablehnung bei Lehrervertretern. Ich fordere Sie abschließend nochmals auf, sie zurückzunehmen, neu zu überdenken und auch mehr finanzielle Mittel in unsere Kinder zu stecken. - Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Zu Wort gelangt Frau GRin Mag. Emmerling. Bitte.
GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Titel der Aktuellen Stunde ist „Bildungsproteste ernst nehmen, Rahmenbedingungen und Qualität in den Wiener Kindergärten verbessern.“ Ich glaube, die Analyse ist ganz richtig, wenn hier anfangs festgestellt wurde, dass wir alle sehr einig darüber sind, was der Kindergarten sein soll und was er leisten soll, nämlich der Kindergarten als erste Bildungseinrichtung. Und ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass uns als NEOS das ein besonderes Anliegen ist, weil wir uns als Bildungspartei immer schon für Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit, vor allem auch im Bereich der Schule einsetzen und das unser Leitmotiv ist. Wir versuchen, dem mit jedem Handeln Schritt für Schritt näher zu kommen.
Ja, die Bildung beginnt im Kindergarten. Wir haben es schon oft debattiert, auch als wir noch in der Opposition waren, und da hat sich auch die Haltung nicht verändert. Aber umso mehr freut es mich, dass wir als Regierungspartei jetzt für diesen wichtigen Beruf und für diese wichtigen Einrichtungen auch verantwortlich sind. Der Kindergarten als Bildungseinrichtung ist in Österreich definitiv viel zu wenig priorisiert, viel zu wenig wird erkannt, wie wichtig er ist, nicht nur für Kinder, die hier
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