Gemeinderat, 12. Sitzung vom 28.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 106
reich Finanzen, Wirtschaft und Rechenfähigkeiten ein bisschen anbelangt.
Weil ich hab‘ mich schon gewundert, was ich da hier in den letzten eineinhalb Stunden gehört hab‘: Ein bisschen Plus, ein bisschen Minus, und unterm Strich haben wir bitte, und das ist nicht zu verharmlosen, 10 Milliarden EUR Schulden. Und klar, das ist nicht das letzte Jahr, wir haben den Rechnungsabschluss 2020, aber das sind die gesamten Jahre. Es ist für mich unglaublich, wie diese 10 Milliarden hier verharmlost werden und wie die positiv abgeklatscht werden. Ich kann das wirklich nicht verstehen.
Das Problem ist nicht das letzte Jahr, die Probleme sind die vorangegangen Jahre, weil wären die besser gewesen, wären auch die nächsten Jahre für uns alle viel, viel einfacher. Aber nun zurück zu Ihnen, Herr Stadtrat - jetzt ist er weg. Wie ist denn das zu interpretieren? Ich wollte Sie nämlich eigentlich fragen, in der Sendung „Wien heute“ wurden Sie gefragt, welchen Kurs Wien in den nächsten Jahren einschlagen wird. Und da war die Antwort: „Es braucht einen Mix aus Belastung und Entlastung.“ Und da ist schon meine Frage: Was heißt das jetzt? Heißt das für Sie, Herr Stadtrat, wo auch immer Sie sind, dass in den nächsten Jahren genau die Leistungsträger, die jetzt schon ins System einzahlen, noch mehr zur Kassa gebeten werden sollen? Ist das da rauszuhören? Und was ich letzte Woche hier gehört hab‘ auf die Frage, wie Sie zu Leerstellenabgaben stehen, haben Sie diese nicht beantwortet. Bedeutet das, dass Sie jetzt schon insgeheim planen, sich am Eigentum der Bürger zu bedienen, um aus der Krise zu kommen, weil wir hier die vergangenen Jahre so schlecht gewirtschaftet haben? Ich als Wienerin, als Steuerzahlerin und als Politikerin muss sagen, da schrillen bei mir alle Alarmglocken, weil Wien braucht eines fix nicht: Einen Mix aus Belastung und Entlastung. Wien braucht fix Reformen, substanzielle Reformen, Stopp der Verschwendung und mehr Anreize für mehr Wachstum.
Ich wundere mich, dass jetzt nur meine Fraktion klatscht, weil das nicht nur unsere Meinung ist, sondern das ist auch die Meinung des Bundesrechnungshofes und des Wiener Stadtrechnungshofes. Wien hat ein Problem, und das hat die Corona-Krise im letzten Jahr eigentlich noch einmal klarer offengelegt: Es hat nämlich ein strukturelles Problem. Und die Vorredner von meiner Fraktion haben es schon gesagt: Wien hat ein sehr schwaches Wirtschaftswachstum. 0,26 Prozent ist schwach und auch die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist schwach, gerade wenn wir es mit Ländern wie Prag und Warschau vergleichen. Wir müssen uns nämlich da schon einmal zurückerinnern: Wien war einmal das Zentrum von Mittel- und Osteuropa. Es ist nicht so lange her, dass gerade der osteuropäische Raum wirtschaftlich von Wien aus betreut und bearbeitet wurde. Nur, das gehört der Vergangenheit an, und das finde ich sehr schade, weil was sind die Auswirkungen davon? Das ist heute auch schon besprochen worden: Arbeitslosigkeit. Ich will auf die Arbeitslosigkeit nicht weiter eingehen, weil sie schon erwähnt wurde, aber es ist doch herauszuheben, dass Wien ein Spitzenreiter im Bereich der Langzeitarbeitslosen ist. Jeder zweite Arbeitslose in Wien ist ein Langzeitarbeitsloser, und wir wissen alle, was das für die Volkswirtschaft, aber auch für den Einzelnen bedeutet.
Kurz gesagt: Es braucht Reformen und Entlastungen, und ich suche sie ganz einfach. Ich suche sie in den letzten drei Jahren, seitdem StR Hanke im Amt ist, und ich suche sie auch im jetzigen Regierungsprogramm, weil über das Wort, das dort drinsteht, „Arbeitskreis“, will ich mich hier nicht weiter auslassen, weil wir wissen alle, was ein Arbeitskreis bedeutet, nämlich Schubladisieren. Und da frage ich mich: Welche Entlastungsschritte sind geplant? Arbeitsplatzsteuer haben wir noch immer in Wien. Warum haben wir das noch immer in Wien? Wir wissen es nicht. Es ist ein Platz mit vielen Arbeitslosen und gleichzeitig wird jeder einzelne Arbeitsplatz besteuert, sehr kontraproduktiv.
Jetzt ist auch die Frau Novak weg. Es ist unbeschreiblich, jeden, den ich erwähnen will, der verlässt den Saal. Ich weiß nicht, wie ich das interpretieren soll. Sie haben gesagt, wir brauchen in Wien die Daseinsvorsorge und wir brauchen Gebühren. Ja, wir brauchen Gebühren, überhaupt keine Frage. Aber Gebühren sind nicht Steuern und Steuern sind keine Gebühren. Bei den Gebühren, die wir hier zahlen, gibt es keine schlüssigen Kalkulationen. Und da sehe ich einen großen Mangel an Transparenz und frage mich: Warum kann das nicht klarer dargelegt werden? Ich seh‘ schon ein, wir brauchen es, ich sehe schon ein, dass er da ist, aber warum sind Steuern und Gebühren in Wien so schnell in einen Topf geworfen?
Zum Thema Transparenz möchte ich auch noch einen kurzen Ausblick machen. Meine Fraktion hat viele Anfragen gestellt. Ich weiß, die Anfragen, die wir stellen, sind sehr kniffelig, mühsam und vielleicht auch nicht ganz angenehm. Aber es ist schon sehr banal, wenn diese Fragen einfach nicht beantwortet werden mit dem Argument, sie fallen nicht in das Interpellationsrecht. Das sehe ich sehr dramatisch und deswegen möchte ich noch einmal, solange ich Zeit hab‘, die Punkte, die uns als Volkspartei wichtig sind, kurz zusammenfassen: Verschwendung stoppen, Strukturreformen beginnen, ganz einfach, einfach nur die Vorschläge der Prüforgane umsetzen, Entlastungsschritte statt neue Belastungen und mehr Wettbewerb und Effizienz. Schlagworte, es wird sicher heute noch jemand zu den Tourismuszonen sprechen.
Um es auf den Punkt zu bringen, weil es kommt bald das Zeugnis für die Schüler: Die Stadt Wien hat vom Rechnungshof schon ein Zeugnis bekommen, ein Genügend. Mir reicht ein Genügend nicht, meiner Fraktion reicht ein Genügend auch nicht. Wir wollen nämlich, dass Wien eine Vorzeigestadt wird mit einer sehr guten, sehr starken Budget- und Finanzpolitik.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Mag. Reindl, selbstgewählte Redezeit 13 Minuten. Ich stelle aber die fraktionelle Restredezeit von 16 Minuten ein.
GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
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