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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.05.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 97

 

zen. Zum Dritten fordert es Maßnahmen sowie finanzielle Mittel zur Gewaltprävention und sie benennt strukturelle Gewalt als Hauptursache von geschlechtsspezifischer Gewalt, auch ein sehr wichtiger Faktor. Männergewalt gegen Frauen wird in der Konvention als eine Menschenrechtsverletzung dargestellt und als eine Form von Diskriminierung von Frauen verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, physischen oder wirtschaftlichen Schäden führen und führen können einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen wie im privaten Leben. Da ist es auch wichtig, noch einmal dazuzusagen, das Private ist politisch, und auch im Bereich Gewaltschutz.

 

Ja, die Konvention legt aber nicht nur einen Fokus auf Gewaltschutz an sich, sondern vor allem eben auf den zu viel vernachlässigten Bereich der Gewaltprävention. Hier möchte ich vor allen Dingen zwei Dinge exemplarisch herausgreifen, weil es mir doch sehr wichtig erscheint. Erstens einmal, der Täterarbeit soll ein stärkeres Gewicht beigemessen werden, denn das Problem muss endlich an der Wurzel gepackt werden. Natürlich ist es unbestritten, dass wir Frauen und Mädchen in ihrem Selbstwert und Selbstbewusstsein zu stärken haben und sie auch darüber informieren müssen, wie sie sich rechtlich gegen Männergewalt wehren können. Das ist keine Frage. Aber es ist mindestens und wirklich mindestens genauso wichtig, dass wir Männern und Burschen von klein auf wirklich vermitteln, dass eben Gewalt keine Lösung ist und dass Zuschlagen niemals, niemals zu akzeptieren ist.

 

Hier gilt es vor allem, uralte und leider doch sehr hartnäckige Geschlechterstereotype und toxische Vorstellung von Männlichkeiten aufzubrechen. Niederschwellige Bildungs-, Beratungs- und Bewusstseinsarbeit ist hier doch, denke ich, das Um und Auf.

 

Der zweite Punkt, den ich doch auch sehr wichtig finde neben der Fokussierung auf die Täterarbeit oder Burschenarbeit, ist die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Gerade als Gewerkschafterin und als ehemalige Angestellte des AMS weiß ich doch recht gut, dass es einen ziemlich kausalen Zusammenhang zwischen von Armut betroffenen Frauen gibt, die auch von Gewalt betroffen sind. Denn es ist so, solange eine ökonomische Abhängigkeit zum Gewalttäter besteht, ist es für Betroffene eben sehr, sehr schwer, sich aus diesen Gewaltbeziehungen zu lösen und aus der Gewaltspirale auszubrechen. Gerade deshalb fordert die Konvention umfassende Gleichstellungsmaßnahmen zur sozialen Absicherung, zur ökonomischen Absicherung von Frauen, denn, wie Johanna Dohnal schon richtig sagte, Frauen sind keine politischen Almosenempfängerinnen. Frauen müssen von der Politik - von uns - endlich voll umfänglich als eigenständige, ökonomische, soziale Subjekte gesehen und behandelt werden, die vor allem soziale Rechte haben.

 

Ja, beim Gewaltschutz darf die Politik nicht immer nur die Feuerwehr spielen sozusagen, sie, die immer nur schnell akute Brände löschen muss. Für uns muss im Sinne der Gewaltprävention klar sein, wir dürfen die Brände gar nicht erst entstehen lassen. Die Istanbul-Konvention bietet dafür die rechtlich bindende Grundlage mit vielen wichtigen Ansatzpunkten. Eine bindende Konvention wie diese ist ein Meilenstein und eine Errungenschaft, mit der nicht leichtfertig umgegangen werden darf. Aktuell, die Marina hat es vorher auch schon gesagt, erleben wir leider wieder einen internationalen Backflash was das anbelangt, denn die Türkei trat per Dekret durch den türkischen Präsidenten Erdogan in der Nacht vom 21.3.2021 aus der Konvention aus. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Per Dekret. Das heißt, das türkische Parlament hat da nicht einmal einen Einfluss darauf gehabt oder es hat ohne das türkische Parlament sogar stattgefunden. Und das ist wirklich buchstäblich ein Schlag ins Gesicht für jede Frau in der Türkei und darüber hinaus. Wir müssen uns da wirklich sehr klar dagegen stellen, und deswegen bin ich sehr, sehr froh, dass wir heute diesen Antrag zusammen beschließen werden.

 

Leider erwägen nun auch Länder wie Polen und Ungarn, aus der Istanbul-Konvention auszutreten. Deswegen ist es umso wichtiger, hier wachsam zu bleiben und uns auch mit den Kräften zu solidarisieren, die dagegen kämpfen, dass weitere Länder eben aus dieser Konvention austreten. In diesem Sinne freue ich mich über die breite Allianz. Bitte stimmen Sie dem Antrag zu, auch in Richtung FPÖ! Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Danke. Ich ersuche noch um Desinfektion. Vielen Dank. - Zu Wort gemeldet als Nächste ist Frau GRin Bakos.

 

14.10.04

GRin Dolores Bakos, BA (NEOS)|: Werte Frau Vorsitzende! Werte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Berichterstatter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuseherinnen!

 

Ich kann mich hinsichtlich dieses Poststückes meinen Vorrednerinnen nur anschließen. Natürlich unterstützen wir NEOS auch diese wichtige feministische Institution. Das Kosmos Theater, LINK, den Verein für weiblichen Spielraum, denn gerade auch wenn Frauenagenden, frauenpolitische Agenden, wenn Feminismus allgemein einen Backlash erfährt, dann ist es umso wichtiger, auch gerade diese Themen künstlerisch aufzubereiten, zu thematisieren.

 

Ich möchte allerdings auch ein paar Worte zu dem von uns gemeinsam mit SPÖ, GRÜNEN, ÖVP und NEOS eingebrachten Antrag anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Istanbul-Konvention verlieren. Warum haben wir oder warum bringen wir diesen Antrag ein? Warum gerade zur Istanbul-Konvention? Wozu brauchen wir überhaupt die Istanbul-Konvention? Wir brauchen sie, und ich weiß, dieser Satz ist wirklich ausgelutscht gerade für Personen, die sich auch mit Gewaltschutz beschäftigen. Ich möchte es aber trotzdem noch einmal erwähnen, weil jede fünfte Frau mindestens schon ein Mal Gewalt erlebt hat. Ich möchte jede und jeden dazu einladen, in sich zu gehen und an seine eigene Familie, Freundeskreis, also FreundInnenkreis, Bekanntenkreis zu denken und sich zu überlegen, ob man nicht selbst auch vielleicht so eine Frau kennt oder gekannt hat. Wir

 

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