Gemeinderat, 9. Sitzung vom 28.04.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 114
betroffen sind, schon vor der Krise. Sie hat diese Krise besonders stark betroffen, denn Corona ist auch eine soziale Krise, und droht nicht erst, eine zu werden. Wer diese simple Tatsache nicht anerkennt, verkennt die Tragweite der gesamten Situation, in der wir uns befinden. Frauen waren es auch, die uns vor allem durch diese Krise getragen haben. Und eine nachhaltige Politik zu machen, eine nachhaltige Politik für den Arbeitsmarkt zu machen, heißt jetzt, für die Zukunft zu arbeiten und vor allem Frauen eine neue, eine andere und vor allem eine faire Perspektive am Arbeitsmarkt zu bieten und sie dabei zu unterstützen, dass aus der Krisenmanagerin von heute die Zukunftsarchitektin von morgen wird, die aber schon heute in ihr steckt.
Es ist unsere Aufgabe, jede einzelne Maßnahme und vor allem die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen - das ist ja das Thema der Aktuellen Stunde -, die wir beschließen, immer zu hinterfragen. Was bringen sie den Menschen, die in dieser Stadt leben, welche Weichen stellen sie für die Zukunft und machen wir Wien dadurch zu einer sozial gerechten Klimahauptstadt oder tun wir das Gegenteil? Ich sage das auch und gerade in Hinblick auf den Bau der Stadtstraße, die heute noch Thema sein wird. Als erstes Großprojekt ihrer Legislaturperiode beschließen SPÖ und NEOS heute, eine halbe Milliarde Euro für eine Autobahn auszugeben, die die Luft verpestet und den Weg in die Klimaneutralität versperrt und zubetoniert, meine Damen und Herren.
Am Ziel vorbei führt die Donaustadt-Autobahn nicht nur klimapolitisch, sondern auch arbeitsmarktpolitisch. Wenn wir uns die Zahlen anschauen: Der Bau der Donaustadt-Autobahn schafft 4.600 Jobs, Investitionen in gleicher Höhe in Radwege schaffen 7.300 Jobs, in Verkehrsberuhigung und Begegnungszonen ebenfalls 7.300 Jobs, in Bahn, Infrastruktur und Streckenausbau 7.500 Jobs und in Bahnhöfe sogar knapp 8.000 Jobs.
Sie sehen also, jeder Euro, den wir in eine nachhaltige Klimapolitik investieren, rechnet sich vor allem arbeitsmarktpolitisch auf mehreren Ebenen. Eine ökologische, regionale und gemeinwohlorientierte Wirtschaft und die damit verbundenen Jobs sind also nicht nur vernünftig, sondern sie stärken uns alle. Sie stärken den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und sie machen uns insgesamt resilienter.
In diesem Sinne brauchen wir auch - und das ein paar Tage vor dem Tag der Arbeitslosen und vor dem Tag der Arbeit - so etwas wie eine neue Formel der Arbeit. Die neue Formel der Arbeit lautet: Arbeit neu definieren, in dem Sinne, dass Arbeit nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit, auch freiwilliges Engagement ist, Arbeit neu bewerten, indem wir Arbeit, vor allem systemrelevante Arbeit, wo vor allem Frauen beschäftigt sind, besser bezahlen, und indem wir Arbeit auch neu verteilen. Das kann eine neue Formel der Arbeit sein, und ich glaube, sie ist so aktuell wie nie zuvor.
Arbeit neu verteilen, heißt auch, dass wir endlich das Thema Arbeitszeit und damit das Thema Arbeitszeitverkürzung auf den Tisch legen und dieses Thema endlich angehen, damit alle Formen der Arbeit auch tatsächlich besser verteilt werden können. Bei den Pflege- und Gesundheitsberufen der Stadt Wien könnten wir schon längst mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, was möglich ist, wenn wir zum Beispiel mit innovativen Formen von Lebensarbeitszeitmodellen anerkennen, dass die vielfältigen Formen von Arbeit eben auch Zeit brauchen, damit sie in guter Qualität erledigt werden können.
Krisen wie die aktuelle, Krisen wie die Corona-Krise wirken immer wie Vergrößerungsgläser. Es zeigen und verstärken sich Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, aber auch zwischen den Klassen und zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Diese Krise zeigt die Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen im Zuge des Lockdowns deutlich, denn offensichtlich haben die dazugehörigen Partner nicht befunden, dass die Hälfte der unbezahlten Arbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung ihnen gehört.
Wir stellen fest, dass Emanzipation nicht so stattgefunden hat, wie wir bisher dachten. Wenn eine Gesellschaft nach mehr Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann muss es ganz wesentlich um eine Umverteilung der unbezahlten Arbeit im Privaten gehen und das, meine Damen und Herren, ist keine private, sondern eine politische Aufgabe, und zwar unsere gemeinsame arbeitsmarktpolitische Aufgabe. Vielen Dank.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Gstöttner, und ich erteile es ihm.
GR Markus Gstöttner, MSc (ÖVP): Vielen Dank, sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Aktuelle Stunde zum Thema Arbeitsmarkt ist natürlich im wahrsten Sinne des Wortes aktuell, weil wir uns wohl einig sind, dass die Corona-Pandemie nicht nur eine große gesundheitspolitische, sondern auch eine wirtschaftspolitische Herausforderung ist, in deren Zentrum, in deren Kern letztlich der Arbeitsmarkt steht. Ich glaube, dass unser politisches Handeln, unsere politische Diskussion auch hier insofern relevant ist, als sie hilft, die Schicksale, die hinter dieser Herausforderung stehen, auch wirklich zu lindern und Perspektiven aufzuzeigen.
Man kann da vielem von dem, was schon gesagt wurde, auch zustimmen: Dass da Schicksale von Menschen - Unternehmerinnen, Unternehmern, Mitarbeitern - dahinterstehen, die sich über Jahre und Jahrzehnte etwas aufgebaut haben und jetzt vor dem Nichts stehen, dass Schicksale von jungen Menschen, die in Ausbildung sind, in Ausbildung waren und jetzt am Berufsmarkt durchstarten wollten, vor der Unsicherheit stehen, dass andere Menschen, die es vielleicht schon vorher am Arbeitsmarkt schwer hatten, jetzt noch größere Herausforderungen sehen, und dass es unsere Aufgabe ist, da zu handeln, um diese Perspektiven zu verbessern und die Not zu lindern.
Ich glaube, dass für uns als Stadt - als Stadtpolitik, aber natürlich auch für die Stadtregierung - die entscheidende Frage ist, welchen Beitrag die Stadt leistet, damit das Comeback aus der Krise heraus für Österreich und auch für die Stadt am Arbeitsmarkt funktionieren kann.
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