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Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 101

 

nicht erkannt und Wien nimmt bis heute das Virus noch nicht so ernst, wie wir es ernst nehmen müssen, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Beim Herrn Gesundheitsstadtrat überrascht uns das auch nicht, denn da gibt es ja schon eine sehr lange Geschichte parallel zum Aufkommen des Coronavirus: Die ersten Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat, als absehbar war, dass man Maßnahmen treffen muss, hat der Herr Gesundheitsstadtrat als lustige Cowboymethoden bezeichnet. Ärzte, die sich damals zu Wort gemeldet haben, schon gewarnt haben, wurden als hysterisch beschimpft und man hatte immer wieder das Gefühl, auch ich persönlich, dass manchmal mehr Zeit und Energie investiert wurde, um Statistiken zu bekämpfen als das Coronavirus.

 

Wir haben - Frau Kollegin Korosec hat es auch schon gesagt - seit Mai immer wieder gewarnt. Wir haben uns immer wieder hingestellt, wir haben Pressekonferenzen gegeben, wir haben Presseaussendungen gemacht und wir haben auch schon im Mai kritisiert, sehr geehrter Herr Gesundheitsstadtrat, dass Sie die Krise nicht ganz ernst nehmen. Wir haben gesagt, dass wir auch nicht verstehen, warum Sie zum Beispiel die Hilfe der Polizei nicht annehmen oder warum es schon damals nicht möglich war, dass Testergebnisse schneller bei den Betroffenen ankommen. Das haben nicht nur wir gesagt, sondern das haben auch viele Expertinnen und Experten gesagt. Mittlerweile, das muss man sagen, ist genau das eingetreten, was wir auch im Mai befürchtet haben, nämlich dass die Situation in Wien im Moment außer Kontrolle gerät. Aus unserer Sicht ist Ihnen diese Situation auch als Gesundheitsstadtrat entglitten, vor allem, wenn man mit unterschiedlichen Menschen aus dem Gesundheitsbereich spricht, wenn man mit Ärztinnen und Ärzten spricht, die sagen, sie haben das Gefühl, man ist jetzt in der zweiten Phase schlechter vorbereitet als eigentlich in der ersten Phase. Viele Learnings, die aus der ersten Phase gezogen wurden, sind jetzt in der zweiten Phase nicht implementiert. Es gibt eine schlechte Abtrennung oder gar keine Abtrennung in Spitälern zwischen Menschen, die unter Covid-Verdacht stehen oder Risikopatienten sind und Menschen, die an dem Virus erkrankt sind, die Abtrennung ist nicht gut genug. (Zwischenruf.) - Reden Sie mit den Ärztinnen und Ärzten, diese sagen, dass die Abtrennung da nicht gescheit funktioniert, dass die Ärztinnen und Ärzte, die sich selbst nicht gut genug geschützt fühlen, sich teilweise untereinander testen, weil die Regelmäßigkeit der Tests in den Spitälern sozusagen nicht gut genug funktioniert.

 

Wir hören, dass auch Pflegerinnen und Pfleger all diese Dinge bestätigen und wir hören von Patientinnen und Patienten - das hat Frau Kollegin Korosec auch vorhin schon erwähnt -, dass sie zum Beispiel in Quarantäne sind und während dieser 14 Tage kein einziges Mal irgendjemand vorbeischaut und kontrolliert, ob die Menschen überhaupt in Quarantäne bleiben. Das macht natürlich die Maßnahme per se eigentlich komplett wertlos. Sie schicken Menschen in Quarantäne, noch dazu vielleicht Menschen - und das ist jetzt gar kein Vorwurf -, die schlecht Deutsch sprechen oder vielleicht gar nicht verstanden haben, warum sie in Quarantäne bleiben sollen, und diese werden dann während der Quarantäne kein einziges Mal kontrolliert, ob sie noch dort sind. Diese Maßnahme ist dann per se natürlich sinnlos.

 

Oder die Frage, wie lange man auf Testergebnisse wartet - gut, das ist jetzt eh jeden Tag auch in den unterschiedlichen Medien und Zeitungen, weil sich natürlich mittlerweile auch die Menschen zu Wort melden. Auch das ist etwas, was seit drei Monaten gleich ist, seit drei Monaten dauern Tests in dieser Stadt schlicht und einfach viel zu lange. Wir merken es auch, wenn sich Menschen zum Beispiel an die Gesundheits-Hotline 1450 wenden: Ja, jetzt rufen viel mehr Menschen an, gar keine Frage, logisch, wir haben im August 1.222 Personen gehabt, die sich gemeldet haben, und jetzt, Mitte September, sind es 18.000. Es ist gar keine Frage, das sind viel, viel mehr, aber das war doch vorhersehbar. Da muss es doch irgendeine Szenarioplanung geben, bei der man überlegt, wie sich das Virus in Wien entwickeln kann, was für unterschiedliche Szenarien es gibt, und was man tut, wenn das schlimmste Szenario eintrifft, so wie es jetzt derzeit aussieht. Welches Personal brauche ich, wenn die Infektionszahlen ein gewisses Niveau erreichen? Wenn dann der Herr Bürgermeister mitten am Peak sagt, na ja, jetzt haben wir aber 20.000 neue Leute, die rekrutieren wir jetzt, die müssen wir erst ausbilden, dann sind die sicher auch noch lange nicht einsatzfähig. Warum plant man da nicht schon vorher und überlegt, okay, welche Bereiche der Stadt planen wir damit ein? Wo können wir rasch vielleicht zumindest kurzfristig Personal auch innerhalb der Verwaltung entsprechend verschieben? - Das sind alles Dinge, die längst hätten geschehen können und die längst auch hätten geplant werden können. Warteschlangen vor privaten Labors, ganz klar, Menschen, die nicht lange auf Tests warten wollen, finanzieren sich das natürlich selbst. Und ja, mittlerweile haben wir das Ergebnis, dass die Lage außer Kontrolle gerät.

 

Sehr geehrter Herr Stadtrat, abseits davon, dass aus unserer Sicht Ihr Krisenmanagement gescheitert ist, sind Sie aus unserer Sicht auch kein gutes Vorbild. Warum? - Am selben Tag, an dem Sie die Wandlung beziehungsweise Wende vollzogen haben und innerhalb kurzer Zeit die Maßnahmen betreffend vom Verharmloser zum Scharfmacher wurden, indem Sie gesagt haben, die Bundesregierung müsste noch viel schärfere Maßnahmen ergreifen und es wäre Ihnen recht, wenn die Bundesregierung noch viel schärfere Maßnahmen erlassen würde, am selben Abend waren Sie dann öffentlichkeitswirksam - sonst hätten wir es ja eh nicht mitgekriegt - bei einer Großveranstaltung und haben auf all das, was Sie von den Menschen eingefordert haben, keine Rücksicht genommen - Abstand, Maske, et cetera. Das ist auch ein großer Vorwurf, nämlich nicht nur, dass das Corona-Management nicht funktioniert, sondern dass Sie schlicht und einfach in der Art und Weise, wie Sie handeln, für die Menschen ein schlechtes Vorbild sind, sehr geehrter Herr Stadtrat.

 

Aus unserer Sicht kann es mit diesem Corona-Krisenmanagement so natürlich auch nicht weitergehen.

 

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