Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 101
Zum Abschluss noch einmal: Es freut mich wirklich, dass die Joboffensive 50plus jetzt so breite Zustimmung findet. Das finde ich toll, und ich finde es auch toll, dass Kollege Baron zumindest einmal das Eingeständnis gemacht hat, dass man hier umgedacht hat. Es hätte mich allerdings gefreut, wenn man auch ohne Krise 50-Jährige verstärkt in den Arbeitsmarkt integriert hätte und diese Aktion damals nicht abgeschafft hätte. Vielleicht wird aber das Erfolgsmodell, das wir jetzt machen, dann wiederum ein Vorbild sein, damit es auch, wenn es notwendig sein sollte, für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder eine Initiative auf Bundesebene gibt. Beim Abschaffen war man schnell, man könnte auch wieder schnell beim Wiedereinführen sein. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Falls übrigens jemand seine Brille sucht: Da liegt eine Brille.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dipl.-Ing. Margulies, und ich erteile es ihm.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Berichterstatter!
Ich war jetzt recht froh, dass Kollege Oxonitsch wieder zurück zum Thema gefunden hat nach den Ausführungen des Kollegen Mahdalik, der einfach irgendetwas geredet hat, weil er sich gefreut hat, dass er reden darf. Ich werde jedenfalls auch beim Thema bleiben und auf ihn so gut wie nicht eingehen. Ich erlaube mir jedoch, ein paar Bemerkungen in Richtung des Kollegen Ornig und auch des Kollegen Juraczka zu machen. Wobei ich es sehr traurig finde, dass Kollege Juraczka zwar gesprochen hat, dann aber der Debatte nicht folgte. Das finde ich in einem gewissen Sinne ein bisschen unhöflich. Aber mein Gott, was soll’s!
Vorweg noch eine grundsätzliche Anmerkung zur gegenwärtigen Pandemie. (Zwischenruf.) Kollege Juraczka ist übrigens wieder da oder war vielleicht nur hinten versteckt, also nehme ich die Bezeichnung „unhöflich“ gerne zurück. Viele Maßnahmen, die auf Bundesebene beziehungsweise auf Landesebene gesetzt werden, beruhen auf Annahmen, weil ja in Wirklichkeit niemand abschätzen kann, wie lange das Ganze dauern wird, wie intensiv das noch werden wird, wie viele Krankheitsfälle und wie viele Todesfälle auftreten werden. Niemand weiß das in Wirklichkeit. Das, was wir weltweit sehen, egal, welche Regierungen in den unterschiedlichen Ländern das Sagen haben, ist, dass dort die Zahlen, wo sie zu Beginn relativ niedrig waren, explodieren. Die Zahlen der Krankheitsfälle sind dort, wo sie sehr hoch waren und wo starke Maßnahmen gesetzt wurden, zurückgingen und erst jetzt wieder langsam steigen. Aber sozusagen handelt es sich wirklich weltweit um „Trial and Error“-Methoden und um ein permanentes Anpassen an die Situation, sodass ich wirklich glaube: Wer auch immer der Meinung ist, dass er oder sie den Stein der Weisen kennt, der übertreibt ein klein wenig.
Ein paar Geschichten und ein paar Bilder hat man aber schon im Kopf: Das sind die Bilder aus Italien, aus den USA und aus Frankreich am Gipfel der Pandemie im Frühjahr und im Frühsommer. Diese Eindrücke haben zumindest alle bekehrt, die geglaubt haben, dass all das harmlos ist. Niemand weiß, wie es sich jetzt weiterentwickeln wird. Aber es ist schwierig, das als harmlos zu bezeichnen. Damit kommen wir jetzt genau zu diesen Verflechtungen, wenn niemand weiß, wie sich etwas weiterentwickeln wird: Wie hilft man auch wirtschaftlich sinnvoll und gescheit?
Ich glaube, auf Bundesebene und Wiener Ebene und auch in den anderen Bundesländern hat es eine Symptombekämpfung gegeben, die manchmal besser, manchmal schlechter funktioniert hat. Dies ist auch notwendig, das sage ich gleich dazu, um eine komplette Verarmung von breiten Landstrichen zu verhindern. Dabei wird aber meines Erachtens tatsächlich außer Acht gelassen, dass es kein sehr schnelles Zurück zu dem geben wird, wo wir wirtschaftlich einmal waren. Dabei zeigen sich vor allem auch die Widersprüche des jetzigen Systems, wenn es zu Systembrüchen kommt und sich die Frage erhebt: Was passiert, wenn plötzlich die bezahlte Arbeit von 150.000 Menschen - zumindest jetzt kurzfristig - nicht mehr benötigt wird? Wie gehen wir als Gemeinschaft damit um?
Ich persönlich bin überzeugt davon, dass auch davor bei dem Sockel von 300.000 Arbeitslosen, die wir hatten, die wenigsten an ihrer Arbeitslosigkeit selber schuld waren. Jetzt wird das aber offensichtlich: Wie gehen wir in einer Gesellschaft damit um, dass wir zumindest für einen gewissen Zeitraum mit Sicherheit feststellen müssen, dass es zu wenig bezahlte Erwerbsarbeitsplätze unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen gibt?
Im Rahmen der öffentlichen Hand können wir uns jetzt überlegen, einfach zu zahlen: Wir erhöhen das Arbeitslosengeld, wir erhöhen die Notstandshilfe. Oder wir verteilen die vorhandene Arbeit. Ich glaube nicht, dass all das einfach ist. Nein! Das glaube ich nicht. Wir Grüne stellen jetzt sozusagen automatisch die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden für diejenigen Menschen, die bei der Stadt Wien und in der Umgebung der Stadt Wien beschäftigt sind. Wir wissen, dass das etwas kostet und dass das nicht von einem Moment auf den anderen gehen wird. Zum Teil sind die notwendigen Qualifikationen nicht da, aber das wird notwendig sein, um Menschen überhaupt in einem Arbeitsprozess zu halten. Es ist ja unser gemeinsames Ziel, möglichst viele Menschen im Arbeitsprozess zu halten, und das geht einfach nur mit kürzerer Arbeitszeit. Entweder stellen wir uns darauf ein, dass der eine Teil der Menschen Arbeit hat und ganz gut verdient, aber auch immer weniger verdient, weil der Lohndruck steigt, je mehr Arbeitslose es gibt, und umso weniger wird bezahlt werden. Oder aber wir überlegen uns alle gemeinsam, wie wir die gemeinsame Arbeit neu verteilen. Das wird - wie gesagt - nicht einfach. Dieser Illusion darf man sich nicht hingeben, schon gar nicht weltweit! Wenn wir aber wirklich wollen, dass Massenarbeitslosigkeit und Massenarmut verhindert werden, dann müssen wir diesen Weg gehen.
Ein anderer Punkt: Ich glaube, dass wir es in Österreich in Summe zum Beispiel durch das bessere Ab
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