«  1  »

 

Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 101

 

Ich will dieses Modell auf keinen Fall verurteilen, es ist wichtig, aber man muss zum Beispiel einmal hergehen und sagen, okay, wir bleiben bei der überbetrieblichen Lehre, aber dann machen wir das nur in Mangelberufen. Dann gehen wir für die überbetriebliche Lehrausbildung mit dem Fokus nur in die Mangelberufe, denn da sind der Arbeitsmarkt und der Bedarf so groß, dass diese Leute auch unterkommen

 

Natürlich verstehe ich die Unternehmer und Unternehmerinnen. Wenn ich die Auswahl zwischen einem Lehrling habe - ich sage jetzt einmal, einem Kfz-Mechaniker -, und ich weiß, der hat in einem Betrieb seine Lehre absolviert oder er hat überbetrieblich eine Ausbildung erhalten, die dem aber wahrscheinlich nicht gleichzusetzen ist, dann nehme ich natürlich immer den, der schon aus einem Betrieb kommt. Da fehlt mir eben ganz klar die Initiative.

 

Kollege Aichinger hat es vorhin schon gesagt, die duale Ausbildung in Österreich ist sensationell. Natürlich gibt es hier auch Reformbedarf, hier muss auch entbürokratisiert werden, hier müssen auch ganz alte Regelungen abgeschafft werden. Wenn ich beim Kfz-Mechaniker bin, das Erste was mir einfallt, ich weiß nicht, ob Sie es wissen, der Kfz-Mechaniker darf im ersten Lehrjahr keine Flex angreifen, der muss die Auspuffe noch mit der Hand absägen. Oder ein Dachdeckerlehrling darf ein Jahr lang nicht einmal auf ein Dach rauf, oder wie auch immer. Da muss ich mir anschauen, wie ich für Schutz und Sicherheit sorgen kann, eh klar, aber die Menschen wollen arbeiten. Man darf sie nicht nur zuschauen lassen, und deswegen muss ich dieses Lehrangebot attraktiveren. Und wir als Politik in Wien sind auch gefordert, das dementsprechend zu unterstützen.

 

Es ist jetzt natürlich wenig Geld in den Betrieben. Meiner Meinung nach ist der Schritt der, dass ich mir auch durchaus das Modell 50plus hernehme und schaue, ob ich das vielleicht für die jungen Leute ummünzen kann, dass ich jetzt zum Beispiel hergehe und tatsächlich in eine Vollfinanzierung für die Lohnkosten eines Lehrlings gehe. Das wäre eine wirklich wichtige Initiative, und da könnte man wirklich etwas bewirken, weil viele der Unternehmen dann sagen, okay, ich habe eine Erleichterung und ich kann mir dann auch mehr Zeit nehmen, die Lehrlinge im Betrieb dementsprechend auszubilden, um die Fachkräfte der Zukunft zu haben, die wir ganz, ganz dringend in Wien brauchen.

 

Fernab vom Lehrlingsangebot möchte ich noch einmal zu dem Punkt zurück, um den es letztendlich geht, das ist die Arbeit. Wir müssen Arbeitsplätze schaffen. Wir haben uns die Zahlen schon angehört, wir wissen, dass es ganz, ganz schlimm um den Arbeitsmarkt in Wien steht. Im Tourismus, im Handel ist es ganz arg, und da braucht es meiner Meinung nach auch mehr Mut. Wir haben die Förderungen schon kurz angesprochen, aber jetzt im Tourismus herzugehen und auf das Prinzip Hoffnung zu bauen, ist das Einzige, was uns übrig bleibt. Ich weiß, aber ich kann mich damit halt nicht zufrieden geben, zu sagen, Hauptsache es gibt etwas.

 

Die brauchen jetzt die Hilfe! Wien ist international von vielen Staaten auf die Rote Liste gesetzt worden. Da werden keine Touristen kommen, das heißt, Hotels werden nicht aufsperren, Gastronomiebetriebe werden noch früher schließen müssen oder wahrscheinlich sowieso schließen müssen, weil sie auch oft das Problem haben. Gerade die Betriebe, die wir uns immer wünschen, nämlich die, die im letzten Jahr investiert haben, als es noch keine Covid-19 Krise gab, sind die, die jetzt eben keine Finanzierung mehr kriegen.

 

Das ist nämlich das Problem beim Finanzierungsmodell des Bundes. Du hast leider Gottes eine schlechte Bilanz 2019, und schlechte Bilanz heißt ja auch, ich habe jetzt beispielsweise in die Infrastruktur im Lokal investiert, und so weiter. Das ist in der Bilanz, da stellt sich die Bank quer. Kollege Aichinger, es ist leider so, in der Praxis höre ich das Beispiel sehr, sehr oft. Das heißt, die Bitte ist hier auch an den Bund, einmal zu überdenken, dass es definitiv der falsche Weg ist, wenn man diese Kriterien der Bilanzierung für Liquiditätsstärkung hernimmt, denn jedes Lokal oder jeder Betrieb, der jetzt weiterhin finanzieren kann und weiterhin Arbeitsplätze schafft, selbst wenn er im Worst Case nur die Kurzarbeit finanziert, hilft, er zahlt Steuern.

 

Ich nehme jetzt einen kleinen Gastronomiebetrieb her, der hat mir erklärt, er hat seit 2015, glaube ich, allein 500.000 EUR an Abgaben bezahlt. Das ist Geld, das ja wieder zurückkommt. Auf Grund dieses Modells, mit dem wir in den Betrieben eben nicht Liquidität schaffen können, fällt das weg, und dann sperren die zu. Dann haben wir keine Arbeitsplätze mehr und auch keine Steuereinnahmen mehr. Insofern dreht sich das Rad in eine völlig falsche Richtung.

 

Da kann die Stadt wenig machen, ich weiß, aber es braucht auch hierfür Bewusstsein. Jetzt bin ich wieder bei dem, wo ich sage, es braucht auch von der Stadt noch mehr Hilfe beim Thema Liquidität, es braucht noch mehr Soforthilfe. Diese Anschubfinanzierungen sind alle nett, aber sie greifen nicht. Sie greifen nicht jetzt, wo tatsächlich Not am Manne ist. Ich bin mir ganz sicher, sehr, sehr viele Betriebe werden schon früher, bevor diese Förderungen in Anspruch genommen werden können, leider schon schließen müssen. Es braucht aber vor allem auch Mut.

 

Es braucht hier Mut, Hebel anzugreifen, die bis jetzt immer so ein No-go waren, das heißt, wie bereits angesprochen, Aussetzen von Gebühren. Die Luftsteuer, ich weiß, 70 Millionen EUR im Jahr kommen über die Luftsteuer herein und es sind nicht nur die Gastronomielokale, die unter der Luftsteuer leiden, es ist jeglicher Handel. Wir wissen: Wo gibt‘s denn die Probleme? Im kleinen Handel. Ich weiß, das sind vielleicht nur 1.000 EUR im Jahr für den Betrieb, aber das sind 1.000 EUR, die helfen. Das kann ich sehr, sehr unbürokratisch, ohne dass man die Unternehmer wieder um Förderungen anstehen lässt, machen, und das wirkt sofort. Das Gleiche: Schanigartengebühren. Sie wissen, ich bin der Meinung, die könnte man aussetzen. Das wäre wesentlich unbürokratischer, die Magistratsämter hätten wesentlich weniger Arbeit und der Gastronomie wäre geholfen.

 

Ganz kurz möchte ich auch noch auf „Stolz auf Wien“ eingehen, weil wir heute die Förderungen besprechen.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular