Gemeinderat, 72. Sitzung vom 02.07.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 40
auch eine Politik auf Bundesebene. Integrationspolitik endet nicht an der Wiener Stadtgrenze oder einer sonstigen Stadtgrenze. Integrationspolitik kann nur ganzheitlich sein ... (Zwischenruf: Endet an der Staatsgrenze!) Ich habe von der Stadtgrenze gesprochen, nicht von der Staatsgrenze. Ganz lange war auf Bundesebene Herr Sebastian Kurz als Integrationsstaatssekretär und dann als Integrationsminister zuständig, und es ist kein Zufall, wenn jetzt Frau Susanne Raab als Integrationsministerin die Zuständigkeit hat. Und uns dann Themaverfehlung vorzuwerfen, ist schon ein wenig Eulen nach Athen zu tragen.
Ja, natürlich wird Integrationspolitik immer Probleme aufwerfen und natürlich wird es immer wieder Probleme geben. Aber genau deswegen braucht es auch eine Integrationspolitik und deswegen haben wir auch in Wien einen hervorragenden Integrationsstadtrat. Aber liest man die Reaktionen der ÖVP auf die Angriffe der Grauen Wölfe, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, die Vorfälle hätten überhaupt nichts mit Österreich zu tun. Der VP-Innenminister, der Bundeskanzler, alle zeigen unisono auf die Türkei und sprechen von importierten Konflikten, so als wären die Jugendlichen für diese Konflikte nach Österreich eingeflogen werden. Das war schon gar nicht so. Wir werden weiterhin deutlich gegen Faschismus und Rassismus auftreten.
Vielleicht ein kleiner Exkurs, warum die meisten wissen, dass Rechtsextreme und Faschisten dabei waren, weil das ja immer wieder so unterschiedlich dargestellt wird. Woran erkennen Sie denn die Grauen Wölfe? Nun, einerseits an dem berühmt berüchtigten Wolfsgruß, der in Österreich verboten ist wie andere faschistische Zeichen und Logos. Aber auch an den roten oder grünen Fahnen mit drei Halbmonden, dem offiziellen Emblem der Partei der Nationalistischen Bewegung, also der Wölfepartei. Die MHP steht ja übrigens seit Jahren in der Allianz mit der Regierungspartei von Recep Erdogan, und das sollten wir auch immer dabei beachten.
Nun zurück noch einmal ganz kurz zu dem, warum wir heute überhaupt hier stehen. Frau VBgm.in Hebein hat es ja schon gesagt, dass die Anfänge waren, dass kurdische Frauen bei einer Kundgebung für die Opfer eines Drohnenangriffes auf Rojava, also bei einem türkischen Drohnenangriff in einem anderen Land drei Frauen getötet wurden, und Frauen in Österreich für Frauen- und Menschenrechte demonstrierend eingestanden sind. Als dieser Zug durch Favoriten marschierte, wurde er durch immer mehr herbeigeeilte rechtsextreme Jugendliche gestört und es kam zu ersten Auseinandersetzungen. Dasselbe passierte leider auch an den beiden darauffolgenden Demonstrationstagen, am Donnerstag und am Freitag. Demonstrationen, die ganz offiziell angemeldet waren, die ganz offiziell bewilligt waren. Und dann kam es immer wieder zu Zuströmen in dreistelliger Zahl von Provokateuren, von faschistischen Provokateuren, von Jugendlichen, die offensichtlich orientiert worden sind: Geht in diese Richtung, macht da oder dort etwas. Immerhin wurde ja auch ein Lokal der Titiv angegriffen. Dass jetzt dann gefordert wird, dass das Ernst-Kirchweger-Haus geschlossen werden soll, das finde ich total absurd. Das hat nichts miteinander zu tun. Und wenn Sie sich ein bisschen (Zwischenrufe) besinnen, wer Ernst Kirchweger war, nämlich der erste Getötete nach 1945 von einem Faschisten, von einem Rechten, von einem RFS-Funktionär (Zwischenrufe.), dann sollte man sich das schon noch einmal überlegen, wie das passiert.
Dementsprechend finde ich schon, dass man sich darauf einlassen sollte, wo was geht. Jeder und jede haben in Österreich und in Wien das Recht, im Rahmen der Gesetze zu demonstrieren. Das ist ein hohes Gut, das es nicht in allen Ländern dieser Welt gibt. Ich möchte nicht, dass wir dieses Gut verlieren und uns mit diktatorischen, illiberalen Staaten beginnen zu vergleichen. Es gibt keine verbotenen Orte, wo demonstriert werden soll. Es gibt sie nicht und es darf sie nicht geben, weder auf Wunsch der Kaufleute, die ungestört wirtschaften wollen, noch auf Wunsch von Communities, die sich durch andere Communities gestört fühlen oder auf Wunsch von einer Partei. Die Polizei hat dabei in Wien auch unterstützend dafür zu sorgen, dass das so bleibt und hat dort das Versammlungsrecht zu schützen. Nebstbei, das hat ja auch der Verfassungsgerichtshof erst vor ganz Kurzem ausdrücklich betont. Das wird Herr Guggenbichler besonders wissen, weil es ja da um eine Demonstration gegen eine Veranstaltung von ihm ging. Am Freitag, als abermals eine Kundgebung angesagt war, haben vermutlich Hintermänner die Provokation rund um die Demonstrationen gesucht. So weit der sachliche Ablauf, wie es abgelaufen ist. Ich finde es wirklich bedenklich, wenn hier von wiederholten Ausschreitungen in Banlieues Vergleiche von Seiten der ÖVP gemacht werden. Bei den Demonstrationen, und das ist mir auch wichtig zu sagen, waren verschiedene Gruppen und verschieden Einzelpersonen dabei. Hier ausdrücklich von den Kurdinnen zu sprechen, finde ich wirklich nur herausnehmend und es wäre falsch, zu behaupten, dass diese ausschließlich kurdische Demonstrationen waren. Das wird von allen ExpertInnen, von allen BeobachterInnen, die in den letzten Tagen zu diesen Auseinandersetzungen gesprochen haben, ausdrücklichst betont. Eine Erklärung zu den Angriffen der rechten Jugendlichen versucht auch der Soziologe Kenan Güngör in einem Interview zu geben:
„Wir haben seit Jahren Demonstrationen in der Inneren Stadt. Das ist vergleichsweise problemlos abgelaufen. In Favoriten sei der Anteil der türkischstämmigen Menschen jedoch groß. Da gibt es sogenannte Reviermarkierungen - wem gehört Favoriten? Das kann ja wohl nicht der Grund sein, keine Demonstrationen dort zu machen.
Ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind, dass Extremismus Extremismus sein muss. Ich stelle hier nicht die individuelle Verantwortung in Frage, die jede Person hat, sondern ich gehe davon aus, dass die Mitverantwortung auch bei uns allen besteht. Auch wenn wir es nicht glauben möchten, es gibt einen Zusammenhang und der wird mehrmals von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen betont zwischen der Inklusion in das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben
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