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Gemeinderat, 72. Sitzung vom 02.07.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 40

 

nerbünden gesprochen. Das ist ja absurd, meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit, dass wir eingestehen, was in dieser Stadt falsch läuft, dass Sie eingestehen, dass es Integrationsprobleme gibt, und dass Sie Maßnahmen dafür entwickeln.

 

Zu diesen Problemen gehört ganz eindeutig der Umgang mit extremistischen Organisationen und Organisationen des politischen Islam. Der Wiener Jugendanwalt war auf Ö1 und hat ein sehr interessantes Interview gegeben. Er hat gesagt, er war mitten dabei bei den Demonstrationen, er hat sich das angeschaut. Und er hat gesehen, dass die Gruppe der Demonstrationen der Grauen Wölfe von Einzelpersonen geleitet wurden. Und das ist exakt das, was ich hier jedes Mal sage: Es geht um Vereine, es geht um Strukturen, und Sie wären dafür zuständig, diese Strukturen aufzubrechen und nicht zu fördern.

 

Das bedeutet, was wir als allerwichtigste Maßnahme einfordern, ist, dass die Stadt Wien ein klares Mindset entwickelt: Was ist Extremismus? Was ist politischer Islam? Wie gehen wir damit um? Wie erkennen wir die ersten Anzeichen davon? Und dass sich dieses Mindset in allen Bereichen, die damit befasst sind, durchsetzt. Das heißt, bei Wiener Behörden zum Beispiel in der Bildungsdirektion, die mit Jugendlichen zu tun hat. Wenn Lehrer sehen, hier entwickelt sich ein Jugendlicher vielleicht in eine extremistische Richtung oder vielleicht in eine Richtung, die dem politischen Islam zuzurechnen ist, an wen sollen sie sich dann wenden? Ich möchte, dass diese Lehrer qualifiziertes Ansprechpersonal haben, das sagt: Gut, hier gibt es einen Problemfall und Sie gehen jetzt so und so und so vor. Das fehlt bis heute.

 

Und dasselbe gilt für die Sozialarbeiter in Jugendzentren. Dasselbe gilt für die Pädagoginnen und Pädagogen in Schulen der Stadt Wien. Dasselbe gilt für die Sozialarbeiter in Wiener Parks. Auch die müssen sensibilisiert werden: Wie arbeiten radikale Vereine? Wie passiert die Anwerbung? (Zwischenruf.) Aber offensichtlich wirkt es nicht, was Sie tun. Auch wenn es am Papier vielleicht existiert, es wirkt nicht. Sie sehen ja, dass es nicht wirkt.

 

Als letzten Punkt die Überprüfung der geförderten Integrationsvereine, nämlich: Bestehen da personelle Überschneidungen, personelle Lehen vielleicht zwischen Akteuren in den von Ihnen geförderten Integrationsvereinen und Vereinen des politischen Islam oder des Extremismus? Ich komme ... (Zwischenruf.) Ja, ich hoffe das auch nicht, ja. Ich komme zum Thema Ernst-Kirchweger-Haus. Das Ernst-Kirchweger-Haus war ja Zentrum dieser unrühmlichen Geschichte in Favoriten. Aber nicht nur punktuell, sondern auch im Umfeld ist das Ernst-Kirchweger-Haus ja bei den Anrainern wenig geliebt. Es kommt regelmäßig zu Sachbeschädigungen. Es kommt im Umkreis regelmäßig zu Körperverletzungen. Die gesamte Konstruktion dieses Ernst-Kirchweger-Hauses ist ja äußerst nebulös. Das Haus wurde 2006 von der Stadt Wien aus uns völlig unerfindlichen Gründen gekauft. Es gehört jetzt der Wien Haus GmbH. Das Unternehmen befindet sich im Besitz des Fonds Soziales Wien und, nein, das Unternehmen befindet sich im Besitz der Wien Haus GmbH und das hat den Sitz beim Fonds Soziales Wien, eine ausgesprochen eigenartige Konstruktion, die bereits der Rechnungshof kritisiert hat. Wir haben dazu in der Vergangenheit viele Anfragen eingebracht, es wurde keine einzige von Ihnen beantwortet. Wir wollten wissen: Welche Mieter befinden sich in dem Haus? Wie wird das finanziert? Sind die dort ansässigen Vereine vielleicht zufällig unter Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz? Treffen sich dort vielleicht zufällig linksextreme Vereine? Wie hoch waren vielleicht die Mieteinnahmen der vergangenen Jahre? Und erhält das Ernst-Kirchweger-Haus finanzielle Unterstützung durch den Fonds Soziales Wien? Nichts wurde Ihrerseits beantwortet.

 

Wir wollen, dass das dortige Viertel aufgewertet wird und da passt dieser Quell des Unfriedens überhaupt nicht hinein. Deswegen fordern wir die Auflösung des Ernst-Kirchweger-Hauses.

 

Zwei Worte sage ich noch zu Anträgen, die heute eingebracht werden, und zwar der Antrag der FPÖ zur Erklärung des türkischen Botschafters als Persona non grata. Das ist unserer Meinung nach eine zu hohe Eskalationsstufe. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil wir das Vertrauen in den Außenminister haben, dass er die Entscheidung gebührlich treffen wird. Zweiter Antrag „Einbürgerungsstopp für türkische Staatsbürger“, auch diesem Antrag werden wir nicht folgen, weil die Staatsbürgerschaft, wenn man die Bedingungen erfüllt, ein Rechtsanspruch ist und da darf man nicht unterscheiden zwischen den Herkunftsländern. Meine Damen und Herren, danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Frau Kollegin! - Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist auf meiner Liste Herr Kollege Kunrath, das dürfte stimmen. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

 

12.32.37

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Lieber Herr StR Czernohorszky! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Interessierte vor den Bildschirmen!

 

Zu den aggressiven und gewaltinhaltlichen Aussagen mancher Vorrednerinnen und Vorredner möchte ich jetzt gar nicht eingehen. Einen Sondergemeinderat zu Angriffen von Rechtsextremen gegen KundgebungsteilnehmerInnen in Favoriten zu formulieren, wiederholte Ausschreitungen auf Wiens Straßen, und die Verantwortung dafür sei die fehlende Integrationspolitik der rot-grünen Stadtregierung, halte ich wirklich für eine Themenverfehlung. Und wenn hier dann noch dazu die Pariser Banlieues zum Vergleich herangezogen werden, die ja auf Deutsch immerhin Bannmeile heißen, dann zeigt sich auch, wie weit wir weg sind vom gemeinsamen Verständnis. Wenn Frau Hungerländer vorhin wieder davon gesprochen hat, wie das hier passiert, dann sollten wir schon einmal darauf achten, welche Ausschreitungen wie passieren. Also hier gab es, Gott sei Dank, keine Massenschlägereien zwischen Polizisten und faschistischen Jugendlichen, die dann noch dazu Autos anzünden. Wie kam es denn in Favoriten überhaupt dazu? Und wieso „verfehlte Ausländerpolitik“, wie es der Herr Kollege Wölbitsch-Milan sagt? Integration ist keine Einbahnstraße und seit vielen Jahrzehnten ist Integrationspolitik

 

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