Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 85 von 110
Aber wenn von Werteintegration sowohl von Seiten der Freiheitlichen als auch von der ÖVP gesprochen wird, dann frage ich mich schon, wie man denn eine Werteintegration schafft. Ich finde das wichtig und sinnvoll, dass Menschen auch unsere humanistischen, aufklärerischen Werte vor allem auch mitleben, und wie schaffen wir das? - Über frühzeitige Bildung in der Schule, auch über Werte zu reden, und das im Sinne eines Ethikunterrichts. Und wer ist gegen einen Ethikunterricht für alle? - Das sind die Freiheitlichen und das ist die ÖVP. Man sagt zwar einerseits, man möchte, dass die Werte angenommen werden, weigert sich dann aber, in der Schule, wo der Platz dafür wäre, einen Werteunterricht im Sinne eines Ethikunterrichts für alle einzuführen. Das ist vollkommen widersinnig und zeigt, dass Sie nicht an Integration interessiert sind, sondern an Desintegration interessiert sind, weil das Ihr politisches Geschäft, Ihr politisches Kapital ist, denn wenn Integration nicht funktioniert, dann profitieren Sie davon und deshalb wollen Sie Desintegration.
Zur Integrationspolitik der Stadt: Ich fand einen Vorschlag, der letztens kommuniziert wurde, sehr erfreulich, nämlich den einer Einbürgerungsoffensive. Ich finde es gut, wenn Menschen auch dazu angehalten werden, österreichische Staatsbürger zu werden. Das soll ja auch ein Anreiz sein. Da gab es einen Vorschlag von Seiten der Sozialdemokratie, das zu erleichtern. Das finde ich wichtig, finde ich richtig, einerseits die Hürden zu senken, auch bei der Einbürgerung, und zweitens die Erlangung der Doppelstaatsbürgerschaft zu erleichtern. Das ist ja gut und lobenswert. Herr Stadtrat, das haben Sie ja gemeinsam mit dem Herrn Bürgermeister kommuniziert, allerdings ist der wichtige erste Schritt, der getan werden muss, und das ist die Kompetenz der Gemeinde, endlich die MA 35 so zu reformieren, dass die Menschen, die sich dort hinwenden, sich auch willkommen fühlen, denn genau das ist nicht der Fall. Ich bekomme das Gegenteil von Dutzenden an Menschen mitgeteilt, die sich an die MA 35 wenden, eben dass sie sich dort nicht willkommen fühlen, dass sie sich dort abgestoßen fühlen, dass ihre Anträge nicht behandelt werden, dass sie dort schikaniert werden. Das sagen mir Dutzende von Personen, und auch wenn man Google fragt und MA 35 eingibt, sieht man hunderte von Rezensionen, die genau in diese Richtung gehen. Das heißt, Herr Stadtrat, wenn Sie sich schon für eine Erleichterung und für eine Einbürgerungsoffensive einsetzen, dann reformieren Sie bitte endlich die MA 35 so, dass die Menschen sich auch gerne einbürgern lassen.
So wie es jetzt ist, ist es eine Schande für die Stadt, die sich als weltoffen tituliert. Eine Person hat sich letzte Woche wieder an mich gewandt, denn sein Verfahren um einen Daueraufenthaltstitel dauert mittlerweile zweieinhalb Jahre. Nach einem halben Jahr gibt es eigentlich die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde. Immer eine Woche davor wird ihm gesagt, er soll ein neues Passfoto schicken. Das heißt, er hat fünf Mal ein neues Passfoto geschickt, immer kurz bevor die Gerichte dann die Säumnisbeschwerde bewilligt hätten. Das ist eine Schikane und das kann ich nicht nachvollziehen, und auch die Volksanwaltschaft hat da sehr, sehr viele ähnliche Fälle.
Integrationspolitik der Stadt: Lange weggesehen, jahrzehntelang weggesehen unter dem Motto: Ist ja eh alles gut, es gibt ja keine Probleme. Ich sehe da zum Glück eine Veränderung in der Tonalität und ein Bekenntnis, dass es Probleme gibt. Es ist ja nicht zu übersehen, dass das, was in Favoriten geschieht, ein Riesenproblem ist. Natürlich hat das auch mit der Integrationspolitik der Vergangenheit zu tun, denn was wir dort sehen, hat erstens in Österreich nichts zu suchen und zeigt zweitens, dass Menschen, die hier in unserem Bildungssystem groß geworden sind - ganz viele von denen, die demonstriert haben, sind das -, leider nicht so an die österreichischen Werte und an die Gesellschaft herangeführt wurden, wie es wünschenswert gewesen wäre. Da sehen wir auch ein Versagen der rot-grünen Integrationspolitik der Vergangenheit. Das muss man so klar benennen, um es auch in Zukunft besser zu machen.
Aber es ist nicht nur ein Versagen der rot-grünen Integrationspolitik, sondern natürlich ist es auch ein Sicherheitsproblem, eine Sicherheitsthematik, bei der vor allem auch die Bundesbehörden gefragt sind - BVT. Auch auf Seiten der FPÖ gab es einen großen Beitrag, dass das BVT mittlerweile so gut wie handlungsunfähig ist und international gesehen belächelt wird, weil wegen parteipolitischen Hickhacks und Streitigkeiten und eines Zanks wichtige Institutionen Österreichs beschädigt wurden, und das ist auf jeden Fall der FPÖ auch zu verdanken.
Da meine Redezeit schon zu Ende ist und wir am Donnerstag ohnehin einen Sondergemeinderat dazu haben, würde ich sagen, wir setzen die Diskussion dort fort. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Kunrath. Bitte schön.
GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE): Danke, Herr Vorsitzender. Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Stadtrat! Interessierte via Livestream!
Ich wollte ganz kurz an Frau Kollegin Hungerländer und ihren Integrationsgedanken anschließen, weil mich da gewundert hat, dass sie nur davon gesprochen hat, dass es da einen Zwang geben muss. Integration unter Zwang wird, glaube ich, nicht das werden, was wir uns vorstellen können, weil es gemeinsam und gezielt geschafft werden muss. Wir haben in unserem Integrations- und Diversitätsansatz der Stadt Wien gesagt, der Integrationsansatz baut auf eine gemeinsame Zukunft und bezieht sich auf die Gesamtgesellschaft. Das ist auch etwas Wichtiges, sich nämlich auf beide Seiten zu beziehen, nicht dauernd davon zu sprechen, dass Integration eingefordert werden muss, eingefordert werden muss, eingefordert werden muss und wir brauchen nichts zu tun, wir brauchen uns nicht zu verändern, und wir bleiben, wie wir sind, und alle anderen haben sich uns anzupassen.
Herr Blind hat heute - das habe ich heute wirklich überraschend positiv erlebt - ganz klar den Integrationsmonitor gelobt und gesagt, er sollte häufiger stattfinden,
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