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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 14 von 110

 

wenn Wien sich mehr als bisher darum kümmert, dass wir bessere, weitere und mehr Angebote schaffen. - Vielen Dank.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Berner.

 

Ich darf noch bekannt geben, dass GR Wansch den ganzen Tag verhindert ist, an der Sitzung teilzunehmen.

 

10.17.54

GRin Mag. Ursula Berner, MA (GRÜNE)|: Hallo! Jetzt kommt eine Frauenrede nach der anderen. Ich werde nicht wieder alles wiederholen, was Kollegin Emmerling gesagt hat. Barbara Huemer, unsere Frauensprecherin, ist leider krank, deshalb darf ich heute zu Ihnen sprechen, zu einem Thema, das mir ein großes Anliegen ist.

 

Das Gute an der Corona-Krise ist, sagte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern verschmitzt in einem Video in TikTok, das Gute ist, dass mein Mann jetzt den Geschirrspüler ausräumen muss, weil ich habe ja etwas anderes zu tun in der Krise. Das Video auf TikTok, in dem die Premierministerin das vermeintlich sagt, ist natürlich nicht von ihr, sondern von einem Comedian gemacht, aber es verweist auf eine Tatsache, die sich auch hier beobachten lässt. Im Bereich der systemrelevanten Berufe, und das ist nicht nur, wenn man Premierministerin ist, sondern etwas ganz anderes, zum Beispiel im Pflegebereich, hat sich laut einer Erhebung auch ein interessanter Gendershift in die informelle Arbeit ergeben. Das heißt, es sind oft die Männer mit Kindern zu Hause geblieben und haben diese Care-Arbeit gemacht, während die Frauen draußen arbeiten waren, also als Pflegerinnen gearbeitet haben oder als Schwestern oder als Verkäuferinnen.

 

Es gibt da Berichte, dass Kinder erstmals von ihren Vätern längere Zeit versorgt wurden. Katharina Mader, feministische Ökonomin an der WU Wien, hat dazu gerade ein Forschungsprojekt, ich bin schon gespannt, welche Details sie uns dazu noch sagen wird. In Wien und in Österreich und ich fürchte, auch in den meisten Gegenden sonst in Europa, zeigt sich aber für die meisten Frauen ein anderes Bild. Die meisten Frauen erleben durch die Covid-19-Maßnahmen einen Backlash. Da kann ich meiner Kollegin Emmerling, sie ist jetzt gerade nicht da, nur beipflichten, sie hat das auch schon ausgeführt. Ein Backlash, das heißt, eine Art der Rollenaufteilung zurück in die 50er Jahre.

 

In wenigen Tagen wurde der eigene Beruf zurückgefahren, die Mütter wurden zu Hause auch Lehrerinnen, Pflegerinnen, schupften den Haushalt und Kinderbetreuung und Homeoffice und familiäre Konflikte, wenn das Arbeiten zu Hause überhaupt möglich war. Besonders Alleinerziehende spürten den vermehrten Druck, besonders wenn durch Corona auch noch die Alimente ausblieben oder das eigene Einkommen durch Kurzarbeit eingeschränkt war und das feingesponnene, soziale Netz, die Hilfe von Nachbarn und Großeltern wegbrach, weil auch diese natürlich Corona-mäßig zu Hause geblieben sind. In einer ersten Erhebung von Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien - ich habe das oben schon angesprochen - gemeinsam mit der Arbeiterkammer Wien kam heraus, dass Mütter täglich bis zu 2,5 Stunden Mehrarbeit während des Lockdowns im Homeoffice zu bewältigen hatten, während es für Väter rund nur eine Dreiviertelstunde Mehrarbeit bedeutete. Wir werden noch sehen, wie man das weiter ausführen kann.

 

Frauen, heißt es, sind die Stütze der Gesellschaft. Kaum je hat der Satz so eine Realität bekommen wie im vergangenen Frühjahr 2020. Corona hat gezeigt, was die tatsächlich systemrelevanten Berufe sind, also die Berufe, ohne die gar nichts mehr geht: Pflegeberufe und andere Gesundheitsberufe, Berufe zur Versorgung von Älteren und Kindern oder im Verkauf von Lebensmitteln und Gesundheitsartikeln, Medikamenten und Drogerieprodukten. Was haben diese Berufe alle gemeinsam? - Sie werden mehrheitlich von Frauen ausgeübt und sie sind mehrheitlich schlecht bezahlt.

 

Covid hat uns nun nicht nur vor Augen geführt, wie schnell sich Menschen neue Verhaltensweisen angewöhnen können, wie schnell sie sich umstellen, es hat auch deutlich vor Augen geführt, wo das System seit Jahrzehnten in die falsche Richtung läuft, wo Veränderungen ganz schnell notwendig sind. Die Versorgungsarbeit ist ein Feld, die sogenannten Care-Tätigkeiten, das sind die tatsächlich systemrelevanten Tätigkeiten, ohne die nichts mehr geht. Es muss unser Ziel werden, diese Tätigkeiten neu, sprich, höher mit besseren Löhnen, flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitszeitverkürzungen zu bewerten und insgesamt mit mehr Stellen, mit mehr Personen, die da arbeiten, damit wir einer nächsten Krise leichter begegnen können.

 

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen 24-Stunden-Pflegebetreuerinnen, Heimhilfen, Pflegerinnen, Krankenschwestern und Ärztinnen, bei allen Kindergärtnerinnen und Sozialarbeiterinnen und Arbeitenden im Handel bedanken, die trotz der eigenen Sorgen und der eigenen Unsicherheit dazu beigetragen haben, dass das Leben in Wien gut weitergeführt werden kann, die daran gearbeitet haben, dass die Grundversorgung für alle hier in Wien aufrechterhalten bleibt. - Herzlichen Dank.

 

Blicken wir weiter zurück ins Jahr 2019: Wir können auch stolz sein auf bestimmte Dinge, eines davon, auf das wir wirklich stolz sein können, ist das Stadt Wien Frauenzentrum, das eröffnet wurde. Hier können Frauen fünf Tage in der Woche von Juristinnen und Sozialarbeiterinnen Beratung erfahren. Wir haben da einen geschützten Raum und eine angenehme Atmosphäre für Frauen geschaffen, die sich in der Rathausstraße 2 treffen und beraten lassen können. Die Hauptthemen dieser Beratungen waren im letzten Jahr Scheidung und Trennung und vermutlich wird das jetzt nach Covid noch mehr sein.

 

In Wien gibt es 52 Prozent Frauen. Auch wenn es bei der Gleichberechtigung zahlreiche Fortschritte gibt, gibt es faktisch noch immer keine Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, auch nicht in Wien, auch nicht hier mitten in Westeuropa. Es braucht weiters eine kritische Reflexion von Geschlechterrollenstereotypen und tradierten Rollenvorstellungen. Die Männer- und Burschenarbeit im Kampf gegen Gewalt an Frauen wird immer wichtiger, denn toxische Männlichkeit ist gleichsam für Männer und Frauen schädlich. Das sieht man

 

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